»Kein Mädi, das nichts aushält«
Interview. Im hoch spannenden Krimi »Wind River« (seit Freitag im Kino) spielt Elizabeth Olsen, die Scarlet Witch aus den »Avengers«-Filmen, eine toughe FBI-Agentin, die in völlig unbekanntem Terrain ermittelt.
Vor wenigen Jahren stand sie noch im Schatten ihrer beiden älteren Schwestern, Mary-Kate und Ashley Olsen, die erst als Disney-Fernsehstars, dann als It-Girls und schließlich als Designerinnen äußerst erfolgreich waren. Mittlerweile ist Elizabeth die berühmteste der Olsen-Sisters: Die Schauspielerin mit den ausdrucksvollen Augen im ungewöhnlichen Gesicht gibt in „Avengers: Infinity War“(Start: 26. April) bereits zum vierten Mal die Scarlet Witch, Mitglied der Superhelden-Stammmannschaft.
Doch nicht nur im MainstreamKino steht sie an vorderster Front: Im beinharten Krimi „Wind River“, Regiedebüt von Taylor Sheridan (Autor von u. a. „Sicario“, Hauptdarsteller in der ersten „Sons of Anarchy“-Staffel) spielt Elizabeth eine FBI-Agentin, die einen Mordfall im tief verschneiten Wind River Indian Reservation untersuchen soll. Für die junge Frau aus Las Vegas eine völlig fremde Welt – der wortkarge Förster Cory (Jeremy Renner) versucht zu vermitteln. Wie war der Dreh in der Eishölle des Winters in Wyoming? Elisabeth Olsen: Uh, das war hart. Ich bin ja ein Mensch, der die Kälte überhaupt nicht mag. Aber Jeremy hat sich im Schnee total wohlgefühlt. Und Taylor auch. Wenn’s draußen minus zehn Grad hatte, stand er im T-Shirt herum und meinte nur: „Es ist so angenehm warm hier in der Sonne, nicht wahr?“Ich fand das total verrückt. Mann, habe ich gefroren. Aber ich war am Set mit zwei Typen, die sich nie beschwert haben, und einer fast ausschließlich männlichen Crew, die auch nie was gesagt hat. Und ich war eine der wenigen Frauen, noch dazu die jüngste von allen. Da wollte ich nicht das Mädi sein, das nichts aushält. Also habe ich getan, als ob mir das alles nichts ausmachte. Sie kennen Jeremy schon von den „Avengers“, wo er Hawkeye spielt. Wie war es, wieder mit ihm zu arbeiten? Oh, wunderbar! Er war damals der Allererste vom „Avengers“-Cast, den ich kennengelernt habe. Ich war ziemlich eingeschüchtert von der Gesamtsituation – und Jeremy hat mir beigebracht, wie man bei einem solchen Riesenprojekt nicht komplett seine Identität verliert. Das ist nicht so einfach, wenn man bei der ersten Szene vor einer Crew von 300 Leuten steht, daneben warten 100 Statisten auf deinen ersten Satz. Das war wirklich erdrückend. Jeremy war mein Fels in der Brandung. Er ist ein toller Typ, sehr rücksichtsvoll und ein sehr guter Teamworker. Und ein toller Schauspieler, finde ich. Geht es am „Avengers“-Set anders zu als bei einer Kleinproduktion wie „Wind River“? Ja, sehr. Ich meine, meine Lieblingsweisheit aus der Schauspielschule ist „Schauspiel ist Schauspiel ist Schauspiel“– aber bei einem Riesenset wie dem der „Avengers“-Filme läuft alles wie eine gut geölte Maschine. Man kann mit seiner Rolle zwar viel machen – man wird sogar angehalten, sich einzubringen –, aber alles, um das man sich kümmern muss, ist eben die eigene Filmfigur. Bei „Wind River“ist jeder ein Teil des gesamten Prozesses. Ihre Filmfigur ist einerseits so zerbrechlich und unsicher, andererseits ist sie tough und selbstbestimmt. Wie war es, sie zu spielen? Sie ist eine, die auf ihre eigenen Fähigkeiten vertraut, sie ist ja sehr gut in dem, was sie tut, und bestens ausgebildet. Doch dann gerät sie in eine Situation, die für sie völlig fremd ist. Sie versucht, ihren Job so zu machen, wie sie ihn gelernt hat – und merkt bald, dass das hier überhaupt nicht funktioniert.
Elizabeth Chase Olsen
wurde am 16. Februar 1989 in Sherman Oaks, Kalifornien, geboren. Sie ist die jüngere Schwester von MaryKate und Ashley Olsen. Nach ihrem Schulabschluss 2007 an der Campbell Hall School studierte sie Schauspiel bei der Atlantic Theater Company und besuchte die Filmhochschule Tisch School of the Arts.
