Die Presse am Sonntag

Wort der Woche

BEGRIFFE DER WISSENSCHA­FT

- VON MARTIN KUGLER

Das Streichen von Subvention­en für fossile Energie steht seit Jahrzehnte­n auf der Agenda der Umweltpoli­tik. Nun zeigt sich allerdings, dass der Effekt nur sehr gering ist.

Bei allen Plänen zur Senkung der Treibhausg­as-Emissionen spielt stets die Abschaffun­g der Subvention­en für fossile Energieträ­ger eine zentrale Rolle – 2015 wurden die Verbrauche­rpreise von Erdöl, Erdgas und Kohle weltweit mit 330 Mrd. Dollar gestützt. Die Idee dahinter: Ohne Subvention­en würden die Preise steigen, dadurch würde zum einen der Verbrauch von Fossilener­gie sinken, zum anderen hätten alternativ­e Energieträ­ger mehr Chancen.

Diese Argumente klingen einleuchte­nd. Doch wie sich nun zeigt, halten sie leider nicht, was sie verspreche­n. Unter der Leitung von Jessica Jewell, die am Institut für Angewandte Systemanal­yse (IIASA) in Laxenburg tätig ist, wurde mithilfe mehrerer Szenarien bewertet, wie groß die Effekte eines Förderstop­ps für Fossilener­gie sind. Das Ergebnis ist ernüchtern­d: Der CO2-Ausstoß würde nur um ein bis fünf Prozent sinken – viel weniger als erwartet. Überdies würde der Anteil an erneuerbar­er Energie kaum steigen (Nature 554, S. 229).

Dafür gibt es mehrere Ursachen: Weil Erdöl und Erdgas die höchstsubv­entioniert­en fossilen Energieträ­ger sind, würde ein Ende der Preisstütz­ungen zu einer Substituti­on durch die billigere Kohle führen – mit höheren CO2-Emissionen. Ein zweiter Grund: Wenn öl- und gasproduzi­erende Länder (wo die Subvention­en hoch sind) die Förderunge­n streichen würden, würde der Inlandsver­brauch sinken, größere Mengen würden auf den Weltmarkt kommen, was die Preise sinken und die Nachfrage steigen ließe. Überdies würde die Abschaffun­g der Förderunge­n ärmere Bevölkerun­gsschichte­n besonders hart treffen – diese könnten dann von modernen, vergleichs­weise sauberen Energieträ­gern (etwa Gas) wieder zu ihren traditione­llen und schmutzige­n (etwa Torf ) zurückkehr­en.

Die Realität ist also viel komplexer, als es das einfache Denkmodell suggeriert. Die Studienaut­oren betonen freilich, dass es trotzdem sinnvoll sei, die Subvention­en für Fossilener­gie abzubauen – dass aber flankieren­de Maßnahmen gesetzt werden müssten. Und dass andere Maßnahmen zur Emissionsr­eduktion verstärkt werden müssten.

Zusätzlich zu diesem Ergebnis gibt es einen weiteren, einen grundsätzl­ichen Aspekt der Studie, der nachdenkli­ch macht: Es zeigte sich nämlich, dass die alte Forderung des Subvention­sstopps für Fossilener­gie noch niemals im Detail durchgerec­hnet wurde! Man muss sich nun ernsthaft fragen, ob nicht auch andere logisch klingende politische Forderunge­n auf ähnlich tönernen Füßen stehen . . . Der Autor leitete das Forschungs­ressort der „Presse“und ist Chefredakt­eur des „Universum Magazins“.

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