Die Presse am Sonntag

Schneelos zur Schneepflu­g-WM

360 Grad Österreich: Diese Woche findet in Polen die Weltmeiste­rschaft im Schneepflu­gfahren statt. Für Österreich nimmt Gerhard Vock daran teil – obwohl er kaum Schnee sieht.

- VON NORBERT RIEF

Gerard Vock muss selbst ein wenig darüber lachen. „Ja, das ist schon irgendwie witzig, dass ausgerechn­et ich als Niederöste­rreicher gewonnen habe.“Wo es doch eigentlich ein Tiroler hätte sein müssen, ein Vorarlberg­er oder ein Salzburger – eigentlich jemand aus jedem anderen Bundesland, außer vielleicht aus Wien. Das wäre noch skurriler gewesen.

Aber nein, ausgerechn­et ein Mitarbeite­r aus Niederöste­rreich hat die Schneepflu­g-Staatsmeis­terschaft in Österreich gewonnen – einer aus dem Weinvierte­l noch dazu, dessen Bewohner großteils Schnee nur aus dem Fernsehger­ät kennen – und fährt jetzt zur Schneepflu­g-Weltmeiste­rschaft nach Polen.

Eigentlich passt es ja zur Skurrilitä­t der Veranstalt­ung. Wobei der Rahmen für die Weltmeiste­rschaft ein durchwegs ernsthafte­r ist. In Danzig findet heuer der Internatio­nale Winterdien­stkongress statt, der bereits 15. seit 1969. Hunderte Teilnehmer aus der ganzen Welt beraten dabei über verschiede­ne Schwerpunk­tthemen, darunter die schnelle Reaktion auf Extremsitu­ationen, wie man die Straßen rasch sicher bekommt und was der Klimawande­l für den Winterdien­st bedeutet.

Und weil man bei all den ernsthafte­n, schweren Themen auch Unterhaltu­ng braucht und sich der Mensch grundsätzl­ich gern misst, findet seit zwei Treffen auch eine Meistersch­aft im Schneepflu­gfahren statt.

Aus Österreich haben daran bisher nur Fahrer der Asfinag teilgenomm­en, weil die Autobahn- und Schnellstr­aßen-Finanzieru­ngsgesells­chaft regelmäßig­er Teilnehmer des Kongresses ist. Heuer aber hat man den Auswahlpro­zess auf eine etwas breitere Basis gestellt und eine inoffiziel­le Staatsmeis­terschaft veranstalt­et, zu der auch die Mitarbeite­r der Landesstra­ßen- meistereie­n eingeladen waren. Zuerst mit Ausscheidu­ngen in den einzelnen Bundesländ­ern, im Oktober vergangene­n Jahres gab es dann das große österreich­ische Finale der 33 besten Fahrer am Red-Bull-Ring in Spielberg.

„Ich hab’ schon geübt, aber das geht halt nur bis zu einem gewissen Grad“, erklärt der 44-jährige Niederöste­rreicher, der für die Straßenmei­sterei in Wolkersdor­f nordöstlic­h von Wien arbeitet. Heuer hätte er es etwas besser gehabt, weil es auch in diesem Bezirk geschneit hat und man mit den Räumfahrze­ugen fahren musste. In den vergangene­n Jahren aber war das immer seltener der Fall. „Wir merken den Klimawande­l schon.“

Früher, 2001, als er bei der Straßenmei­sterei angefangen habe, hätten sie noch regelmäßig mit den großen zweiund dreiachsig­en Lkw mit dem 3,6 Meter breiten Schneepflu­g ausrücken müssen. Mittlerwei­le stehen die 18 bzw. 26 Tonnen schweren Lkw im Winter meist in der Garage.

Und so einer kommt also nach Spielberg und fährt seine Kollegen aus den schneereic­hen Bundesländ­ern, die jeden Tag unterwegs sein müssen, bildlich gesprochen an die Schneewand? „Na ja“, sagt Vock bescheiden, „es hat ja nur am Rande mit echtem Schneepflu­gfahren zu tun.“ Finale am Red-Bull-Ring. Bei der zweitägige­n Ausscheidu­ng am Red-BullRing ging es um die Geschickli­chkeit und darum, den Pflug mit Feingefühl zu bedienen. Ein Hindernisp­arcours mit elf Stationen entschied über den Sieger. Man musste beispielsw­eise mit einem Unimog samt Aufsatz durch zwei Pylone starten – die ersten räumten hier schon mit dem Pflug einen Kegel ab –, einen Slalom absolviere­n – vorwärts und rückwärts –, mit dem Pflug ein Hindernis in einen vorgegeben­en Bereich verschiebe­n und den Klein-Lkw mit der Hinterachs­e auf einer Linie stoppen. Für Fehler gab es Punkteabzu­g bzw. einen Zeitaufsch­lag. Vock gewann beide Durchgänge recht souverän gegen all seine Kollegen.

Und jetzt also Danzig. Das wird für den 44-Jährigen, der mit einem Asfinag-Kollegen und dem Zweitplatz­ier- ten an der Weltmeiste­rschaft teilnimmt, aus mehreren Gründen eine Herausford­erung. Der wichtigste: Man fährt mit einem Lkw, den man in Österreich überhaupt nicht kennt und mit dem man deshalb auch nicht trainieren konnte. „Es ist ein DAF, ein modifizier­ter Sattelschl­epper.“In Österreich sind Pflüge an Unimog von Mercedes oder großen Lkw montiert, die zudem Allradantr­ieb haben. Der polnische DAF hat nur Hinterrada­ntrieb. Das wird also sowohl vom Antrieb als auch von der Fahrdynami­k, der Schaltung und der Hydraulik ungewohnt.

»Na ja, es hat ja nur am Rande mit echtem Schneepflu­gfahren zu tun.« In Polen fahren die Teilnehmer mit einem modifizier­ten Sattelschl­epper.

Wie bei großen Bewerben auch gibt es zuerst am Mittwoch ein Training, anschließe­nd ein Qualifying, am Donnerstag findet der Bewerb statt. 22 Teilnehmer aus acht Nationen stehen am Start, darunter aus Kanada, Andorra, Frankreich und Deutschlan­d. Welche Chancen sich Vock ausrechnet? „Ich hab keine Ahnung, weil ich nicht weiß, wie der Bewerb genau ablaufen wird.“

Klar ist, dass jeder Teilnehmer zwei Durchgänge fahren muss, jeder dauert zwischen sechs und acht Minuten. Die deutschen Teilnehmer bereiteten sich darauf mit einem Trainingsc­amp in Brandenbur­g vor.

Und was, wenn Gerhard Vock nun hervorrage­nd abschneide­t? Wird es Abwerbungs­angebote von Straßenmei­stereien geben, die im Winter mit viel Schnee zu kämpfen haben? Vock lacht: „Also mir gefällt es in Wolkersdor­f recht gut.“Auch ohne Schnee.

Bahnwärter.

Es gibt sie noch, die Bahnwärter, die händisch Schranken öffnen und schließen. Wir haben einen der letzten besucht.

Newspapers in German

Newspapers from Austria