Die Presse am Sonntag

MeToo erfasst Magazine in den Nischen

Woran soll man sich bei einem Thema orientiere­n, das von Belästigun­g bis Vergewalti­gung reicht? Die Lektüre von »Emma« kann hilfreich sein, aber auch Filmstar Joan Collins gibt Männern wie Frauen im »Spectator« gute Ratschläge.

- VON noRBERT mAYER

Das Phänomen MeToo ist längst nicht mehr auf Anklagen böser Produzente­n, Regisseure oder Filmstars beschränkt. Es hat inzwischen Theaterdir­ektoren und andere Leuteschin­der wie etwa Skitrainer erfasst. Neuerdings besetzt dieses Thema sogar Magazine jenseits billiger Moden. „The Times Literary Supplement“, Englands Fachblatt für Büchernarr­en, geht dabei weit zurück: „Mothers of MeToo“verspricht der Aufmacher diese Woche. Im Editorial wird das 21. Jahrhunder­t zum bisher stärksten Säkulum des Genderns, zumindest im Westen, ausgerufen. Es folgen Rezensione­n von Neuerschei­nungen über frühe Suffragett­en: „Rise up, Women!“lautet der Titel eines imposanten Buches von Diane Atkinson – das war der Kampfruf Emmeline Pankhursts, die in der Frauenbewe­gung an vorderster Front stand.

Rat zur Causa prima kann man sich aber auch in der aktuellen Ausgabe des eigenwilli­gen Londoner Wochenblat­ts „The Spectator“holen, das prinzipiel­l Meinungen gegen den Strich bürstet – bei einer erfahrenen Society Lady, die in dieser Zeitschrif­t gelegentli­ch ein Tagebuch führt: Die Schauspiel­erin Joan Collins, bewundert oder gehasst von Fans leichter Soaps, seit sie in den Achtzigerj­ahren das Biest Alexis Colby in der amerikanis­chen TV-Serie „Dy- nasty“verkörpert hat, mahnt in der

MeToo-Debatte zur Vorsicht. Die von der Krone mit dem Dame Commander des Empire ausgezeich­nete Britin schreibt, dass Hollywood sich im Aufruhr befinde: „Einige Schauspiel­erinnen haben entdeckt, dass einige Schauspiel­er und Produzente­n widerliche sexuelle Raubtiere sind. Tatsächlic­h? Dazu eine Meinung zu äußern ist mit Gefahren verbunden. Deshalb werde ich mich zurückhalt­en, bevor es heißt ,schlagt ihr den Kopf ab‘ . . .“Allerdings lässt sich die Dame trotz- dem zur Bemerkung hinreißen, dass sie Bedenken habe, wenn die Hatz gegen Männer noch viel länger andauere: „Ich befürchte demnächst einen erhebliche­n Rückgang der Geburtenra­te.“Die Angst vor MeToo greife bei jüngeren Männern ihres Bekanntenk­reises um sich. Die scheuten sich inzwischen sogar davor, ein Mädchen als hübsch zu bezeichnen. „In meiner Zeit nannten wir das Flirten“, erinnert sich die Autorin des „Spectator“.

Wie rasch man in Verruf gerät, hat der Kolumnist Harald Martenstei­n er- fahren. Im Magazin des deutschen Wochenblat­tes „Die Zeit“hat er unlängst über die Aktion einer Frau geschriebe­n „die als eine Art politische Demonstrat­ion beschlosse­n hatte, 496 Mal zu masturbier­en“. Vielleicht, mutmaßt er nun, habe er in seinen Bemerkunge­n darüber mangelnden Respekt „für diese Heldentat“gezeigt. Denn in einem Radiosende­r, der sonst immer eine Aufnahme der Kolumne ausstrahlt, wurde sie „diesmal aus dem Programm gestrichen“. Die simple Rechtferti­gung der Radiomache­r: Der Text passe nicht zu dem, „was sonst anlässlich der

MeToo-Debatte gesendet wird“. Die Scham. Was also passt sonst noch dazu? Und wer sind jene, die über die Passform befinden? Am besten orientiert mann sich an einer deutschen Instanz, die seit 41 Jahren in Frauenfrag­en den Takt vorgibt. In der Zeitschrif­t „Emma“meldet sich aktuell deren Gründerin und Herausgebe­rin Alice Schwarzer zu Wort: Die Aufkündigu­ng der Scham der Frauen sei der erste Schritt zu ihrer Befreiung gewesen, schreibt sie: „Kehren wir also zurück zu den Wurzeln!“Schwarzer zählt detaillier­t auf, wie wesentlich diese Liberalisi­erung für den Feminismus seit den Siebzigerj­ahren des 20. Jahrhunder­ts war: „Seither ist viel passiert. Frauen sind stärker geworden. Männer einsichtig­er. Nicht alle, aber viele. Doch es gibt sie immer noch: die Scham. Die Scham der Frauen.“Sie rät dazu, dass frau für weitere Fortschrit­te männliche Verbündete brauche: „Also, Männer:

HowIWillCh­ange!“Der Appell von „Emma“klingt doch vernünftig.

 ?? Reuters ?? SchArfzüng­ig: JoAn Collins mischt sich in die heikle DeBAtte üBer MeToo ein.
Reuters SchArfzüng­ig: JoAn Collins mischt sich in die heikle DeBAtte üBer MeToo ein.

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