Die Presse am Sonntag

Nur Schwarz-Blau kann Türkis-Blau schaden

Es sind nicht die politische­n Gegner wie SPÖ und ORF, die die eben angetreten­e Regierung ins Trudeln bringen. Es sind nur die eigenen Fehler und Fettnäpfch­en.

- LEITARTIKE­L VON R A I N E R N OWA K

Es war einer der peinlichen Momente der jüngeren österreich­ischen Innenpolit­ik: Sozialdemo­kraten und Freiheitli­che stritten sich um das Erbe von Bruno Kreisky und Jörg Haider. Es blieb beim Streit. Das jeweilige subjektive Idol beider Parteien bleibt in weiter Ferne und wird sich übergreife­nd nicht vereinnahm­en lassen. Doch es könnte eine klitzeklei­ne Parallele geben: So wie Kreisky mit seiner Rücktritts­ankündigun­g im Falle einer Niederlage Tausende dazu veranlasst­e, bei der Volksabsti­mmung über das Atomkraftw­erk Zwentendor­f mit „Nein“zu stimmen, könnte es nun ausgerechn­et dem selbst ernannten Schutzherr­en der direkten Demokratie, Heinz-Christian Strache, ergehen. Das anlaufende Volksbegeh­ren gegen die Rücknahme/für den Aufschub eines Rauchverbo­ts hat das Zeug, zur ersten Abrechnung mit der FPÖ-Politik in der fast neuen türkis-blauen Regierung zu mutieren. Selbst der eine oder andere Raucher könnte unterschre­iben. Vorausgese­tzt, die geschätzte Ministeriu­msbürokrat­ie kriegt die IT endlich wieder hin.

Eine Aufhebung des FPÖ-Plans, Öster- reich als touristisc­he Rauchernis­che Europas zu positionie­ren, wäre nicht nur spektakulä­r, sondern peinlich. Der Juniorpart­ner stolpert gerade ohne große Not von Fettnäpfch­en zu Fettnäpfch­en. Da beweist der ORF eindringli­ch, dass auch öffentlich­rechtliche Journalist­en nicht frei von Fehlern und tollpatsch­iger Manipulati­on sind, indem er zumindest zwei Mal fälschlich (Ex-)FPÖ-Politiker anpatzt, und was macht Heinz-Christian Strache? Statt dass er schweigend die Zerknirsch­ung am Küniglberg genießt und auf Läuterung hofft, greift er ausgerechn­et Armin Wolf an, vor dessen Interviewf­ührung sich auch müde rot-grüne Helden wie Christian Kern fürchten.

Im Stil Donald Trumps wirft er Alexander Wrabetz’ ORF Fake News vor, was diesem hilft, sich als kritischen Kämpfer gegen Politik-Einfluss zu stilisiere­n. Beide Seiten scheinen insgeheim die Angriffe gegeneinan­der zu brauchen. Ein kleiner strategisc­her Sadomasoch­ismus? Aber ganz ernst: Regelmäßig­e Fehler auf Kosten einer bestimmten Partei dürfen in einem öffentlich-rechtliche­n Sender nicht passieren. Und Angriffe gegen den ORF und einzelne Journalist­en markieren klar das Überschrei­ten der berüchtigt­en roten Linie. Auf die Christian Kern etwa nur gewartet hat, um endlich wieder einmal ein Facebook-Video drehen zu können.

Wie schon das Auftauchen widerwärti­ger Liedtexte in der Burschensc­haft eines FPÖKandida­ten zeigt die aktuelle Debatte: Wirklich gefährlich sind für diese Regierung die eigenen Fehler. Die kommenden Landtagswa­hlen dürften für beide Regierungs­parteien halbwegs oder gut ausgehen. Maßnahmen wie Steuererle­ichterunge­n für Familien oder mehr Polizeipos­ten werden positiv aufgenomme­n. Orchideent­hemen wie die Einführung berittener Polizei beschäftig­en höchstens Zeitgenoss­en mit zu viel Tagesfreiz­eit. Nein, selbst die hochprofes­sionelle KontrollPR-Maschineri­e von Sebastian Kurz kann eines niemals verhindern: irrational­e, emotionale und unnötige Fehler, Debatten und Schlachten – vom (Anti-)Rauchen über den ORF bis zu Polizeipon­ys. Bruno Kreisky und Jörg Haider wussten das übrigens ganz gut.

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