Warum die FPÖ ein Problem mit dem ORF hat
Der Streit ist historisch gewachsen. Allerdings geht es der FPÖ nicht nur um eine faire Berichterstattung, sondern auch um Macht und Einfluss.
Unzensuriert-Webseite gelesen – Tendenz weiterhin stark steigend“. Auch hier hilft Facebook. Mehr als 60.000 Personen folgen der Plattform. Sie hat damit mehr Fans als etwa der „Falter“.
„Unzensuriert.at“ist nicht das einzige derartige Medium. Neben dem rechten Monatsmagazin „Aula“gibt es das vom ehemaligen EU-Abgeordneten Andreas Mölzer herausgegebene Magazin „Zur Zeit“, das „unabhängig von allen Parteien und Verbänden“sein will und immerhin eine Druckauflage von 22.000 Stück hat. Auch die Magazine bzw. Webseiten „Info-Direkt“und „Wochenblick“sind, wie auf der jeweiligen Homepage betont wird, parteiunabhängig. Doch auch sie werden von der FPÖ zumindest nahestehenden Personen betrieben und fallen durch FPÖ-freundliche und ausländerfeindliche Artikel („Brandgefährliche ,Vielfalt‘ bei der Polizei“oder „Neue Willkommenskultur: Bitte nicht schon wieder!“) auf. „Wir schreiben, was andere verschweigen“, wird da etwa geworben. Das zieht in Zeiten von Fake-NewsVorwürfen immer mehr Leser an. Die blaue Medienwelt ist für sie zur wichtigen Informationsquelle geworden.
Zuletzt waren einige Dinge zusammengekommen. Mitte Jänner hatte der ORF fälschlicherweise berichtet, dass gegen Kärntens freiheitlichen Ex-Landeshauptmann Gerhard Dörfler Anklage wegen Amtsmissbrauchs erhoben werde. Anfang Februar kam Verkehrsminister Norbert Hofer in einem ORF-Bericht über den Transitgipfel in München nicht vor, obwohl er dort war. Und in der Vorwoche legte dann eine Reportage des ORF-Landesstudios Tirol nahe, dass der FPÖ-Spitzenkandidat für die Landtagswahl am 25. Februar, Markus Abwerzger, antisemitische Äußerungen eines Passanten nickend zur Kenntnis genommen hatte. Erst am Tag danach, nach heftigen Protesten, wurde Filmmaterial nachgereicht, das zeigt, wie Abwerzger dem Mann widerspricht.
Das habe das Fass zum Überlaufen gebracht, sagt FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky. Man hätte sich eine Entschuldigung von der ORF-Führung erwartet, so kurz vor der Landtagswahl. Auch deshalb habe der Vizekanzler so reagiert: Heinz-Christian Strache postete via Facebook ein Foto von ORF-Anchorman Armin Wolf, versehen mit dem Satz: „Es gibt einen Ort, an dem Lügen zu Nachrichten werden.“Wolf reagierte umgehend mit einer Klage.
Für FPÖ-Mediensprecher HansJörg Jenewein ist diese Episode der „Tiefpunkt eines Verhältnisses, das seit Jahren belastet ist“. Oder – Stichwort Jörg Haider – schon seit Jahrzehnten. Doch wie in jeder Beziehung sind die einzelnen Zerwürfnisse nur Symptome eines tieferliegenden Problems, das sich aus Sicht der FPÖ in etwa so darstellt: Seit Jahrzehnten teilen sich SPÖ und ÖVP die Macht im ORF, während man selbst leer ausgeht. Hinter dem Vorwurf der mangelnden Objektivität verbirgt sich nämlich auch der Wunsch nach mehr Einfluss im staatlichen Rundfunk. Jetzt, da sie wieder Teil der Regierung sind, wollen die Freiheitlichen ein Stück vom ORF-Kuchen.
Realpolitisch führt das zu einem stillen Machtkampf mit der ÖVP, die es mit der ORF-Reform nicht sonderlich eilig hat und regelmäßig auf eine Me- dienenquete im ersten Halbjahr 2018 verweist, für die es noch keinen Termin gibt. Der FPÖ dagegen kann es nicht schnell genug gehen. Strache steht intern unter Druck. Denn seine Parteifreunde befürchten, dass sich die ÖVP mit dem aktuellen Personal am Küniglberg arrangiert, um heimlich gemeinsame Sache gegen den Koalitionspartner zu machen.
Dass Strache seine Kritik ausgerechnet mit einem Bild von Armin Wolf verknüpft hat, war eher kein Zufall. Der „ZiB 2“-Moderator wird – wie TV-Chefredakteur Fritz Dittlbacher – einer einflussreichen Gruppe im ORF zugerechnet, von der sich die FPÖ besonders schlecht behandelt fühlt. Und die auch ORF-intern „Apfelsaftfraktion“genannt wird, weil ihre Mitglieder angeblich keinen Wein trinken. „Diese Leute versuchen, Politik zu machen, und zwar gegen die FPÖ“, sagt ein Freiheitlicher. „Keine Orbanisierung.“Beim Koalitionspartner kam die Attacke gegen Wolf nicht gut an. Sebastian Kurz soll sich bei Strache beschwert haben. Offiziell meinte der Kanzler nur: Er wünsche sich, „dass man wieder etwas Emotion herausnimmt“. FPÖ-Mediensprecher Jenewein sieht das ähnlich: Der Streit sei insofern problematisch, als er die sachliche Debatte erschwere.
Im Zentrum der freiheitlichen Reformbemühungen steht die Abschaffung der „Zwangsgebühren“. Gleichzeitig soll der ORF aber ein öffentlichrechtlicher Sender bleiben. „Das mag wie ein Widerspruch klingen“, sagt Jenewein. „Es ist aber keiner.“Man müsse eben neue Erlösmöglichkeiten suchen. So könnten etwa Sportgroßereignisse oder teure Filme vergebührt werden.
In der ÖVP hält man diese Gebührendebatte für eine Strategie der FPÖ: Das Maximale fordern, um sich dann wichtige Posten zu sichern. Er halte nichts von Umfärbungen, versichert Jenewein. Generaldirektor Alexander Wrabetz solle seinen Vertrag „ordentlich erfüllen“. Die FPÖ wolle den ORF nicht an die Kette legen: „Eine Orbanisierung, wie man sie uns gern unterstellt, wird es mit mir nicht geben.“