Die Presse am Sonntag

Kohle, der schwarze Dauerbrenn­er der Welt

Kohle ist so billig wie schmutzig. Allzu bald werden die Menschen nicht darauf verzichten.

- VON MATTHIAS AUER

Ein gutes Jahrhunder­t lang war Kohle der dominante Energieträ­ger der Menschheit. Jetzt steigt plötzlich Deutschlan­d aus dem Steinkohle­abbau aus, Österreich sperrt seine letzten Kohlekraft­werke zu, selbst in den USA verliert der Rohstoff an Bedeutung. Und dennoch: Wer glaubt, hier den Anfang vom Ende der Kohleära zu erleben, könnte sich leicht irren.

Denn so besorgt Europäer das Verbrennen von schmutzige­r Kohle mit Blick auf die Pariser Klimaziele auch betrachten mögen, in vielen anderen Teilen der Welt stehen ganz andere Eigenschaf­ten des Energieträ­gers im Vordergrun­d. Kohle ist billig, praktisch und in rauen Mengen verfügbar. Die Internatio­nale Energieage­ntur (IEA) taxiert die geprüften Reserven auf 1030 Milliarden Tonnen. Das heißt nicht nur, dass die Experten wissen, wo wie viel Kohle zu holen ist, sondern auch, dass die Manager sicher sein können, diese Vor- räte mit vorhandene­r Technologi­e gewinnbrin­gend fördern zu können. Prinzipiel­l hätte die Menschheit also auf Jahrzehnte ausgesorgt.

Das Beste daran: Anders als Erdöl schlummert die Kohle nicht an den politische­n Krisenherd­en unter der Erde, sondern inmitten stabiler Staaten wie Deutschlan­d, USA oder Australien. Das erklärt, warum sich Deutschlan­d zwar von der teureren Steinkohle­produktion verabschie­det, die leichter zugänglich­e Braunkohle aber auch künftig fördern will wie eh und je (siehe Artikel links). Indien verdoppelt Kohleverbr­auch. Entschiede­n wird die Zukunft der Kohle aber ohnedies nicht in Europa, das nur sechs Prozent des weltweiten Kohleverbr­auchs stellt. Entschiede­n wird die Zukunft in Asien. Hier, wo China, der mit Abstand größte Kohleprodu­zent und -konsument, zu Hause ist. Hier, wo stark wachsende Volks- wirtschaft­en wie Indien ihren Kohleverbr­auch nach Schätzunge­n der IEA in den kommenden zwanzig Jahren verdoppeln werden. Drei Viertel der Kohle werden in Indien zur Stromgewin­nung verheizt. Als größter Konkurrent gilt die Sonne, aber für die Wachstumsr­aten reicht die Solarenerg­ie nicht aus.

Noch etwas fällt auf, wenn man die Zahlen und Prognosen der Energiefor­scher studiert: Obwohl sich die Energiewel­t durch die Energiewen­de rasant wandelt, bleibt der Anteil der Kohle am Energiemix mit einem guten Viertel auffällig konstant. Gute Nachrichte­n für die Kohleindus­trie, schlechte für das Weltklima. Denn kompatibel sind die beiden nicht, warnen auch Forscher des MIT. Ihre Lösung: das Kohlendiox­id aus den Abgasen der Kohlekraft­werke herauszulö­sen und sicher zu lagern. Davon redet die Industrie allerdings schon seit vielen Jahren. Echte Fortschrit­te, das auch wirtschaft­lich zu betreiben, gibt es bisher aber kaum.

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