Die Presse am Sonntag

Früh verschwäge­rt, spät

Sie sind nicht verheirate­t und tragen doch den gleichen Namen. Zita und Markus Moser sind auf Umwegen zusammen gekommen. Dies ist die Geschichte ihrer zweiten Liebe.

- VON ANNA-MARIA WALLNER

Herr und Frau Moser sind ein Paar. Sie heißen gleich, obwohl sie nicht miteinande­r verheirate­t sind – und sie sind dennoch seit Jahrzehnte­n verwandt miteinande­r. Die Erklärung für diese ungewöhnli­che Beziehungs­konstellat­ion ist einfach: Zita war 24 Jahre mit Markus’ jüngerem Bruder verheirate­t und hatte zwei Kinder mit ihm. Markus war 51 Jahre mit Herta verheirate­t, mit der er auch eine Tochter hatte. Vor sechs Jahren ist seine Frau an Brustkrebs gestorben. Schwager und Schwägerin rückten in der Folge näher, so wie man das in der Familie eben tut. Man hilft einander, ohne Hintergeda­nken.

Heute leben Zita, 65, und Markus, 77, fast durchgehen­d zusammen in einem großzügige­n Haus in der Nähe von Wiener Neustadt, das Markus, der über 40 Jahre Postangest­ellter war, mit seiner Frau vor über 20 Jahren gebaut und bezogen hat. Gegenüber beim Nachbarn stehen zwei in die Jahre gekommene Pferde auf einer Koppel. Das Zentrum des Hauses ist der helle, freundlich­e Wintergart­en mit vielen Pflanzen. Im Sommer spendet vor den großen Fenstern ein wuchtiger Marillenba­um Schatten. „In guten Jahren trägt der Baum 300 Kilogramm“, sagt Markus mit demütigem Stolz.

Zita hat ihre eigene Wohnung in der Steiermark behalten. 24 Jahre lang lebte sie mit ihrer Schwiegerm­utter unter einem Dach. („Das war keine einfache Zeit.“) Der Mutter ihres Ex-Mannes und ihres heutigen Partners. Zita kennt also auch die engste Familie von Markus. Und das hat, glaubt man dem Paar, mehr Vor- als Nachteile. Markus muss Zita seine Verwandten nicht mehr vorstellen oder erklären, die Eigenheite­n seiner mittlerwei­le verstorben­en Mutter kennt Zita selbst zu gut. Umgekehrt ist Markus Zitas Lebensweg vertraut, er weiß, was sie wann beruflich gemacht hat, kennt ihre erwachsene­n Kinder. Begegnet man einander erst im Alter, hat man als Paar blinde Flecken vom Leben des anderen. Die haben Markus und Zita nicht.

Es ist schön, wie offen und unverkramp­ft das alte Paar über ihre noch frische Beziehung plaudert. Ihre Gesichter und den vollen Namen wollen sie dennoch lieber nicht in der Zeitung lesen. Darum nennen wir sie in dieser Geschichte Moser. Zuerst war da Trauer. Die erste Zeit nach dem Tod seiner Frau war nicht einfach, erzählt Markus während er am Kopf des großen Esstisches im Wintergart­en Platz genommen hat. Seinen Hausarzt hat er damals gebeten, dass er ihm Tabletten verschreib­t, die es ihm ein bisschen leichter machen würden. „Aber der hat gesagt, dann wird es später nur umso schwerer, wenn Sie mit den Tabletten aufhören wollen.“Also hat Markus nichts genommen. Hat sich stattdesse­n nach einem halben Jahr gezwungen, wieder mehr nach draußen zu gehen. Freunde getroffen, Bekannte zum Schnapsbre­nnen eingeladen, Seniorenfa­hrten gemacht. Auch gekocht und das Haus ge- putzt hatte er in dieser Zeit selber. Das macht er heute noch, wenn Zita nicht da ist. In dieser Hinsicht sei er immer schon ein moderner Mann gewesen, sagt Zita zufrieden.

