Warum der ORF ein Problem mit der FPÖ hat
Generaldirektor Alexander Wrabetz ist auch dank blauer Unterstützung im Amt. Die Journalisten aber stehen der Partei mehrheitlich fern.
Sie sind beinahe gleich alt, doch es verbindet sie wenig. Sehr kurz hintereinander wurden der ORF (am 1. August) und die FPÖ (am 3. November) im Jahr 1955 gegründet, bis heute sind sie gewissermaßen gesellschaftspolitische Antipoden. Ihre distanzierte Haltung zueinander ist historisch gewachsen. Lange Zeit war der per Gesetz unabhängige ORF die machtpolitische Spielwiese von SPÖ und ÖVP, erst Anfang der 1970er-Jahre, während der Alleinregierung von SPÖ-Kanzler Bruno Kreisky begannen auch die Freiheitlichen, kurz darauf die Grünen, im ORF mitmischen zu wollen. Unter Jörg Haider startete die Partei 1989 erfolglos ein Anti-ORF-Volksbegehren.
Von Anfang an keine besonderen Berührungsängste mit der FPÖ hatte der aktuelle Generaldirektor Alexander Wrabetz. Zwei Mal, 2006 und 2011, wurde er bei seiner Bestellung auch mit Unterstützung der blauen und damals noch orangen Stimmen des BZÖ zum ORF-Chef bestellt und hievte in der Folge auch diesen Parteien genehme Personen wie Online-Chef Thomas Prantner in machtvolle Positionen. Beim dritten und letzten Mal im August 2016 bekam er keine Stimme mehr von FPÖVertreter Norbert Steger. Ein Vorbote für das aktuell angespannte Verhältnis.
Dass die FPÖ nun öffentlich den Druck auf den ORF mit Verbalattacken und einem als Satire getarnten Facebook-Schmähpost von Vizekanzler Heinz-Christian Strache erhöht, könnte Wrabetz gelassen nehmen. Die Partei wird im ORF auch nach der endgültigen Umfärbung des 35-köpfigen Stiftungsrates bis Mai weniger zu sagen haben als die Kanzlerpartei ÖVP. Zusammen kommen sie dann aber auf eine Zweidrittelmehrheit. Zudem hat die neue Regierung derzeit wenig Interesse, den biegsamen, eigentlich bis 2021 bestellten Generaldirektor auszutauschen. Er soll nur mehr auf ihre Wünsche eingehen. Was Wrabetz unter Zugzwang setzt. Neun Leitungsfunktionen muss er demnächst besetzen, darunter die noch unter SPÖ-Kanzler Christian Kern angekündigten neuen Positionen der Channelmanager von ORF eins und ORF 2 sowie je ein Chefredakteur pro Sender. Namen kursieren viele, als ORF-Journalist mit Aufstiegswunsch ist man politische Punzierung gewohnt. „Linker Staatsfunk“. Auch wenn sich Journalisten und Politiker schon qua Berufsbezeichnung nicht nahe sein sollten, hat die FPÖ in den ORF-Redaktionen im Vergleich zu den anderen Parteien traditionell einen besonders schlechten Stand. Das bestätigen unter anderem die Ergebnisse von Betriebsrats- oder Arbeiterkammerwahlen im ORF, die die FPÖ in ihrer Meinung über den „linken Staatsfunk“bestärken. Bei den jüngsten AK-Wahlen 2014 fielen 74,2 Prozent der Stimmen auf rot-grüne Arbeitnehmervertreter. Was die Freiheitlichen aber übersehen: Das Ergebnis sah bei anderen Qualitätsmedien, von APA über „Kurier“bis „Presse“ähnlich aus – und spiegelte insgesamt das Stimmverhalten der Arbeitnehmer in der Bevölkerung wider. Doch die Partei lässt sich von ihrer Grundannahme nicht abbringen: „Die da oben auf dem Küniglberg mögen uns nicht.“
Das Gefühl beruht freilich auf Gegenseitigkeit. Die Zusammenarbeit mit Vertretern der FPÖ empfinden viele, nicht alle ORF-Journalisten schwieriger als mit jenen anderer Parteien. Da hört man von Pressesprechern, die sich nicht gut auskennen, und von Pressekonferenzen, bei denen ORF-Mitarbeiter abgekanzelt oder ignoriert werden.
Die Feindschaft zwischen FPÖ und ORF wird allerdings auch gepflegt. Sie gehört auf beiden Seiten zum guten Ton und wirkt streckenweise wie eine Show, vor allem bei der FPÖ. Die ORFBeschimpfung gehört längst zur Rhetorik der rechtspopulistischen Partei. Das geht so weit, dass Parteichef HeinzChristian Strache bei Wahlkampfauftritten auf der Bühne laut gegen die „Prosecco trinkenden Staatsfunk-Bonzen“wettert. Danach aber hinter der Bühne zum ORF-Drehteam geht und sagt: „Nehmt’s es nicht persönlich, so war’s nicht gemeint.“Gerade wieder hat er es so gemacht: Zuerst das Schmähposting auf Facebook abgesetzt, dann eine kleinlaute Entschuldigung beim direkt angesprochenen „ZiB“-Moderator Armin Wolf abgegeben.
Inszeniert wird die Antipathie gegen die FPÖ auch im ORF. Das sehen sogar einige Mitarbeiter so. Im Unterschied zu anderen Qualitätsmedien, in denen die FPÖ auch keine große Anhängerschaft habe, aber eine kritischdistanzierte Haltung herrsche, gäbe es im ORF „einen tief sitzenden Hass gegen die Partei“. Wobei man aktuell auch auf dem Küniglberg den Groll der FPÖ über den irreführend geschnittenen ORF-Tirol-Beitrag zum freiheitlichen Spitzenkandidaten verstehen kann. Dass da zuletzt „grobe Fehler“passiert sind, bestreitet niemand. Dies sei auch deswegen so ärgerlich, weil die ORFler das Gefühl haben, die Berichterstattung über die FPÖ sei insgesamt so fair wie selten zuvor.
Die Grundannahme der FPÖ lautet: »Die da oben auf dem Küniglberg mögen uns nicht.«
Ein blauer Fremdkörper. Lässt sich das Verhältnis verbessern, und wenn ja, wie? „Indem man das ORF-Gesetz auf Punkt und Beistrich einhält“, sagt der frühere ORF-Journalist und Leiter des „Club 2“, Peter Huemer, selbst alles andere als ein FPÖ-Fan. Und Fehler wie den im ORF-Tirol nicht mehr macht. Walter Seledec, einst ORF-Chefredakteur und einer der wenigen, die sich offen zu den Blauen bekannten und sich selbst als „Fremdkörper“empfanden, sagt: „Es ging der FPÖ nie um eine Bevorzugung, sondern um eine Gleichbehandlung.“Was zu einer weiteren Ursache für das aktuell angespannte Verhältnis führt: die Eifersucht auf den Regierungspartner. Die ÖVP wird, aus Sicht der FPÖ, in Beiträgen und Interviews zarter angefasst, fairer behandelt. Das wollen sich die Blauen nicht gefallen lassen. Enttäuscht sind nun aber auch die ORF-Mitarbeiter von ihrem Chef, dieser wirkt, als hätte er sich auf Tauchstation begeben. Sie hätten erwartet, dass sich Wrabetz deutlich für die jüngsten journalistischen Fehler entschuldigt, sich aber selbstbewusst hinter die Redaktionen stellt und den politischen Einfluss abwehrt. Die FPÖ hat es ihm mit ihren jüngsten überzogenen Attacken eigentlich einfach gemacht.