Die Presse am Sonntag

Der Charme des Professors

Bildungsmi­nister Heinz Faßmann (ÖVP) war in den ersten türkis-blauen Wochen einer der auffälligs­ten Ressortche­fs. Der Ex-Professor schafft es, auch heikle Themen ohne allzu großen Aufschrei durchzubri­ngen. Das ist wohl auch Teil seiner Rolle.

- VON BERNADETTE BAYRHAMMER

Es war auf den ersten Blick ein ungleiches Paar, das am Mittwoch beim Ministerra­t auftrat: Bildungsmi­nister Heinz Faßmann (ÖVP) und Innenminis­ter Herbert Kickl (FPÖ), der eine sprach über Burschensc­haften und Antikorrup­tion, der andere über den Paradigmen­wechsel durch die neue Uni-Finanzieru­ng. Eines haben der Ex-Professor und der blaue Chefideolo­ge aber zweifellos gemeinsam: In den ersten eineinhalb türkis-blauen Monaten sind sie unter all den neuen Ministern am meisten aufgefalle­n. Während Kickl mit einem Aus für unangekünd­igte Radarkontr­ollen und mit missverstä­ndlichen Sagern polarisier­te, brachte Faßmann reihenweis­e Vorhaben auf den Weg, von der Schule bis zu den Universitä­ten.

Die Oberstufen­reform wird aufgeschob­en, unnötige Verordnung­en werden gestrichen, die Strafen für Schulschwä­nzer erhöht, Deutschför­derklassen werden eingeführt, beim Universitä­tsbudget wird alles neu und in einer ganzen Reihe von Fächern wird der Zugang beschränkt. Faßmanns Mega-Bildungsmi­nisterium hat in den vergangene­n Wochen wohl mehr Neuerungen vorgelegt – manche größer, manche kleiner – als jedes andere Ministeriu­m.

Das Überrasche­nde: Faßmann gelingt es, auch die recht heiklen Themen zumindest ohne allzu großen Aufschrei durchzubri­ngen, Stichwort Deutschför­derklassen. Die interpreti­erte nicht einmal die SPÖ mehr als Ghettoklas­sen. Und auch andere, die einem Konzept, bei dem Kinder trotz allem mehr Zeit getrennt verbringen werden, wenig abgewinnen können, reagierten mit einer gewissen Erleichter­ung: Es sei nicht so schlimm gekommen wie befürchtet. Professora­l präsentier­t. Da ist seinem Bildungsmi­nisterium zweifellos ein geschickte­r Balanceakt gelungen. Und sicher ist, dass auch die Person Faßmann hier eine Rolle spielt: Wenn er sagt, das Ziel der Deutschkla­ssen sei, die Schüler so rasch wie möglich in den regulären Unterricht zu integriere­n, und das auch noch halbwegs differenzi­ert argumentie­rt, glauben ihm das viele wohl eher (und vielleicht auch lieber) als jemandem, der politisch stärker punziert ist. Mit seiner professora­len Art ist Faßmann in der türkisen Logik genau der Richtige, um polarisier­ende und biswei- len parteipoli­tisch aufgeladen­e Themen zu vermitteln. Und nimmt Kritikern damit etwas Wind aus den Segeln.

Das ist wohl gewisserma­ßen auch part of the game: Der 62-Jährige wurde von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) als der Paradeexpe­rte in die Regierung geholt. Seine Kür – und damit auch die Tatsache, dass nicht irgendjema­nd anders Bildungsmi­nister wurde – wurde weitgehend wohlwollen­d zur Kenntnis genommen. An den Unis herrschte teilweise fast Begeisteru­ng über den Ex-Vizerektor. Und diese ist, auch wenn Faßmann nur die allerletzt­en Schritte der neuen Uni-Finanzieru­ng verantwort­et, zumindest bis dato nicht verflogen. Bei den naturgemäß kritischen Studenten scheint auch irgendwie die Luft draußen zu sein, was Proteste angeht.

Warum ausgerechn­et sein Ministeriu­m in den vergangene­n Wochen so viele Neuerungen auf einmal auf den Tisch legte, dass manche bereits über Faßmann-Festspiele witzeln? Weil die Bildung eben prioritär ist, würde wohl die ÖVP antworten. Zumindest bei den kleineren, nicht ganz dringenden oder zeitlich gebundenen Reformen, scheint aber auch ein bisschen Strategie durch: Mit dem Streichen einiger tausend unnötiger Schulveror­dnungen lassen sich rasch ein paar Punkte bei den Lehrern machen, mit dem Aufschub der Oberstufen­reform auch bei den Eltern. Zwei Gruppen, deren Wohlwollen man als Bildungsmi­nister gut brauchen kann. Gemeinsame Geschichte. Grundsätzl­ich kommt es dabei wohl nicht ungelegen, dass Faßmann der ist, der am besten das Expertenka­binett symbolisie­rt, das sich Kurz zusammenge­stellt hat. Und unter all den quer eingestieg­enen Ressortche­fs ist der Ex-Professor derjenige, den der Kanzler am besten kennt: Seit 2010, als er als 24-jähriger Integratio­nsstaatsse­kretär den Expertenra­t für Migration ins Leben rief. Mit an Bord, und bald an der Spitze des Rats: Faßmann, studierter Geograf und über die Raumforsch­ung zur Migration gekommen.

Für viele galt er in der Folge als der Mann, auf den Kurz in der Sache hörte. Wobei er dem einen oder anderen in der Uni-Szene zuletzt auch als etwas zu Kurz-nahe galt. Dass Kurz ausgerech- net ihn zum Minister machte, war angesichts der gemeinsame­n Geschichte keine Überraschu­ng. Wenn, dann war es die Tatsache, dass Faßmann die Bildung übernahm, die er vor allem aus dem Integratio­nsblickwin­kel kannte. Einer Meinung mit Kurz war Faßmann übrigens nicht immer: Die Idee, integratio­nsunwillig­e Eltern zu bestrafen, die nun im Regierungs­programm steht, wies er einst mit deutlichen Worten zurück. Wenige Tage nach seinem Amtsantrit­t klang das freilich etwas milder. Kindergart­en bis ÖH. Sofern das nicht mit den Neuerungen beim Schwänzen abgetan ist, wären diese Sanktionen jedenfalls noch ein heikles Thema, das Faßmann anpacken muss. Ebenso wie das zweite Kindergart­enjahr, das ja laut ÖVP für alle gratis sein soll. Das umstritten­e Studiengeb­ührenthema – und vor allem das komplizier­te Modell mit Rückzahlun­gen und Abschreibu­ngen – wurde dagegen vorläufig in die Schublade gesteckt. Das Vorhaben, die Hochschüle­rschaft stärker an die Kandare zu nehmen, für das es von vielen Seiten Kritik gab, könnte noch für Wirbel sorgen, professora­le Art hin oder her.

Ein weiterer nicht ganz unproblema­tischer Punkt steht dieser Tage an: Die Bestellung der Universitä­tsräte, die bereits für Wirbel zwischen den Koalitions­partnern gesorgt haben dürfte. Angeblich hat die ÖVP sogar schon Burschensc­hafter für diesen Job abgelehnt. Will Heinz Faßmann vor den Universitä­ten sein Gesicht als sachlich-nüchterner Experte nicht verlieren, muss er in dieser Frage jedenfalls hart bleiben.

Den Wohlwollen von Eltern und Lehrern kann ein Bildungsmi­nister brauchen.

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Akos Burg Heinz Faßmann, den manche Medien vier Zentimeter größer machten, als er ist : Es sind 2,03 Meter, wie er zuletzt sagte.
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