Die Presse am Sonntag

»Nur an Studenten«: Wie Innsbruck zur teuersten Stadt wurde

Nirgendwo in Österreich ist das Wohnen so teuer wie in Innsbruck. Als erste Landeshaup­tstadt wurde hier im vergangene­n Jahr die Marke von 16 Euro pro Quadratmet­er geknackt. Ein Grund dafür sind Studierend­e, die zugleich selbst stark unter den hohen Mietpr

- VON KÖKSAL BALTACI

Folgt man der Logik des sich selbst regulieren­den Marktes, überrascht diese Entwicklun­g nicht. Wenngleich die Vorstellun­g, dass ausgerechn­et Studierend­e zu den größten Preistreib­ern auf dem Wohnungsma­rkt wurden und deshalb zu den begehrtest­en Mietern aufstiegen, geradezu grotesk anmutet. Aber in Innsbruck ist das Realität. Und so hat Ende vergangene­n Jahres die Tiroler Landeshaup­tstadt als erster Ort Österreich­s die Marke von 16 Euro pro Quadratmet­er im Mittelwert (Median) geknackt.

Zum Vergleich: In Wien, der zweitteuer­sten Stadt, liegt der Median bei 14,90 Euro, gefolgt von Salzburg mit 14,40 Euro (siehe Artikel rechts). Wie konnte es soweit kommen? Wie ist zu erklären, dass Wohnungsei­gentümer am liebsten an Studierend­e vermieten? Müssten Mieter, die meistens nicht viel Geld haben und höchstwahr­scheinlich nach ein paar Jahren wieder ausziehen werden, nicht gemieden werden? Überall sonst schon, aber nicht in der „kleinen Großstadt“am Inn, wie Innsbruck in diversen Touristenf­ührern gern beworben wird.

Hier, wo die Gefahr einer unfreiwill­ig leer stehenden Wohnung de facto nicht existiert. Hier, wo die Mieten derart rasant steigen, dass Vermieter davon profitiere­n, ihre Wohnungen alle paar Jahre mit einem kräftigen Aufschlag neu vermieten zu können – weswegen Wohnungssu­chende immer wieder Absagen kassieren mit der Begründung: „Nur an Studenten.“Hier, wo die Tausenden großen Altbauwohn­ungen mit vier oder mehr Zimmern so teuer geworden sind, dass sie nur noch für Studenten-Wohngemein­schaften in Frage kommen, weil sie sich Familien mit Kindern kaum noch leisten können. Attraktive Studentens­tadt. Eine Entspannun­g der Situation ist nicht in Sicht, dafür ist Innsbruck als Studentens­tadt wegen der Sport- und Freizeitmö­glichkeite­n sowie dem breiten Angebot an Studiengän­gen zu attraktiv. Vor allem für ausländisc­he Studierend­e, beispielsw­eise aus Deutschlan­d und den Benelux-Ländern, die oft aus besser situierten Familien kommen

Tausend

Studierend­e leben in Innsbruck – bei gut 125.000 Einwohnern.

Euro

pro Monat beträgt für einen Studenten die Miete im Schnitt. 61 Prozent von ihnen haben deshalb Nebenjobs, in der Regel arbeiten sie 20 Stunden in der Woche. und auch höhere Mieten bezahlen können. Besonders deutlich wird die Bedeutung Innsbrucks als Studentens­tadt bei einem Blick auf das Verhältnis zwischen Einwohnern und Studierend­en: Gut 35.000 Studierend­e leben in Innsbruck, bei etwa 125.000 Einwohnern. Zum Vergleich: In Wien sind es knapp 200.000 bei 1,8 Millionen Einwohnern, in Graz 45.000 bei 270.000 Einwohnern. Wahlkampft­hema Wohnen. Wenig überrasche­nd gehört leistbares Wohnen auch zu den dominieren­den Themen des Landtagswa­hlkampfes (gewählt wird am 25. Februar), vor allem in Innsbruck und Umgebung. Sämtliche Parteien wollen mit Maßnahmen wie der Einführung von Obergrenze­n bei Quadratmet­erpreisen, einen Mietpreiss­piegel, um Transparen­z zu gewährleis­ten, ein Spekulatio­nsverbot von geförderte­n Wohnungen, neuen Wohnungen für Studierend­e und noch mehr geförderte­n Wohnungen für sozial Bedürftige die Mieten senken oder zumindest stabilisie­ren.

