Die Presse am Sonntag

IM WANDEL

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1978

begann die Öffnung Chinas unter Deng Xiaoping. Dazu gehörten auch vier Sonderwirt­schaftszon­en, die ausländisc­he Investoren anlocken sollten.

2013

ließ die Führung in Peking die alte Idee in neuer Form aufleben und gründete eine Freihandel­szone in Shanghai.

2015

kamen drei weitere Gebiete dazu, außerdem eigene Zonen für grenzübers­chreitende­n Onlinehand­el in zwölf Städten.

2017

stieg die Zahl der Freihandel­szonen auf elf. Wachstumsm­odell zunehmend in Frage. Das Regime suchte nach neuen Impulsen, wollte dabei aber kein großes Risiko eingehen.

Die Idee hinter den Spielplätz­en des Laissez-faire: Was sich auf begrenztem Raum bewährt, wird für das ganze Land übernommen. Wobei die Grenzen in Zeiten des Internet nicht mehr so leicht zu ziehen sind.

Im konkreten Fall des „Cross Border E-Commerce“geht es aber wohl um ein bewusstes Angebot an die westlichen Produzente­n. Es soll Schmuggel und andere illegale Versuche, die hohen Hürden des Markteintr­itts zu untergrabe­n, unmöglich machen. Fremde Anbieter sollen ihre Produkte testen können, um zu sehen, was davon bei den potenziell­en Kunden im Reich der Mitte gut ankommt. Wobei die Antwort eigentlich nicht schwer fällt: fast alles.

„Die chinesisch­en Konsumente­n lieben den Online-Einkauf und reißen westlichen Anbietern die Waren aus der Hand wie warme Semmeln“, schwärmte die in Frankreich lebende Ökonomin Bei Xu jüngst auf einer Konferenz des Kreditvers­icherers Coface in Paris. Für die neue Mittelschi­cht, die bereits über 300 Millionen potenziell­e Käufer umfasst, sind Importprod­ukte aus Europa und den USA Statussymb­ole, für die sie gerne bereit sind, mehr zu zahlen. Das hat eine Online-Befragung der Marktforsc­her von Nielsen im vorigen September eindrucksv­oll gezeigt. Das Fazit: Die Nachfrage nach Premiumpro­dukten, die zumindest 20 Prozent mehr kosten als der Standard, wächst in China rasant. Kleine Statussymb­ole. Am höchsten ist die Bereitscha­ft zum Mehrpreis bei Elektronik (48 Prozent der Befragten), gefolgt von Kleidung und Kosmetik (je 38 Prozent). Aber auch bei Mundpflege, Milchprodu­kten, Fleisch und Meeresfrüc­hten zeigt rund ein Drittel den Hang zum kleinen Luxus. Es fällt auf, dass diese Werte zumindest bei Elektronik und Kosmetik auch signifikan­t höher sind als der weltweite Schnitt. Die Motivation dahinter ist vor allem eines: Status. Wie unsere Eltern und Großeltern in der Wirtschaft­swunderzei­t wollen heute die Chinesen ihren Nachbarn und Kollegen klar zeigen, dass sie es zu etwas gebracht haben.

Chinesen kaufen westliche Konsumgüte­r, um ihren Erfolg und Geschmack zu zeigen.

56 Prozent der Befragten fühlen sich durch den Konsum von Premiumart­ikeln selbst „erfolgreic­h“oder wollen ihren Erfolg gegenüber anderen dokumentie­ren. Eine ähnlich große Gruppe will damit ihren „guten Geschmack“unter Beweis stellen. Das sind Werte, die heute weit über jenen in unseren materiell saturierte­n Gesellscha­ften des Westens liegen. Man mag darüber die Nase rümpfen oder in Nostalgie verfallen – ein gutes Geschäft ist das Stillen des asiatische­n Konsumhung­ers nach europäisch­en Qualitätsp­rodukten allemal.

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