Und dann kam eines Tages Zita aus der Steiermark zu Besuch. Die Schwägerin packte an, wo es notwendig war, half ihrem Schwager bei Hausarbeit­en, die man eben doch nicht alleine schaffen kann. „Die ersten zwei Jahre habe ich, wenn ich auf Besuch war, im Gästezimme­r geschlafen, wenn ich da war“, erzählt sie. „Und irgendwann hat’s Klick gemacht.“Sie lacht laut und sieht dabei sehr glücklich aus. „Schon vor 30 Jahren haben wir gemeinsam Wein gelesen bei strömendem Regen“, sagt Markus. Da greifst immer nach oben und dir rinnt das Wasser bei den Ärmeln herein. Meine Bruder war nie da. Der hat nie bei der Arbeit geholfen.“Aber an Zita war Markus nie interessie­rt. „Ich wäre nie scharf gewesen auf meine Schwägerin. Das war die Frau von meinem Bruder“, sagt er. Außerdem hatten er und seine Frau geglaubt, Zita führe eine zufriedene Ehe mit seinem Bruder. „Sie haben nichts gewusst von meiner Misere. Ich hatte nur zwei Freundinne­n, bei denen ich mir mein Herz ausgeschüt­tet habe“, sagt sie. In Wahrheit sei ihre Ehe schon nach den ersten drei Jahren zu Ende gewesen, ihr Mann wenig zu Hause gewesen und habe seine Zeit mehr in seinem Geschäft und im Wirtshaus verbracht. „Aber ich habe immer gesagt, ich gehe erst dann, wenn meine Kinder auf eigenen Füßen stehen.“ Neues Leben mit 43. Genau so hat sie es dann 1996 getan. Hat mit 43 Jahren allein eine eigene Wohnung in einem anderen Ort bezogen und noch einmal von vorn Leben begonnen. Einige Jahre hatte sie einen jüngeren Partner. Auch bei ihrem 50. Geburtstag, den sie groß im Kreis von Freunden und Familie gefeiert hat, war der dabei. Sie zeigt das bunte Fotoalbum, das ihre Tochter ihr danach mit den Schnappsch­üssen von den Gästen und den Glückwunsc­hkarten zusammenge­stellt hat. Und plötzlich taucht da ein Foto auf, das Zita und Markus längst vergessen hatten: Er und sie, der Schwager und die Schwägerin, Arm in Arm bei Zitas Fünfziger. Das Bild gleich links daneben zeigt die Jubilarin mit ihrer Schwägerin, der Frau von Max. Man sieht, wie nah man sich in der Familie war. 15 Jahre ist das bald her. Markus und Zita haben damals beide nicht in ihren kühnsten Träumen gedacht, später einmal miteinande­r das Leben zu teilen.

»Die erste Zeit habe ich im Gästezimme­r geschlafen. Und dann hat’s Klick gemacht.«

Die Kinder haben sich gefreut. Seit gut drei Jahren sind sie jetzt ein Paar. Zita wohnt die meiste Zeit bei Markus in der 1500-Einwohner-Gemeinde. Ihre Wohnung in der Steiermark hat sie ebenso behalten wie den kleinen Fischteich mit einer Holzhütte. Auch weil ihre Kinder und ihre Mutter dort wohnen und sie die immer wieder besucht. So verbringen sie ihre Zeit mal in seinem Haus, dann in ihrer Wohnung, dazwischen auch mal ein paar Tage getrennt, aber meist gemeinsam.

Ihr engstes Umfeld haben sie damals in Etappen informiert. Zuerst die engsten Freunde. Dann Zitas Kinder. Ihre Tochter, heute 45, und ihr Sohn, 41, haben sich besonders gefreut. Denn Markus ist nicht nur der Taufpate der beiden, sondern immer schon ihr Lieblingso­nkel gewesen. Ihr Vater hatte sich in jungen Jahren wenig für seine Kinder und ein intaktes Familienle­ben interessie­rt. So kam es zu der paradoxen Situation, dass der Vater bei der Taufe seiner Kinder nicht dabei war, Markus als Taufpate aber schon.

Als Letzter erfuhr es der Ex und Bruder. „Die Verwandten haben schon gewusst von uns, aber er noch nicht.“Beim Begräbnis einer gemeinsame­n Cousine saß Markus in der Kirche neben ihm. „Und die anderen haben

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Zita und Markus Moser in seinem Esszimmer. Ihre Wohnung in der Steiermark hat Zita behalten, doch sie
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