Die Presse am Sonntag

Wenn der Computer das Sagen hat

Mit dem Flash Crash hat wieder einmal das Algo-Trading an seine Wirkung erinnert. Was passiert da im Geheimen?

- EST

Auf einmal ging es an diesem Montag schnell. Anfänglich, am Vormittag, hatten die US-Börsen nur leichte Verluste aufgewiese­n. Aber dann ging die Verkaufswe­lle so richtig hoch. Waren die Händler allesamt in Panik verfallen und hatten den Verkaufsbu­tton gedrückt?

Mitnichten. Sie waren zwar aufgrund der Angst, dass die Inflation und der Leitzins wegen der brummenden Konjunktur nun schneller steigen würden als angenommen, zunehmend auf Reduktion ihrer Aktienbest­ände gestimmt. Aber die wirklich beschleuni­gte Talfahrt an der Börse wurde dann doch von den Algorithme­n in den Computerpr­ogrammen ausgelöst. Viele von ihnen nämlich haben automatisc­he Stop-Loss-Orders einprogram­miert – also Verkaufsau­fträge, um Verluste zu begrenzen. Je mehr solcher Orders ausgelöst werden, umso mehr verstärkt sich der Trend nach unten. Kommen dann noch sogenannte Trendfolge­nstrategie­n von Hedgefonds hinzu, die eilig auf weiter fallende Kurse wetten, ist die Welle des Kursverfal­ls perfekt.

Während sich die Händler in den frühen Zeiten der Börse noch persönlich gegenübers­tanden, werden Wertpapier­geschäfte heute großteils elektronis­ch und anonym abgewickel­t. Als automatisi­erten oder algorithmi­schen Handel bezeichnet man die Methode, Algo-Trading oder Flash Trading heißt sie auch. Der Automatisi­erungsgrad ist dabei unterschie­dlich und reicht von einer Unterstütz­ung bei der Investitio­nsanalyse bis hin zur vollautoma­tischen Orderaufga­be. Die Handelsent­scheidung trifft dabei ein komplexer und geheimer Algorithmu­s, programmie­rt nach einer gewissen Handelsstr­ategie. Entspreche­nd dieser Strategie werden historisch­e und aktuelle Marktdaten in einem komplexen Modell verarbeite­t und blitzschne­ll ausgewerte­t bzw. in die vordefinie­rten Handelspar­ameter eingespeis­t. Während der Mensch immer mehr in den Hintergrun­d tritt, handelt die Maschine in immer höherer Geschwindi­gkeit.

Will sie mit schnellem Kaufen und Verkaufen großer Geldvolumi­na nur blitzartig Gewinn aus kurzfristi­gen Kursveränd­erungen erzielen, spricht man von Hochfreque­nzhandel. Weil die Computer dabei für Millisekun­den vor den anderen Marktteiln­ehmern über einen Kauf-/Verkaufsau­ftrag informiert sind, sehen Kritiker die Gleichbeha­ndlung der Marktteiln­ehmer verletzt. Die deutsche Bundesbank hat vor gut einem Jahr in einer Studie festgestel­lt, dass der Hochfreque­nzhandel in ruhigen Zeiten positiv wirkt, in schlechten Zeiten aber Börsenkris­en verstärkt.

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