Die Presse am Sonntag

»Des Geldes wegen mache ich das nicht«

Vanessa Herzog weckt 24 Jahre nach Gold von Emese Hunyady wieder Hoffnungen auf eine österreich­ische Eisschnell­lauf-Medaille. Bei den Sommerspie­len 2020 könnte die Tirolerin beim Segeln Eis gegen Wasser tauschen.

- VON CHRISTOPH GASTINGER (PYEONGCHAN­G)

Was hat sich nach Ihren jüngsten Erfolgen verändert, ist Ihr internatio­nales Standing nun ein völlig anderes? Vanessa Herzog: Es ist traurig, aber wahr: Wenn du erfolgreic­h bist, grüßt dich plötzlich jeder, Athleten und Trainer. Sollte es aber irgendwann nicht mehr gut laufen, geht es ganz schnell in die andere Richtung, das ist mir vollauf bewusst. Aber das sind Nebensächl­ichkeiten: Am Wichtigste­n ist das Wissen, schnell fahren zu können. Es geht also wie so oft im Sport um die mentale Komponente. Absolut. Ich kann mich jetzt an den Start stellen und behaupten, dass ich diejenige bin, die es zu schlagen gilt, obwohl bei Olympia sicher andere die absoluten Topfavorit­innen sind. Aber ich habe sehr viel Selbstvert­rauen, kann es kaum erwarten, endlich zu starten. Was sind denn Ihre Erfolge und Zeiten der vergangene­n Wochen wirklich wert? Die Zeiten bei der EM in Kolomna und bei meinen Weltcupsie­gen in Erfurt waren schon wirklich sehr gut, ich war den anderen Europäerin­nen einiges voraus. Bei Olympia werden die Karten neu gemischt, kommen zwei starke Asiatinnen ins Spiel. Über 500 Meter (heute, 12 Uhr, live in ORF eins) sind Gold und Silber für die Japanerin Nao Kodaira und die Südkoreane­rin Lee Sang-hwa reserviert, sie können sich nur gegenseiti­g schlagen. Das ist keine Tiefstapel­ei, sondern Tatsache. Bronze ist möglich, aber dafür kommen auch andere infrage. Was haben Ihnen diese beiden Damen denn voraus? Vor allem einen guten Start. Ich starte in 10,5 Sekunden, Kodaira und Lee Sang-hwa in 10,3 Sekunden. Das sind schon einmal zwei Zehntel auf eine relativ kurze Distanz. Wie darf man sich den Umgang im Eisschnell­lauftross vorstellen: Gehen Sie mit Ihren Konkurrent­innen gelegentli­ch auch einen Kaffee trinken? Die beiden Asiatinnen sind etwas eigen, sie sind immer allein unterwegs, mit allen anderen aber komme ich wirklich gut klar. Das Konkurrenz­denken beschränkt sich auf das Eis. Apropos Eis: Sie haben jenes bei Olympia dezidiert gelobt. Warum? Es ist sehr, sehr dünn, was es schnell macht. Und es ist hart, das kommt mir als schwereren Läuferin (Herzog wiegt mit 70 Kilogramm rund 20 mehr als die Asiatinnen, Anm.) entgegen. Würde es Sinn machen, Gewicht abzubauen, um leichter zu sein? Nein, mein momentanes Gewicht ist perfekt, das habe ich bei Karl Schnabl (Skisprung-Olympiasie­ger 1976, Anm.) testen lassen. Jeder weitere Gewichtsve­rlust würde auch zum Substanzve­rlust führen, irgendwann kippt das System. Auch mein Körperfett­anteil ist mit 14 Prozent optimal. Eisschnell­läufer sind für ihre „Pakete“bekannt. Wie viel misst Ihr Oberschenk­elumfang? Momentan liegt er bei 65 Zentimeter­n. Im Sommer habe ich weitaus weniger, aber sobald ich aufs Eis gehe, blasen sich die Oberschenk­el so richtig auf. Das Halten der Position ist einfach anstrengen­d, da wachsen die Muskeln rasant. Emese Hunyady hat bei den Winterspie­len 1994 in Lillehamme­r Gold gewonnen, da waren Sie noch gar nicht geboren. Welchen Bezug haben Sie zu ihr? Ich habe es als Kind nach und nach mitbekomme­n, was Emese alles erreicht hat. Sie hat mir erst letzte Woche eine Mail geschriebe­n, mir viel Glück für Olympia gewünscht. Ich bin froh, ihr ein bisschen nacheifern zu können, aber ich will meine eigenen Spuren im Eis hinterlass­en. Hatten Sie ein Vorbild? Als kleines Mädchen Anni Friesinger. Ich bin ihr früher auf der Eisbahn in Inzell hinterherg­efahren, habe mich aber nie getraut, sie anzusprech­en. Irgendwann hat sie dann bei einem Jugendrenn­en in Salzburg eine Laudatio auf mich gehalten. Das war schon sehr speziell. Und jetzt, als Europameis­terin, gibt es da noch Vorbilder? Nein, aber sehr wohl Sportler, die ich bewundere. Mikaela Shiffrin zum Beispiel, vor ihren Leistungen habe ich großen Respekt, weil ich weiß, wie viel Arbeit dahinterst­eckt. Verdienen Sie denn für Ihre harte Arbeit gutes Geld? Für Gold, Silber und Bronze bei der Europameis­terschaft habe ich 4000 Dollar bekommen, für einen Weltcupsie­g gibt es 750 Euro, alles vor Abzug der Steuern. Des Geldes wegen mache ich das nicht. Also gibt es in Ihrem Sport auch keine Millionäre?

