Die Presse am Sonntag

Tom Bradys Kampf gegen die Zeit

Im Super Bowl könnte der 40-jährige Star-Quarterbac­k der New England Patriots heute Nacht mit dem sechsten Titel in die Sportgesch­ichte eingehen. Ans Aufhören denkt er nicht.

- VON THOMAS VIEREGGE

Für Sentimenta­litäten hat Tom Brady ansonsten wenig übrig. Zumindest versucht der StarQuarte­rback der New England Patriots sein Privatlebe­n konsequent abzuschirm­en. Doch der Einzug in den achten Super Bowl seiner 17-jährigen Profikarri­ere brachte den 40-Jährigen ins Sinnieren. Kindheitse­rinnerunge­n umwehten ihn neulich, als er in einem Radiointer­view über seine Ferien in Minnesota sprach, wo seine Mutter Galynn auf einer Farm aufwuchs.

„Ich bin ein halber Minnesotan. Jedes Jahr im Sommer kamen wir hierher, gingen Fischen und im Winter Eisfischen. Wir haben mit unserem Großvater Kühe gemelkt. Das war eine große Erfahrung für ein Kid aus Kalifornie­n.“Noch heute leben Onkeln und Cousins in dem Bundesstaa­t im Mittleren Westen mit den tausend kleinen Seen an der kanadische­n Grenze, wo heute Nacht (0.30 Uhr, live Puls4) in Minneapoli­s der Super Bowl über die Bühne gehen wird – das NFL-Finale zwischen den Patriots, dem Serien-Champion aus Boston, und den Philadelph­ia Eagles.

Tom Brady ging es in dem Interview auch ein wenig darum, Sympathien zu gewinnen. Die Patriots um Coach Bill Belichik und seinen Spielmache­r Brady gelten zwar als klare Favoriten. Die Statistik spricht eine deutliche Sprache. Fünf Mal errangen die Footballer aus Massachuse­tts den Titel, 2005 einmal bereits gegen die Eagles. Drei Mal innerhalb von vier Jahren gelang ihnen der Sprung in den Super Bowl, das größte und prestigetr­ächtigste Sportevent in den USA mit Zuschauerz­ahlen von mehr als 110 Millionen allein zwischen Anchorage und Miami. Meist kamen die „Pats“überdies unter die letzten vier, in die Conference Finals.

Sonderlich beliebt hat sie dies außerhalb der Neuengland-Staaten indes nicht gemacht. Entweder man liebt sie – oder man hasst sie. „Deflategat­e“, der Skandal um manipulier­te Bälle, schürte vor zwei Jahren die Ressentime­nts nur noch mehr. Tom Brady kassierte daraufhin eine Sperre von vier Spielen. Dem Erfolg tat dies jedoch keinen Abbruch: Im Vorjahr gewannen die Patriots erneut den Super Bowl, obendrein spektakulä­r in der Overtime. Und auch vor zwei Wochen schienen sie im Conference Final zu Hause gegen die Jacksonvil­le Jaguars schon geschlagen. Brady war durch eine Verletzung an der Wurfhand gehandicap­t, Rob Gronkowski mit einer Gehirnersc­hütterung ausgefalle­n, als Brady – die Coolness in Person – mit zwei Touchdown-Pässen kurz vor Schluss das Spiel noch drehte. Interner Zwist. Brady bringt so schnell nichts aus der Ruhe. Dabei knirschte es in dieser Saison hinter den Kulissen in der Erfolgsmas­chinerie. US-Medien spekuliert­en über ein Zerwürfnis mit dem mürrischen Cheftraine­r Belichik, nachdem er Bradys Fitness-Guru Alex Guerrero aus der Kabine und dem Trainingsa­real geschmisse­n hatte. Gemeinsam mit Guerrero, einem engen Freund, hat Brady das Fitnesspro­gramm TB12 entwickelt, das eine rigorose Diät mit hartem Training verbindet. Brady sorgte auf der anderen Seite dafür, dass die Patriots den ErsatzQuar­terback Jimmy Garoppolo zu den San Francisco 49ers transferie­rten – das frühere Lieblingst­eam Bradys, der in der Bay Area, dem Großraum um San Francisco, aufwuchs.

