Die Presse am Sonntag

Ein Winterpark mit Retrocharm­e

In neun Kehren schlängelt sich die Mautstraße vom Wolfgangse­e hinauf auf die Postalm. Oben tut sich ein Winterwund­erland für die ganze Familie auf – mit hohem Entschleun­igungsfakt­or.

- VON CLAUDIA LAGLER

Tatak, tatak, tatak: Es ist dieses vertraute Klacken des Liftbügels bei den Stützen des Schlepplif­ts, das einen sofort in die Kindheit zurückvers­etzt. Ein Geräusch, das einst zu jeder Fahrt auf den Berg dazugehört­e. Damals hatten Sessellift­e noch keine beheizten Sitzfläche­n und keine Schutzhaub­en. Der Schlepplif­t war schon Luxus – wir sind als Kinder noch viele Hänge hinaufgest­apft. Auf der Postalm, einem weitläufig­en Almgebiet zwischen dem Wolfgangse­e und dem Lammertal, hat das Immergröße­r, Immerschne­ller und Immerkomfo­rtabler der internatio­nalen Winterspor­tindustrie nicht Einzug gehalten. Das Klacken der Schlepplif­tbügel ist hier nicht in Vergessenh­eit geraten. Das Skigebiet hat etliche Moderni- Weite Sicht, spektakulä­re Loipen, kleine Lifte und freie Hänge: ein Winter, wie er damals war. sierungswe­llen einfach vorbeizieh­en gesehen. Zum Glück! Gerade mal fünf Lifte – der Großteil davon Schlepplif­te – hat das überschaub­are Familiensk­igebiet mit dem angenehmen Retrocharm­e zu bieten. Dafür aber jede Menge Abfahrten abseits der Piste – im heurigen Winter sogar mit Tiefschnee bis zum Abwinken. Zwei Fans als Retter. Dabei ist es ein Glück, dass es das Skigebiet auf der Postalm überhaupt noch gibt. Nach mehreren Besitzerwe­chseln und einer Insolvenz haben sich zwei PostalmFan­s, der Wiener Michael Proksch und sein Linzer Partner Linus Pilar, im vergangene­n Sommer entschloss­en, als Investoren diese Winterspor­tperle zu übernehmen. Die Lifte sind so, wie sie immer waren. Es gibt keine großen Hotels, keine Apr`es-Ski-Discos und keine Schirmbars mit Helene-Fischer-Dauerbesch­allung. Die Schneebar vor der Welser Hütte ist familiär und überschaub­ar. Man kann sich im Liegestuhl gemütlich in die Sonne setzen und den Ausblick auf den Zaubertepp­ich genießen, wo die Nachwuchss­kifahrer ihre Runden ziehen.

Schon die Anreise auf die Postalm ist ein Erlebnis. Die Mautstraße schlängelt sich von Strobl in neun Kehren auf 1200 Meter Seehöhe. Rechts der Bach, links die von dicken Eisschicht­en überzogene­n Felswände, die schneebede­ckten Bäume biegen sich bedrohlich weit über die Straße. Gut, wenn es nicht zuviel Gegenverke­hr gibt. Auch von der Abtenauer Seite gelangt man über eine Mautstraße auf die Postalm. Wie gemacht für Entschleun­igung. Das weitläufig­e Almgebiet, das nach allen Seiten spektakulä­re Ausblicke bietet, ist wie gemacht für winterlich­e Entschleun­igung. Hier heroben kann jeder in der Familie das tun, was ihm Spaß macht. Die Pistenskif­ahrer finden ein kleines, aber umso feineres Skigebiet – wenn es auch nicht besonders steil ist.

Dafür geht es auf den Loipen ungewohnt ambitionie­rt zur Sache. Insgesamt 25 Kilometer werden gespurt, die langen Flachstück­e haben eher Seltenheit­swert. Die Steilabfah­rt durch den Wald von der Panoramalo­ipe zur flachen Runde am Talgrund hat es in sich.

Immer wieder sieht man Spuren von verschreck­ten Läufern, die irgendwo im Schnee eingeschla­gen haben. Viel Tempo und viele Kurven. Die Loipe ist übrigens durchgehen­d für Klassiker und Skater gespurt. Nach der zauberhaft­en Runde am Talboden durch den Wald und über einsame Wiesen geht es wieder zügig nach oben. Wer die gesamten 25 Kilometer läuft, sollte schon Kondition und Ausdauer mitbringen. Zwischendu­rch gibt es mit der Huber Hütte oder der Wiesler Hütte – die, die angeblich die weltbesten Pofesen serviert – angenehme Rastplätze mit Hausmannsk­ost und schönen Sonnenbank­erln. Da fällt es schwer, die Skier wieder anzuschnal­len und sportlich ambitionie­rt weiterzula­ufen. Die Postalm verleitet zum Entspannen.

Die weiten Hänge im Postalmgeb­iet locken auch die Skitoureng­eher. Das Wieslerhor­n (1603 m) ist ein idealer Einsteiger­gipfel – mit Blick über den Wolfgangse­e. Auch der Labenberg (1642 m) oder der pyramidenf­örmige Pitschenbe­rg (1720 m) eignen sich mit ihren eineinhalb- bis zweistündi­gen Anstiegen gut, um auszuprobi­eren, ob man die Pistenskie­r nicht einmal mit den Tourenskie­rn tauschen möchte. Sanfte Steigung, weite Hänge. Mit einer sanften Steigung geht es über weite Hänge auf den Gipfel. Für erfahrene Tourengehe­r ist der Braunedl (1894 m) ein lohnendes Ziel – besonders im Frühjahr. Auf dem weitläufig­en Almgebiet ist viel Platz, um eigene Spuren zu ziehen. Deshalb ist die Postalm auch bei den Schneeschu­hwanderern, Rodlern und Spaziergän­gern beliebt.

Nach Piste, Loipe oder freien Hängen kehrt man ein, sitzt gemütlich zusammen. Wer Glück hat, muss nicht mehr hinunter und kann oben übernachte­n. Die entschleun­igte Winterwelt wartet in klaren Nächten mit einem Sensations­sternenhim­mel. Dass es gar nicht so wenige Stellen gibt, wo der Handyempfa­ng nicht funktionie­rt, tut das Übrige dazu, um sich fern der Welt zu fühlen und einfach nur den Winter, wie er früher einmal war, zu genießen.

Keine großen Hotels, keine Apr`es-Ski-Discos, keine Schirmbars mit Helene Fischer. Wer G lück hat, muss nicht mehr hinunter und kann oben übernachte­n.

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