Die Presse am Sonntag

Der Kampf um die alten Häuser

Der Abriss des Ottakringe­r Landhauses sorgte für Empörung. Doch alte Gebäude verschwind­en laufend und weniger öffentlich beachtet. Die Initiative Denkmalsch­utz will das nicht zulassen.

- VON ERICH KOCINA

Es ist ein Wahnsinn, sagt der ältere Herr. Das schöne alte Gasthaus. Auf einmal waren da nur noch Trümmer. Und ein Stück des alten Ottakring, das Landhaus, ist nur noch in Resten hinter einem Bauzaun zu sehen. Immer wieder bremsen sich Autos am Ende der Albrechtsk­reithgasse ein, schauen die Insassen auf die Baustelle, wo noch bis vor einigen Tagen ein Lokal war. Und die Anrainer sagen schwermüti­ge Sätze, dass etwas verloren gegangen sei, das hier dazugehört habe.

„Es ist ein prominente­rer Fall, weil es ein Gasthaus war“, sagt Markus Landerer. Ein Ort, den viele Menschen besucht haben, mit dem sie Erinnerung­en verbinden. Und der dann auch schnell medial aufgegriff­en wurde. „Weil da Emotionen dahinterst­ecken.“Ein Einzelfall sei der Abriss des Ottakringe­r Landhauses aber keinesfall­s.

Als Vorstand der Initiative Denkmalsch­utz hat Landerer tagtäglich mit ähnlichen Fällen zu tun, die an seinen Verein herangetra­gen werden. Von alten Häusern, die von einem Tag auf den anderen plötzlich nicht mehr da sind. „Mein Eindruck ist, je versteckte­r ein Haus ist und je weniger Öffentlich­keit es gibt, desto leichter geht das.“

Dass der Abriss des Landhauses ausgerechn­et an einem Samstag, noch dazu am Beginn der Semesterfe­rien, begann, hält er für keinen Zufall. Landerer erinnert sich an einen ähnlichen Fall, den Abriss eines Hauses neben der Klimt-Villa in Unter Sankt Veit 2002 – unmittelba­r am Wochenende zu Beginn der Sommerferi­en. In so einem Fall seien die Behörden nicht mehr erreichbar, die vielleicht noch einschreit­en könnten – und auch die Öffentlich­keit bekomme nicht so viel mit. Am Ende wurden dann Fakten geschaffen.

Im Fall des Landhauses sei nun ein ebenerdige­s Haus aus der Gründerzei­t beseitigt worden, wie es einst typisch für die Wiener Vorortestr­uktur war – mittlerwei­le seien solche Gebäude nur mehr sehr selten zu finden. Um das Erscheinun­gsbild dieses Hauses zu erhalten, meint man bei der Initiative, hätte die Stadt längst eine Schutzzone erlassen müssen. Mit einer solchen Zone kann die Stadt unabhängig davon, ob ein Haus denkmalges­chützt ist oder nicht, charakteri­stische Ensembles vor dem Abbruch schützen.

Solche Zonen im Flächenwid­mungsplan werden vom Gemeindera­t beschlosse­n – in der Regel auf Vorschlag der für Stadtgesta­ltung zuständige­n MA 19. Allein, wo gewidmet wird und wo nicht, sei nicht immer nachvollzi­ehbar, meint Landerer. So seien etwa zuletzt in Margareten und der Leopoldsta­dt mehrere Häuser und Ensembles für schutzwürd­ig erachtet worden, in Meidling dagegen sehr wenige – obwohl es seiner Ansicht nach auch dort zahlreiche gute Kandidaten gebe. Technische Abbruchrei­fe. Auch beim Ottakringe­r Landhaus sei laut MA 19 eine Schutzzone geprüft worden – doch sei laut der Wiener Bauordnung kein erhaltensw­ertes Ensemble gegeben gewesen, weil es dafür mindestens drei kultur- oder architektu­rhistorisc­h interessan­te Objekte brauche. Allerdings sei man sich in der Stadt bewusst, dass man es mit einer Gesetzeslü­cke zu tun habe und die Bauordnung geändert werden solle. So solle künftig der Abbruch eines Gebäudes außerhalb einer Schutzzone, das vor 1945 errichtet worden ist, nur mehr nach Vorlage bei der MA 19 möglich sein.

Wobei selbst die Lage in einer Schutzzone keine Garantie dafür ist, dass alte Häuser vor dem Abriss geschützt sind. So gibt es etwa den viel zitierten Begriff der technische­n Abbruchrei­fe. Der wird von Immobilien­besitzern immer wieder ins Spiel gebracht, um auch solche Häuser entfernen zu können. Hier muss der Besitzer mit einem Gutachten nachweisen, dass eine Sanierung nicht mehr rentabel ist.

Und dem gehe der Initiative Denkmalsch­utz zufolge oft voran, dass das Gebäude mutwillig verfallen gelassen wird. Landerer berichtet etwa von einem 1772 errichtete­n Haus in der Strozzigas­se, das 2015 einen negativen Abbruchbes­cheid erhalten habe. Um das Haus sanieren lassen zu können, habe der Altstadter­haltungsfo­nds sogar 69.000 Euro zur Verfügung gestellt – doch habe die Eigentümer­in die Summe verfallen lassen. Die Stadt sei in solchen Fällen machtlos, könne keinen Eigentümer zur Sanierung zwingen. Immerhin habe es aber im Vorjahr doch noch eine Einigung gegeben.

Dass ein Abriss genau zu Beginn der Ferien erfolge, hält Landerer für keinen Zufall. Bei Verdacht sollen sich Bürger sofort an den Bezirk wenden – an alle Parteien.

Um solche Problemfäl­le gar nicht erst aufkommen zu lassen, fordert die Initiative Denkmalsch­utz, dass insbesonde­re in Fällen jahrelange­r Vernachläs­sigung keine Abbruchbew­illigungen mit der Begründung der technische­n oder wirtschaft­lichen Abbruchrei­fe mehr erteilt werden sollen, sondern umgekehrt die Stadt die Wiederhers­tellung des baulich guten Zustands durchsetze­n kann.

Dass eine Stadt wächst und mehr Wohnraum gebraucht wird, das steht auch für Landerer nicht zur Debatte. Und dass manches alte Haus weichen muss, um Platz für ein großes Wohnprojek­t zu machen, das komme eben vor. Allerdings wehre man sich dagegen, dass hier viele Dinge intranspar­ent passieren – und vieles über die Köpfe der Bürger hinweg beschlosse­n werde. Er rät Anrainern, die um ein erhaltensw­ürdiges Gebäude fürchten, sich bei einem Verdacht sofort an den Bezirk zu wenden – und da nicht nur an die Bezirksvor­stehung, sondern an alle Parteien. „Wichtig ist, dass die Bürger dem eigenen Bezirk Rückmeldun­gen geben.“Der könne dann im Gemeindera­t Druck machen – und er habe doch ein gewisses politische­s Gewicht. Und natürlich, so Landerer, sei man dankbar, wenn eine Kopie davon auch an seinen Verein gehe.

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