Für ihren Auftritt
im Horrorfilm „Silent House“oder ihre Darstellung der Martha in „Martha Marcy May Marlene“erhielt sie gute Kritiken. In „Red Lights“(2012) spielte sie an der Seite von Robert De Niro und Sigourney Weaver. Seit 2014 ist sie in der Rolle der Scarlet Witch Teil des Marvel Cinematic Universe. Als solche war sie in den „Avengers“Filmen zu sehen. Im Thriller „Wind River“übernahm Olsen die Hauptrolle einer FBIAgentin. Und so muss sie sich damit abfinden, dass sie Hilfe braucht. Und wächst mit der Aufgabe. Ich kann mich gut erinnern, als Sie 2011 beim Filmfestival von Cannes Ihre erste Hauptrolle in „Martha Marcy May Marlene“vorgestellt haben. Seither ist viel passiert. Ja, das scheint wirklich wie eine Ewigkeit! Ich bin einiges älter geworden. Älterwerden ist ja meiner Meinung nach etwas, was einen als Frau wirklich weiterbringt. Ich bin viel selbstbewusster geworden, wenn ich Entscheidungen treffe, ich weiß viel genauer, was ich will, welche Art von Filmen ich gern machen würde und mit wem ich zusammenarbeiten möchte. Früher war ich einfach nur happy, wenn ich überhaupt einen Job bekam. Aber nach einigen Jahren bin ich draufgekommen, dass ich nicht zu allem unbedingt Ja sagen muss – ich kann durchaus selbst entscheiden, ob mir etwas wirklich zusagt. Man hat immer die Fähigkeit, Nein zu sagen. Man muss es nur tun. Und dann kam das Angebot für die Rolle der Scarlet Witch in „Avengers: Age of Ultron“. Haben Sie da auch drüber nachgedacht, Nein zu sagen? Das war eine ganz schöne Steilvorlage, die mir das Leben da zugespielt hat. Und nein, ich habe keine Minute lang gezögert zuzusagen. Ich weiß, dass viele meiner Kollegen über Superheldenfilme die Nase rümpfen, aber ich hab das ehrlich gesagt nie verstanden. Ich bin mit solchen Filmen aufgewachsen und habe sie immer geliebt. Also warum sollte ich nicht bei einem dabeisein wollen? Vielleicht, weil das Anschauen mehr Spaß macht als der Dreh? Ach nein, so einen Film zu machen ist ein großes Vergnügen. Andernfalls würden man sich nicht gleich für mehrere Filme hintereinander verpflichten lassen. Es ist nicht nur wegen des Geldes. Sie sind in einer sehr ungewöhnlichen Familie aufgewachsen. Ihre älteren Schwestern, die Zwillinge Mary-Kate und Ashley, waren schon als Kinder Superstars. Ja, und ich war sozusagen das „weiße Schaf“bei uns daheim (lacht). Ich mache selten Stress, respektiere Autoritäten, halte mich gern an Regeln. Ich bin überhaupt nicht rebellisch. Das System, in dem wir leben, könnte sicher verbessert werden, aber ich sehe keinen Sinn darin, es ganz zu zerstören. Wie alt waren Sie, als Sie zu schauspielen begonnen haben? Eigentlich hab ich im Kindergarten schon mit meinem besten Freund immer Theaterstücke und Filmszenen gespielt, das war aber nur ein Hobby, so wie andere Reiten gehen oder Tennis spielen. Ich habe dann einige Auditions besucht, dann hat man mich für eine Rolle in „Der Nussknacker“nicht gecastet – das hat mir das Herz gebrochen, und ich hab aufgehört. Aber als ich dann ins Collegealter kam, war die Lust wieder da, und ich hab begonnen, die Schauspielerei ernst zu nehmen. Und jetzt sind Sie schon berühmter als Mary-Kate und Ashley ? Ach, ich weiß nicht, das glaube ich gar nicht. Denen geht’s ziemlich gut mit ihrer Designerkarriere. Ashley und Mary-Kate waren lange Jahre beliebtes Ziel der Glamour-Presse. Wie ist es für Sie, nun im Rampenlicht zu stehen? Mit 16 war ich noch sehr nervös, ob das wirklich das wäre, was ich tun will, ob man sagen würde, ich hätte die Rollen nur wegen meines Namens gekriegt. Also hab ich ein wenig überkompensiert und so viele Schauspiellehrgänge absolviert, um mir meiner Fähigkeiten sicher zu sein (lacht). Und innerhalb meiner Familie stand ich eigentlich meistens im Mittelpunkt. Da hatten Sie schon als Kind viel Publikum. Das stimmt, wir sind insgesamt sechs Geschwister, ein großer Haufen! Aber wir verstehen uns alle gut. Es gibt keinen Neid oder Konkurrenzkampf, das ist schön. Und das Feine ist ja, dass ich mit Filmrollen wie dieser für ein ganz anderes Publikum interessant bin als meine Schwestern damals waren. Sie haben durch Ihre Schwestern die negativen Seiten des Showbiz miterlebt. Haben Sie sich nie gefürchtet, dasselbe durchzumachen? Anfangs schon. Deshalb hab ich mich auch erstmals nur auf das Theater konzentriert. Keiner stalkt schließlich Bühnenschauspieler (lacht). Aber mittlerweile habe ich keine Angst mehr vor der Öffentlichkeit. Ich habe eines gemerkt: Ich bin zum Glück wirklich kein Paparazzi-Magnet.