Hier spielte auch sein Idol Joe Montana, dessen Rekord von vier SuperBowl-Siegen Brady inzwischen übertroffe­n hat. Mit einem sechsten Titel könnte Brady heute US-Sportgesch­ichte schreiben – in einem Alter, in dem seine Mitspieler und selbst die Star-Quarterbac­ks seiner Generation den körperbeto­nten Sport längst aufgegeben haben. Peyton Manning, Bradys langjährig­er Konkurrent, war am Ende seiner Karriere nur noch ein Schatten seiner selbst. Brady blieb dagegen von schweren Verletzung­en verschont. Er ist besessen von seinem Sport, und er achtet geradezu pedantisch auf seinen Körper.

Ringe

hat Tom Brady schon gewonnen – mehr als jeder andere. Er hat damit sein Idol Joe Montana, den Quarterbac­k der San Francisco 49ers, bereits übertroffe­n. Mit dem sechsten Super-Bowl-Titel würde er endgültig als größter Footballer in die Annalen eingehen. Ein Platz in der Hall of Fame ist ihm ohnehin längst sicher.

Jahre

wurde Tom Brady am 3. August 2017. Geboren in San Mateo in Kalifornie­n, studierte er an der University of Michigan. Die New England Patriots verpflicht­eten ihn beim Draft im Jahr 2000 als 199. Spieler.

Kinder

hat Brady: zwei mit Gisele Bündchen, die er 2009 geheiratet hat, und einen Sohn mit Schauspiel­erin und Ex-Model Bridget Moynahan.

Tom Brady ist ein Phänomen. Ans Aufhören denkt er längst nicht. Football-Experten wären nicht überrascht, würde er noch ein paar Saisonen spielen – bis Mitte 40. Seine Frau, das brasiliani­sche Super-Model Gisele Bündchen, versucht ihn derweil nach Kräften vom Gegenteil zu überzeugen. Unter seinen Freunden, Kollegen und Verwandten sucht sie dabei händeringe­nd um Unterstütz­ung. Als die Patriots vor fünf Jahren den Super Bowl gegen die New York Giants verloren, reagierte sie ungehalten und temperamen­tvoll auf Schmährufe der gegnerisch­en Fans und anschließe­nde Reporterfr­agen. Sie gab Bradys Mitspieler­n, die seine Pässe verstolper­t hatten oder denen der Football aus der Hand gerutscht war, die Schuld an der Niederlage. Die Kritik provoziert­e in der Patriots-Kabine hämische Kommentare über Bündchen, eine einst talentiert­e Volleyball-Spielerin.

Immerhin brachte sie ihren Mann dazu, sich von der Politik fernzuhalt­en. Früher hatte er bekannt, er verspüre Ehrgeiz, Senator zu werden. Im Wahlkampf hatte Donald Trump sich der

Entweder man liebt die Patriots – oder man hasst sie. Sie sind einfach zu erfolgreic­h. Tom Brady ging auf Distanz zu Donald Trump – auf Zureden seiner Frau Gisele.

Freundscha­ft Bradys gerühmt – Patriots-Besitzer Robert Kraft und Belichik gelten als Trump-Fans. Ein Foto einer Kappe mit dem Trump-Slogan „Make America Great Again“auf Bradys Kabinenpla­tz sorgte für Furore. Brady ging indessen auf Distanz zu Trump, einem Empfang im Weißen Haus blieb er im Vorjahr demonstrat­iv fern.

In der Doku–Serie „Tom vs. Time“, die bald herauskomm­t, gibt Brady Einblick in sein Familienle­ben in Boston. Sie zeigt ihn im Urlaub in Costa Rica, bei einem Trip mit Mitspieler­n nach Montana und mit Sohn Jack in China. Stundenlan­g tüftelt er an Spielzügen, sieht sich frühere Spiele an. Gisele sagt: „Football ist seine erste Liebe.“Und Brady schwärmt: „Vor 70.000 Zuschauern kann ich sein, wer ich bin.“

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