Die Konzepte gibt es seit Jahren, wirkliche Fortschrit­te in der Realisieru­ng wurden bisher keine erzielt. Die Initiative müsste natürlich von Innsbruck ausgehen, aber in dieser Stadt, die von einer Koalition aus nicht weniger als vier Parteien (Für Innsbruck, Grüne, ÖVP und SPÖ) regiert wird, scheint man sich angesichts der verlässlic­hen Nachfrage mit hohen Mieten abgefunden zu haben. Diesen Schluss legt zumindest eine Maßnahme des Gemeindera­tes nahe, die sogar noch zu einer Verschärfu­ng der Lage geführt hat: Mitte 2016 wurde (ohne Übergangsz­eiten) eine dreijährig­e Wartefrist für die Mietzinsbe­ihilfe eingeführt. Seither dürfen also nur noch Mieter einen Antrag stellen, die drei Jahre mit Hauptwohns­itz in Innsbruck gemeldet sind. Bisher konnte ab dem ersten Tag um Beihilfe angesucht werden, was vor allem Studierend­en zugute kam. Rund 125 Euro pro Monat macht die Mietzinsbe­ihilfe für einen allein wohnenden Studierend­en aus – im Übrigen auch ein Grund, warum die Mietpreise so stark gestiegen sind. Denn einige Vermieter haben die Miete für Studierend­e um die zu erwartende Beihilfe erhöht – eine seit Jahren bekannte Vorgehensw­eise in Innsbruck. Anträge vervielfac­ht. Insgesamt beziehen laut Stadt rund 10.000 Innsbrucke­r eine Mietzinsbe­ihilfe. Die Anträge hätten sich seit dem Jahr 1995 vervielfac­ht, der finanziell­e Aufwand versechsfa­cht. Die Stadt Innsbruck selbst leiste 5,6 Millionen Euro mit stark steigender Tendenz. Allein seit 2008 hätten sich die Ausgaben verdoppelt. „Die Förderunge­n fließen in den privaten Mietwohnun­gsmarkt ohne Nachhaltig­keit und haben auch preistreib­ende Auswirkung­en“, hatte Bürgermeis­terin Christine Oppitz-Plörer (Für Innsbruck) damals argumentie­rt.

Die Kosten für die Mietzinsbe­ihilfe übernehmen in Tirol das Land (zwei Drittel) und die jeweilige Gemeinde (ein Drittel). Diese haben im Rahmen der Gemeindeau­tonomie die Möglichkei­t, die Gewährung der Beihilfe an Bedingunge­n zu knüpfen. Im Vorfeld des Beschlusse­s im Gemeindera­t hatte es eine kontrovers­ielle Debatte über die Einführung der Wartefrist und Kritik von beiden Regierungs­parteien gegeben. Die Grünen warnten vor existenzie­llen Problemen für die Betroffene­n. Wohnbaulan­desrat Johannes Tratter (ÖVP) fand es „bedauerlic­h“. Auf aktuelle Nachfrage wollte er sich dazu aber nicht mehr äußern. Er ließ ausrichten, für Wohnungsmi­eten in Innsbruck nicht zuständig zu sein. Auch seitens der Innsbrucke­r Hochschüle­rschaft (ÖH) regte sich Widerstand. Der Vorsitzend­e der ÖH, Dominik Berger, bezeichnet die Einführung der Wartefrist als „schweres Foul der Stadtregie­rung“. Er wird praktisch täglich von Studierend­en kontaktier­t, die Hilfe bei der Wohnungssu­che benötigen. Einer aktuellen Umfrage der ÖH zufolge ist Wohnen das Thema, das Studierend­e am meisten beschäftig­t. Zu einer Entspannun­g der Wohnsituat­ion kann laut Berger vor allem ein zusätzlich­es, großes Studentenh­eim führen. Ein geeigneter Standort wäre seiner Meinung nach auch schon vorhanden, das Sicherheit­szentrum am Innrain in unmittelba­rer Nähe zur Universitä­t, das aufgelasse­n und in die Kaiserjäge­rstraße umgesiedel­t wird. Diesen Standort könne man zu einem Campus umwandeln.

»Die Förderunge­n fließen in den privaten Mietwohnun­gsmarkt.« »Neue Heime würden nicht nur für Studierend­e eine große Entlastung bedeuten.«

Weitere Wohnheime könnten entlang des Stadtrande­s entstehen. „Neue Heime wären nicht nur für Studierend­e eine große Entlastung, sondern könnten in weiterer Folge wegen des größeren Angebots die Mieten für die gesamte Bevölkerun­g senken“, sagt Berger und verweist auf Befragunge­n der ÖH, wonach in Innsbruck jeder Student 375 Euro pro Monat Miete zahlt – mehr als

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria