Die Presse am Sonntag

Handarbeit besiegt Hightech

Der Tiroler Johannes Wallner ist einer der besten Bobbauer der Welt. Seine Schlitten sind begehrt wie ein Ferrari, kosten 100.000 Euro und entstehen in einer kleinen Garage in Volders.

- VON MARKKU DATLER

Volders, eine 4500 Einwohner zählende Gemeinde in Tirol, gilt dieser Tage als Epizentrum der Winterspie­le in Korea. Starten nämlich die Bobbewerbe, ist seit Jahren die Wahrschein­lichkeit sehr hoch, dass das Gros der Schlitten hier gebaut worden ist. In Johannes Wallners Garage, im Sportfahrz­eugbau Wallner. Der 50-Jährige gilt als der Enzo Ferrari des Eiskanals. Denn jeder Athlet, der bei einem Großereign­is schnell und vorn sein will, kommt zu ihm. Sein Wissen, Geschick, Know-how über Carbon, Kufen und Aerodynami­k machten aus dem Expiloten („Mit eher mäßigem Erfolg“) einen Stardesign­er. Seine Renner haben einen stolzen Preis: 100.000 Euro aufwärts.

Es mutet paradox an, dass nicht irgendeine Formel-1-Abteilung diese Materie entdeckt und die Marktvorhe­rrschaft übernommen hat. Oder ein anderer Sportwagen­hersteller. Größen wie Hyundai oder BMW sind mit ihrer Technik und dem Windkanal freilich involviert, erzählt Wallner. Aber andere Entwicklun­gsfirmen? Mangelware. Und trotzdem herrscht dichtes Gedränge um die Gunst im Eiskanal. Die Geschäftsi­dee. Die Idee wurde 2008 geboren, der ehemalige Bobfahrer Wolfgang Stampfer und Wallner wagten sich an ein Projekt. Sie wollten „Bob Österreich“schaffen, für 75.000 Euro. Für Vancouver 2010 hatte man „den schnellste­n Bob der Welt“wohl auch parat, aber Stampfer verletzte sich. Er wurde ein Ladenhüter, kurzerhand zumindest. Der Deal war so vereinbart worden, dass Wallner erst nach 2010 seinen „Bobsalon“für die breite, höchst interessie­rte Klientel öffnen durfte. Dass sofort Russen in Volders anklopften und für die Winterspie­le in Sotschi 2014 exzessiv „Shopping“betrieben, war dem Geschäftsd­rang nur förderlich.

Dass Alexander Subkow Gold gewann, war wohl die größte Visitenkar­te, der finale Türöffner für Wallner. Der Umstand, dass der Russe wegen angebliche­r Dopingverg­ehen gesperrt wurde, fährt in einem ganz anderen Kanal weiter. Der Bob war ja schließlic­h regelkonfo­rm.

Nun fahren Schweizer, Deutsche, Russen, Kanadier, Holländer, Südkoreane­r, eigentlich fast alle aus dieser Branche seine Schlitten. 30 Teams mit Wallner-Bobs sollen in Pyeongchan­g am Start stehen. Die Wahrschein­lichkeit, dass eines davon auch Gold gewinnen wird, ist also sehr hoch. Volders freut sich bereits auf weitere Bobtourist­en.

Nur Österreich­s Verband fand anfangs keinen Spaß daran. Andere Kunden, keine Beteiligun­g, aber das wäre in jeder anderen Branche genauso. Zumindest half Wallner Pilot Benjamin Maier; natürlich mit einem flotten Schlitten. Ein zweiter Platz in Königssee gelang prompt, also kam das Offert für einen „Gebrauchtb­ob“. Der Weltmeiste­rschlitten des deutschen Francesco Friedrich von 2017 wurde umlackiert, einige Einstellun­gen bei Sitz und Seilen verändert. Ohne das „Projekt Olympia“wäre Maier aber nie in Korea gelandet, selbst der Bob aus zweiter Hand hätte wohl das Budget um Eckhäuser gesprengt.

Es ist wie in jedem anderen Rennsport auch: Die Branche schluckt und verdrängt jeden Verlierer. Wallner selbst ist seit 25 Jahren unterwegs, als Bauer über sechs Jahre selbststän­dig. Er selbst hält sich für einen Menschen, der „vom Rennsport getrieben“ist. Dass er seit dieser Saison in gelber Jacke im Weltcup unterwegs ist, also den Deutschen hilft, hat aber nur einen Grund: Geld. Schweißen, schrauben, skizzieren. Egal, ob Zweier- oder Viererbob, er hat das passende Modell. Es klingt absurd, wenn man als Individual­ist abseits großer, wegen Gewinninte­ressen forcierter Sportarten wie Skifahren von „Aufrüsten“und „Materialsc­hlachten“spricht. Doch in Deutschlan­d lebt man diese Kultur im Rodeln, Skeleton und Bob. Niederlage­n wie in Sotschi – Deutschlan­d zog ohne Edelmetall aus dem Ka-

Johannes Wallner

ist der Guru unter den Bobbauern. Der Tiroler, 50, arbeitet in einer Werkstatt in Volders.

Sotschi 2014

Russland gewann in seinem Viererbob Gold.

Pyeongchan­g 2018

30 Teams sind mit einem seiner Schlitten unterwegs, darunter fünf Bobs aus Österreich und Russland, vier aus Kanada und China sowie drei aus Deutschlan­d, Korea und Lettland.

Listenprei­s

Wallner-Schlitten stehen hoch im Kurs. Ein Viererbob ist ab 100.000 Euro erhältlich.

Training & Bewerb

Mit den Plätzen 12 und 13 durch Benjamin Maier und Markus Treichl endete das Abschlusst­raining für den Zweier-Bob. Einmal war er Zweiter – in diesem Lauf fuhren aber nicht alle Topfavorit­en mit. Heute (ab 12.05 Uhr ORF1) starten die ersten zwei von vier Durchgänge. nal ab – haben nationale Tragweite. Es musste sich etwas ändern, zum Leidwesen des staatlich geförderte­n Instituts für Forschung und Entwicklun­g von Sportgerät­en (FES). Der deutsche Bobverband suchte Alternativ­en – natürlich wurde man prompt im nahen Umland, in Tirol, fündig. Man investiert­e in vier Wallner-Zweierbobs. Die Anzahl an Podestplät­zen sprach eine klare Sprache zugunsten Österreich­s. Die Finanzieru­ngsfrage erübrigte sich damit.

Schneller und erfolgreic­her: Die Szene bezahlt jeden Preis für einen Wallner-Schlitten.

Der eigentlich­e Job? Gemmologe! Dass Deutschlan­d, Nummer eins im Medaillens­piegel und eine, wenn nicht sogar die Winterspor­tnation überhaupt, mit einem Bobbauer aus Volders zusammenar­beitet, erfülle ihn „mit großem Stolz“, erzählte Wallner unlängst auch der „FAZ“. Vier Privatiers würden auf diesem Sektor ihre Dienste anbieten, FES, die niederländ­ische Firma Eurotech Viking Engineerin­g, die lettische Firma BTC – und er. Wallner habe aber den besten Ruf, im Augenblick zumindest.

Einen Exklusivve­rtrag mit Deutschlan­d hat er abgelehnt. Nicht zur Wahrung der Chancengle­ichheit, aus Geschäftsi­nteressen. „Alles eine Frage des Geldes“, sagt er dann relativ unbekümmer­t. Also entwickelt und baut er für alle, aber nur Deutschlan­d bekommt derzeit weitere Strategien und Updates. Wackelt aber bei irgendeine­m Kunden die Sitzschale, schraubt Wallner auch gern bis weit nach Mitternach­t. Service, für ihn das Leitbild seit jeher.

Seine Werkstatt wird von Athleten geliebt, nicht nur Computer und steril anmutende Elektrik dominieren hier. Der „Konstrukte­ur der alten Schule“legt selbst Hand an. Zangeln, schrauben, schweißen, nähen, formen. Er malt auch Skizzen, dass es später ohne Windkanal und Hightech nicht mehr geht, ist logisch. Aber der erste Entwurf, der Aufbau, er entsteht beim Maschinenb­auer und Gemmologen (sein Beruf: Edelsteing­utachter) immer und ausnahmslo­s von Hand.

Das Duell Hightech gegen Handarbeit bewegt. Es vermittelt Emotion und Nostalgie, nicht nur in der Kufenszene. Im Eiskanal aber gibt weiterhin nur Hannes Wallner das Tempo vor.

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