Vom Gift zum Lieblingsgemüse
Wir importieren einen Großteil der Paradeiser, verheizen aber auch Überschussware.
Was verboten ist, gilt gemeinhin als interessant. Nur dass es bei der Tomate – die im Osten des Landes lieber Paradeiser genannt wird – ein paar Jahrhunderte gedauert hat, bis es so weit war. Denn heute zählen Paradeiser zum Lieblingsgemüse der Österreicher. Böse Zungen behaupten, das hänge mit der Kochfaulheit, die in diesem Land herrscht, zusammen. Immerhin muss man Paradeiser weder kochen noch sonst irgendwie verarbeiten. Snackgemüse nennt man das heute.
Das wissen auch die heimischen Gärtner. Wurden im Jahr 1995 hierzulande etwa noch 25.310 Tonnen Paradeiser im Jahr produziert, waren es im Vorjahr schon 54.258 Tonnen (Statistik Austria). Dennoch liegt der Selbstversorgungsgrad gerade einmal bei 21 Prozent – auch wenn das so mancher Prozent gern ändern würde (siehe oben). Aber zurück zur verbotenen Frucht, die der Paradiesapfel, wie er früher genannt wurde, tatsächlich einmal war. Im 16. Jahrhundert kamen die ersten „tomatl“(wie sie bei den Azteken hießen) mithilfe der Konquistadoren erstmals nach Europa. Hier galt sie lang als ungesundes, ja, gar giftiges Kraut, lediglich als Zierpflanze wurde sie verwendet. Erst im 19. Jahrhundert wurden auch ihre schmackhaften Seiten entdeckt. Bei der Wiener Weltausstellung, im Jahr 1873, wurden schon Paradeiser präsentiert. Bald darauf tauchten sie auf den Wiener Märkten auf. So richtig durchsetzen konnten sich die Früchte des Nachtschattengewächses aber erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
In den letzten Jahrzehnten haben Paradeiser aber einen regelrechten Siegeszug zurückgelegt. Ob das an dem doch recht hohen Wassergehalt (93 Prozent) liegt, an der nicht erfor- derlichen Zubereitung oder an dem mediterranen Flair, das sie immer noch umgibt, sei einmal dahingestellt. Ketchup aus China. Wobei weniger Italien oder Spanien als vielmehr die Niederlande das wichtigste Land für die Paradeiserproduktion sind. Die Niederländer sind zumindest in Europa wahre Spezialisten für die Paradeiserproduktion in großem Stil: Glashäuser, Technik, Samen, Jungpflanzen, ja selbst die Nützlinge stammen meist aus den Niederlanden. Weltweit ist allerdings China führend. Ein Großteil der für Sugos, Tomatenmark oder Ketchup verwendeten Paradeiser stammen von dort. 31 Prozent der weltweiten Paradeiserproduktion (171 Mio. Tonnen) kommen (laut dem Verein Land schafft Leben) aus China. Auch Indien, die USA, die Türkei, Italien und Spanien