Was das Schwänzen lehrt
Eigenverantwortung und Freiheit: die Lehren des Schwänzens.
Das Schwierigste war das Ende. Anfang der Nullerjahre, Kleinstadtgymnasium, Zugpendler aus dem Umland, Lehrer wie Schüler. Den Sprung von der Normalität in den unerlaubt freien Tag zu finden, verlangte System. Am Morgen, Waggon scannen, ob ein Lehrer drin sitzt – wegducken, hatte man nicht vor, den Tag in der Schule zu verbringen. Abends, selbes Spiel, umschauen, verstecken, tarnen, Lehrern ausweichen.
Dabei wussten sie es ja ohnehin – oder hatten es vermutet, angesichts der vielen Erkältungen, der unendlichen Regelschmerzen (Profitipp unter 16-Jährigen: „Regelschmerzen“als Grund der Absenz, fragt keiner nach), wie einem Lehrer dann, Jahre später, mit einem „Ja, mei“, erzählen. Der eine freute sich insgeheim über Freiheitsdrang und ein wenig Rebellengeist, anderen war es egal, solange die Leistung passte. Und immerhin schulen die frei- en Tage auch: Darin etwa, sich in der Freiheit sinnlosem Lernstoff oder boshaft bis destruktiven Lehrern zu entziehen. Ein gutes Buch am Flussufer lesen kann lehrreicher sein als etwa Völkerball spielen. Man lernt Leuten auszuweichen, sich Verpasstes zu organisieren oder, dass ein Tag im autonomen Kulturzentrum, im Schwänzer-Cafe´ oder Herumstreunen in der nächsten Großstadt (Linz!) vielleicht mehr Leben zeigt als Latein-Deklinationen.
Oder, Alkopops so zu dosieren, dass die Eltern abends nichts merken – denn, nein, die wussten davon nie. Von gefälschten Unterschriften und Herumtreibertagen haben sie viel später erfahren. Als sie, kurz entsetzt, das schon mit einem „ist ja trotzdem was aus euch geworden“quittieren konnten – vielleicht froh, nichts gewusst zu haben. Denn am Schwänzerdasein hätten Strafen wohl wenig geändert. cim