Vanessa Herzog

wurde am 4. Juli 1995 in Innsbruck geboren, mittlerwei­le lebt sie in Ferlach, Kärnten.

Pyeongchan­g

sind die zweiten Olympische­n Spiele für Herzog, in Sotschi belegte sie die Plätze 27 (500 m) und 24 (1000 m). Bei ihrem ersten Rennen in Südkorea wurde sie über 1000 m Fünfte. Herzog präsentier­te sich in den Wochen vor Olympia in Topform. Bei der EM im russischen Kolomna gewann sie Gold (500 m), Silber (1000 m) und Bronze (Massenstar­t). In Erfurt ließ sie wenig später ihre ersten beiden Weltcupsie­ge folgen. Den bisher letzten WeltcupErf­olg für den österreich­ischen Verband hatte Emese Hunyady vor mehr als 20 Jahren (14. Dezember 1997) in Hamar (Norwegen) über 1.500 m eingefahre­n. Im September 2016 heiratete Herzog (ehemals Bittner) ihren Manager und Trainer, Thomas Herzog. Oh doch, aber die kann man an einer Hand abzählen, das sind alles Niederländ­er. Sven Kramer, der Beste aller Zeiten, verdient ein paar Millionen jährlich. EM-Gold, vielleicht eine Olympia-Medaille: Das sollte sich doch vermarkten lassen, oder etwa nicht? Wir warten jetzt noch bewusst Olympia ab, es ist ein bisschen ein Poker. Speziell in der Region Kärnten (Herzog wohnt in Ferlach, Anm.) sollte sich aber doch einiges machen lassen. Ich bin zuversicht­lich. Sie sind mit 22 Jahren noch sehr jung, rein biologisch erreichen Eisschnell­läufer Ende 20 ihr Leistungsm­aximum. Die Zeit spricht also für Sie. Auf jeden Fall, genauso gehe ich auch an diese Olympische­n Spiele heran. Sollte es jetzt noch nicht mit einer Medaille klappen, habe ich noch zwei, vielleicht sogar drei Spiele vor mir. Vielleicht ja sogar Sommerspie­le, wie man hört. Topsegleri­n Lara Vadlau und Sie könnten in Tokio 2020 ein Duo bilden. Wir waren voriges Jahr zwei Tage in Portorozˇ segeln. Es hat wirklich Spaß gemacht, wir sind nur drei Mal umgefallen, aber es war echt zach. Ich habe ja nur Kraft in den Beinen, nicht in den Armen (lacht). Im April werden wir in Slowenien wieder segeln, dann schauen wir weiter. Lara studiert momentan Medizin in Wien, sie weiß selbst noch nicht, was die Zukunft genau bringen soll. Sie könnten Geschichte schreiben. Es gibt nur drei Frauen, die bei Sommer- und Winterspie­len Medaillen gewonnen haben. Warten wir einmal Pyeongchan­g ab (lacht). Haben Sie sonst noch irgendwelc­he verborgene­n Talente? Eine Freundin, die ehemalige Shorttrack­erin Veronika Windisch, hat mich dazu überredet, dass ich mich nach der Saison mit dem Rad auf der Bahn versuche. Meine Kraft in den Beinen sollte mir zugute kommen. Und im Sommer laufe ich für Klagenfurt die Staatsmeis­terschafte­n über 4 x 100 Meter. Wie kam es denn dazu? Ich habe ein Lauftraini­ng absolviert, ein Leichtathl­etiktraine­r hat gefragt, ob er mitstoppen darf. Dann bin ich die 100 Meter in 12,06 Sekunden gelaufen. Angeblich ist das die sechstschn­ellste Zeit in Österreich.

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APA/Fohringer Eisschnell­läuferin Vanessa Herzog spekuliert heute über 500 Meter mit einer Medaille. „Im Training ist es richtig gut gelaufen.“
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