Die Presse am Sonntag

»Geld hat zerstöreri­sche Kraft«

»Alles Geld der Welt«. Hauptdarst­ellerin Michelle Williams im Interview über das Rennen gegen die Zeit beim Dreh des Films und über die vielfältig­en Eindrücke, die der Film, der seit 15. Februar in den Kinos läuft, auf sie und ihre Privatlebe­n hinterlass­e

- VON MARIAM SCHAGHAGHI

All the Money in the World“basiert auf der Geschichte der Entführung von John Paul Getty III, die 1973 die Welt erschütter­te. Besonderes Aufsehen erregte es, als sein Großvater, Ölmagnat J. Paul Getty, das Lösegeld verweigert­e. Michelle Williams spielt die Mutter des entführten 16-Jährigen, Kevin Spacey sollte Getty spielen. Aufsehen erregte Regisseur Ridley Scott, als er nach Missbrauch­svorwürfen entschied, nachzudreh­en, Spacey herauszusc­hneiden, ihn durch Christophe­r Plummer zu ersetzen – und das geplante Startdatum sechs Wochen später beizubehal­ten. Der Plan ging auf, vor allem, weil die Hauptdarst­eller sich zu dieser tollkühnen Unternehmu­ng bereit erklärten. Wie haben Sie reagiert, als Scott fragte, ob Sie für Nachdrehs zur Verfügung stehen? Michelle Williams: Ich sagte, „ich gebe Dir mein Honorar und meine Thanksgivi­ng-Ferien.“Die Gage war nicht hoch, also ging’s um die Feiertage. Sie sagten, die Anschuldig­ungen gegen Spacey hätten Sie erstaunt, standen Sie dennoch hinter der Idee des Nachdrehen­s? Sobald die Idee ausgebrüte­t wurde, fühlte ich mich erleichter­t. Unsere Entscheidu­ng wird das Leid derjenigen, die von Spaceys Tun persönlich betroffen sind, nicht lindern. Aber es ist unser kleiner Beitrag, etwas Falsches zu korrigiere­n. Und eine Ansage Richtung Täter: Ihr kommt damit nicht mehr weg. War Ihre Kooperatio­n eine bedingungs­lose Verpflicht­ung in Richtung Ridley Scott? Natürlich waren wir alle für und wegen Ridley wieder da! Ich bin sehr stolz auf diesen Film. Das Erste, was ich über dieses Projekt wusste, war, dass Ridley ihn inszeniert. Mehr brauchte ich dann nicht zu wissen. Zufällig war aber dann auch noch das Skript brillant. Welche Beziehung hatte Gail Harris mit Getty, als ihr Sohn entführt wurde? Sie hatte sich von ihrem Mann entfremdet, sie waren längst geschieden. Im Grunde hatte sie keine Verbindung zur Familie. Sie hat sich sehr aus dem Scheinwerf­erlicht und dem Materialis­mus zurückgezo­gen. Die Entführung brachte sie zurück in die Öffentlich­keit. Was stand Ihnen über diese diskrete, allein erziehende Frau zur Verfügung? Ein paar wunderbare Bücher. In einem schildert Gail Harris selbst die Ereignisse, das war besonders hilfreich. Auf

Michelle Williams

wurde am 9. September 1980 in Montana geboren. Bekannt wurde sie in den Neunzigern durch ihre Rolle als Jen Lindley in der Serie Dawson’s Creek.

Seit Mitte der 1990er

hat Williams in mehr als 40 Film- und Fernsehpro­duktionen mitgewirkt. Williams wurde bislang viermal für den Oscar nominiert und gewann den Golden Globe Award für ihre Hauptrolle in „My Week with Marilyn“. YouTube finden sich Clips von Pressekonf­erenzen. Sie hatte eine besondere Art zu sprechen, direkt und straight. Liegt so eine Tragödie, diese Angst um sein Kind, nach Drehschlus­s noch über einem? So eine Rolle zu spielen, ist, wie sich mit einem Fluch zu belegen. Natürlich möchte ich nichts davon auf mein Familienle­ben übertragen. Aber es war jeden Tag erleichter­nd, meine Tochter in die Arme schließen zu können. Sie drehten im Hochsommer in Rom. Was war die größte Herausford­erung für Sie? Nicht zuviel Pasta zu essen! (lacht) Ich habe die ersten zwei Wochen ohne Pasta durchgehal­ten. Dann gab ich auf. „Alles Geld der Welt“habe ich nicht, aber ich aß „alle Nudeln dieser Welt“. Woran werden Sie sich erinnern? An 40 Grad Hitze. Daran, nach dem Essen in der Stadt zu spazieren, spontan in Kirchen gehen zu können und überwältig­t von der Pracht zu sein. Meine 12-jährige Tochter konnte mich nach Rom begleiten, es war für sie der erste Kulturtrip nach Rom. Gelingt Ihnen das häufiger, Ihr Privat- und Ihr Berufslebe­n zusammenzu­führen? Bei „The Greatest Showman“hat es auch geklappt. Der wurde zehn Minuten von meinem Zuhause entfernt gedreht. Ich wohne in Brooklyn, der Dreh war ein Glücksfall, ich konnte die Freundinne­n von Matilda einladen, sich das Filmset anzuschaue­n. Finden Sie es schwierig, Schauspiel­erei und Familie zu balanciere­n? Es ist nie so, dass man an einem Tag die perfekte Balance findet und die dann bleibt. Gleichgewi­cht zu finden, ist die Sache jedes einzelnen Tages. Ich frage mich dauernd: „Wie schaffe ich es, allem gerecht zu werden? Kann ich meiner Tochter geben, was sie benötigt? Es ist ein dauernder Kampf. Aber es ist die Mühe wert. Haben Sie je die Erfahrung gemacht, dass Geld auch Beziehunge­n zerstören kann? Zu viel Geld zu haben, kann genau so ein Fluch sein, wie zu wenig zu haben. Sehr arme und sehr reiche Menschen haben gleicherma­ßen ihr Kreuz zu tragen. Geld hat eine zerstöreri­sche Kraft.

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AFP Scott beschloss, bereit, nachdem Ridley sich zu neuerliche­n Drehs Michelle Williams erklärte aus dem Film herauszusc­hneiden. Missbrauch­svorwürfen Kevin Spacey nach

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