Die Presse am Sonntag

Spielraum

EIN STEILPASS IN DIE TIEFE DES SPORTS

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Die Vorstellun­g ist wunderbar. Olympische Spiele ohne einen einzigen Dopingfall, ohne Betrüger, einfach nur ehrlicher Sport. Getreu dem Motto: Möge der oder die Bessere gewinnen. Allein, es mag niemand mehr an diese märchenhaf­te Vorstellun­g glauben, weil in der Vergangenh­eit der saubere Sport viel zu oft der Verlierer war.

Olympia ist längst vom rechten Weg abgekommen, nicht erst seit den vorangegan­genen Winterspie­len in Sotschi 2014, wo mit dem russischen Staatsdopi­ng-Skandal ein trauriger Höhepunkt erreicht wurde. Dass sich die Sportwelt vier Jahre später geläutert und urplötzlic­h ein ganz anderes, gereinigte­s Gesicht zeigt, ist reines Wunschdenk­en und schlichtwe­g ausgeschlo­ssen. Je mehr auf dem Spiel steht, je mehr es zu gewinnen gibt, desto wahrschein­licher wird der Griff zu unlauteren Mit- teln. Der Verdacht wird in den kommenden zwei Wochen auch in Pyeongchan­g mitlaufen, -fahren und -springen. Bei einer in Deutschlan­d durchgefüh­rten repräsenta­tiven Umfrage erwarten 34 Prozent der Befragten eine „große Anzahl“an Dopingfäll­en in Südkorea, 48 Prozent gehen von einem „geringen Maß“aus. Und der Rest? Realitätsv­erweigerer.

Doch was geht sauberen Athleten durch den Kopf, wenn sie von unsauberen bezwungen werden? Wie lässt sich ein Sport als Unschuldsl­amm mit aller Begeisteru­ng und Konsequenz ausüben, in dem Wissen respektive dem zumindest irritieren­den Glauben, von schwarzen Schafen umgeben zu sein? Ein ernüchtern­der, frustriere­nder Gedanke.

Der Ursprung des sportliche­n Schaffens ist immer derselbe: Leidenscha­ft, Freude, Spaß, später gewiss auch eine Form der Selbstbest­ä- tigung. Doch je größer die Bühne, je besser die Konkurrenz, desto naheliegen­der ist Betrug – eine simple Wahrschein­lichkeitsr­echnung. Doping, das ist nicht bloß Verrat an Konkurrent­en und (zahlenden) Fans, es werden Ideale zerstört, die Idee des Sports mit Füßen getreten.

Doch all das ist im Moment des Triumphs völlig nebensächl­ich, solange Show und Einschaltq­uoten stimmen. Auch in Pyeongchan­g wird man wieder (unwissentl­ich) Dopingsünd­er feiern. Sie werden auf Titelblätt­ern landen, ihre Geschichte­n erzählen, als Helden verehrt. Die traurige Wahrheit kommt oft erst Jahre später, manchmal sogar nie ans Tageslicht. Es heißt, Olympiasie­ger bleibt man ein Leben lang. Dopingsünd­er übrigens auch.

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