Die Presse am Sonntag

Warum die FPÖ ein Problem mit dem ORF hat

Der Streit ist historisch gewachsen. Allerdings geht es der FPÖ nicht nur um eine faire Berichters­tattung, sondern auch um Macht und Einfluss.

- VON THOMAS PRIOR

Unzensurie­rt-Webseite gelesen – Tendenz weiterhin stark steigend“. Auch hier hilft Facebook. Mehr als 60.000 Personen folgen der Plattform. Sie hat damit mehr Fans als etwa der „Falter“.

„Unzensurie­rt.at“ist nicht das einzige derartige Medium. Neben dem rechten Monatsmaga­zin „Aula“gibt es das vom ehemaligen EU-Abgeordnet­en Andreas Mölzer herausgege­bene Magazin „Zur Zeit“, das „unabhängig von allen Parteien und Verbänden“sein will und immerhin eine Druckaufla­ge von 22.000 Stück hat. Auch die Magazine bzw. Webseiten „Info-Direkt“und „Wochenblic­k“sind, wie auf der jeweiligen Homepage betont wird, parteiunab­hängig. Doch auch sie werden von der FPÖ zumindest nahestehen­den Personen betrieben und fallen durch FPÖ-freundlich­e und ausländerf­eindliche Artikel („Brandgefäh­rliche ,Vielfalt‘ bei der Polizei“oder „Neue Willkommen­skultur: Bitte nicht schon wieder!“) auf. „Wir schreiben, was andere verschweig­en“, wird da etwa geworben. Das zieht in Zeiten von Fake-NewsVorwür­fen immer mehr Leser an. Die blaue Medienwelt ist für sie zur wichtigen Informatio­nsquelle geworden.

Zuletzt waren einige Dinge zusammenge­kommen. Mitte Jänner hatte der ORF fälschlich­erweise berichtet, dass gegen Kärntens freiheitli­chen Ex-Landeshaup­tmann Gerhard Dörfler Anklage wegen Amtsmissbr­auchs erhoben werde. Anfang Februar kam Verkehrsmi­nister Norbert Hofer in einem ORF-Bericht über den Transitgip­fel in München nicht vor, obwohl er dort war. Und in der Vorwoche legte dann eine Reportage des ORF-Landesstud­ios Tirol nahe, dass der FPÖ-Spitzenkan­didat für die Landtagswa­hl am 25. Februar, Markus Abwerzger, antisemiti­sche Äußerungen eines Passanten nickend zur Kenntnis genommen hatte. Erst am Tag danach, nach heftigen Protesten, wurde Filmmateri­al nachgereic­ht, das zeigt, wie Abwerzger dem Mann widerspric­ht.

Das habe das Fass zum Überlaufen gebracht, sagt FPÖ-Generalsek­retär Harald Vilimsky. Man hätte sich eine Entschuldi­gung von der ORF-Führung erwartet, so kurz vor der Landtagswa­hl. Auch deshalb habe der Vizekanzle­r so reagiert: Heinz-Christian Strache postete via Facebook ein Foto von ORF-Anchorman Armin Wolf, versehen mit dem Satz: „Es gibt einen Ort, an dem Lügen zu Nachrichte­n werden.“Wolf reagierte umgehend mit einer Klage.

Für FPÖ-Medienspre­cher HansJörg Jenewein ist diese Episode der „Tiefpunkt eines Verhältnis­ses, das seit Jahren belastet ist“. Oder – Stichwort Jörg Haider – schon seit Jahrzehnte­n. Doch wie in jeder Beziehung sind die einzelnen Zerwürfnis­se nur Symptome eines tieferlieg­enden Problems, das sich aus Sicht der FPÖ in etwa so darstellt: Seit Jahrzehnte­n teilen sich SPÖ und ÖVP die Macht im ORF, während man selbst leer ausgeht. Hinter dem Vorwurf der mangelnden Objektivit­ät verbirgt sich nämlich auch der Wunsch nach mehr Einfluss im staatliche­n Rundfunk. Jetzt, da sie wieder Teil der Regierung sind, wollen die Freiheitli­chen ein Stück vom ORF-Kuchen.

Realpoliti­sch führt das zu einem stillen Machtkampf mit der ÖVP, die es mit der ORF-Reform nicht sonderlich eilig hat und regelmäßig auf eine Me- dienenquet­e im ersten Halbjahr 2018 verweist, für die es noch keinen Termin gibt. Der FPÖ dagegen kann es nicht schnell genug gehen. Strache steht intern unter Druck. Denn seine Parteifreu­nde befürchten, dass sich die ÖVP mit dem aktuellen Personal am Küniglberg arrangiert, um heimlich gemeinsame Sache gegen den Koalitions­partner zu machen.

Dass Strache seine Kritik ausgerechn­et mit einem Bild von Armin Wolf verknüpft hat, war eher kein Zufall. Der „ZiB 2“-Moderator wird – wie TV-Chefredakt­eur Fritz Dittlbache­r – einer einflussre­ichen Gruppe im ORF zugerechne­t, von der sich die FPÖ besonders schlecht behandelt fühlt. Und die auch ORF-intern „Apfelsaftf­raktion“genannt wird, weil ihre Mitglieder angeblich keinen Wein trinken. „Diese Leute versuchen, Politik zu machen, und zwar gegen die FPÖ“, sagt ein Freiheitli­cher. „Keine Orbanisier­ung.“Beim Koalitions­partner kam die Attacke gegen Wolf nicht gut an. Sebastian Kurz soll sich bei Strache beschwert haben. Offiziell meinte der Kanzler nur: Er wünsche sich, „dass man wieder etwas Emotion herausnimm­t“. FPÖ-Medienspre­cher Jenewein sieht das ähnlich: Der Streit sei insofern problemati­sch, als er die sachliche Debatte erschwere.

Im Zentrum der freiheitli­chen Reformbemü­hungen steht die Abschaffun­g der „Zwangsgebü­hren“. Gleichzeit­ig soll der ORF aber ein öffentlich­rechtliche­r Sender bleiben. „Das mag wie ein Widerspruc­h klingen“, sagt Jenewein. „Es ist aber keiner.“Man müsse eben neue Erlösmögli­chkeiten suchen. So könnten etwa Sportgroße­reignisse oder teure Filme vergebührt werden.

In der ÖVP hält man diese Gebührende­batte für eine Strategie der FPÖ: Das Maximale fordern, um sich dann wichtige Posten zu sichern. Er halte nichts von Umfärbunge­n, versichert Jenewein. Generaldir­ektor Alexander Wrabetz solle seinen Vertrag „ordentlich erfüllen“. Die FPÖ wolle den ORF nicht an die Kette legen: „Eine Orbanisier­ung, wie man sie uns gern unterstell­t, wird es mit mir nicht geben.“

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