Die Presse am Sonntag

Am Herd

BRANDHEISS UND HÖCHST PERSÖNLICH

- VON BETTINA STEINER

Und da stehe ich im Kaufhaus zwischen all den Roben und wünschte mir, das Kind würde wie weiland Aschenputt­el von einer Fee eingekleid­et.

Also der Schulball. Also ein Kleid. Nicht irgendein Kleid, Marlene hat da sehr präzise Vorstellun­gen: Es muss schwarz sein. Nicht grau, anthrazit oder taubenblau, nicht gestreift oder mit irgendeine­r hellen Borte: rein schwarz. Der Stoff darf nicht steif sein. Kein Tüll! Keinesfall­s Tüll! Spitze ist sowieso was für Omas, bei Pailletten mag sie schon das Wort nicht, und die kleine schwarze Blume da an der rechten Schulter ist auch schon zu viel. „Bitte, Mama! Ich hab’s dir doch gesagt!“ Ja, hat sie. Also durchkämme ich die Gänge nach schlichten schwarzen Kleidern, als würde sich „schlicht“und „Ballkleid“nicht irgendwie ausschließ­en. Im ersten, das sie anzieht, wirkt mein sonst so ultracoole­s Mädchen wie die eigene Tante. Das zweite flattert um die Taille. Das dritte glänzt, ich erfahre, das ist auch verboten. Das vierte ist dunkelrot – ich bringe sie, oh Wunder, trotzdem dazu, es zu probieren! –, und Marlene sieht darin aus wie Schneewitt­chen: Das dunkle Haar leuchtet, und ihre blauen Augen blitzen noch einmal so blau. Marlene zieht es angeekelt aus. Ich schwitze. Ich wünsche mir, alles wäre wie im Märchen und das Kind würde wie weiland Aschenputt­el von einer Fee eingekleid­et. Einer Fee könnte sie auch nicht widersprec­hen. Feen haben es leicht.

Ich habe es schwer. Das war schon mit Hannah so. Stundenlan­g zogen wir durch die Geschäfte, es sollte etwas Dezentes, Unauffälli­ges sein, ein dunkler Hosenanzug vielleicht, immerhin trug sie ja sonst auch nie Kleider, nur Jeans und Leiberln, tagein, tagaus. Sie probierte und probierte, in der Kabine hingen schon vierreihig die ausgemuste­rten Stücke, da tauchte plötzlich eine bekannte Gestalt zwischen all den Roben auf. Eine ehemalige Kollegin! Meine rettende Ritterin! Sie sah meine Verzweiflu­ng, schritt kurz die Gänge ab, griff nach einem Kleid, einem knallroten, wallenden mit raffiniert­em Dekollete,´ grell, auffällig, mit einem Wort völlig unpassend.

Zauberei! Es war perfekt. Boots dazu. Und diesmal? Diesmal brachte ich Marlene einfach alle schwarzen Kleider, derer ich habhaft werden konnte, darunter auch eines mit weich schwingend­em Rock (gut), transparen­ten Einsätzen (oh, Schreck) ein paar Perlen (noch mehr Schreck) und einem zarten Kragen. Viel zu mädchenhaf­t für mein rabaukiges Girl, viel zu verspielt für meine coole Kröte, die am liebsten Rock hört und in XXL-Pullis herumläuft.

Magie! Sie sieht aus wie eine Elfe! Auf dem Ball trug sie dann freilich zum Elfenkleid ihre Lieblingsb­oots. Die seien viel bequemer. Sah wirklich super aus.

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