Fortsetzung folgt – auch in der Literatur
Das Gesetz der Serie hat endgültig die Belletristik erfasst. Von Joachim Meyerhoff bis Virginie Despentes, von Elena Ferrante bis Haruki Murakami – die Autoren und die Leser haben den Mehrteiler für sich entdeckt.
Bis vor Kurzem fielen mehrteilige Romane ja vor allem unter die Rubrik Trash. Sie trugen Titel wie „Biss zur Morgenröte“oder „Rush of Love“, spielten gern in der fernen Vergangenheit, der noch ferneren Zukunft, unter Vampiren und/oder unglücklich Liebenden und setzten darauf, dass ihre Leser eher bei der Stange bleiben, wenn sie sich nicht immer wieder an neues Personal gewöhnen müssen. Anspruchsvolle Literatur, die auf die Fortsetzung setzte, fand man eher in Nischen: In der Kinderliteratur, wobei Rowlings „Harry Potter“oder Cornelia Funkes „Tintenherz“-Trilogie auch Erwachsene zum nächtlichen Leseexzess verführten. In der Science-Fiction, man denke nur an den absurden Spaß „Per Anhalter durch die Galaxis“von Douglas Adams oder an Terry Pratchetts „Scheibenwelt“-Romane (41 Folgen!). Und natürlich im Kriminalroman: Dort ergibt sich die Mehrteiligkeit ganz natürlich, so ein Detektiv oder Kriminalbeamter wird nach der Klärung eines Falls ja nicht gleich arbeitslos.
Und außerdem ist uns George Simenons Kommissar Maigret wirklich ans Herz gewachsen. Was ja der Trumpf des Mehrteilers ist: Irgendwann kommen einem die Charaktere vor wie gute alte Freunde, deren Marotten man kennt und deren Schwächen man fröhlich duldet. Neuerscheinungen. Ist es das, was zu einem nie da gewesenen Boom des Romans in Fortsetzungen führt? Allein, was da der vergangene Monat bereithielt! Mitte Jänner lieferte der Suhr- kamp-Verlag den vierten, letzten und besten Band von Elena Ferrantes Neapel-Saga „Meine geniale Freundin“aus. Es folgte Ende Jänner der erste Teil von Haruki Murakamis „Die Ermordung des Commendatore“, Anfang Februar beendete Angelika Klüssendorf mit „Jahre später“ihre Trilogie, die mit dem brutal-poetischen Roman „Das Mädchen“seinen gefeierten Anfang genommen hatte. Dieses Wochenende schließlich kommt Virginie Despentes’ „Das Leben des Vernon Subutex 2“in die Buchhandlungen. Endlich Zeit zu erzählen! Was ist da passiert? Haben sich die Autoren das Prinzip von der TV-Serie abgeschaut? Versuchen sie, deren Erfolg zu imitieren? Früher galt die Serie ja ähnlich wie der Mehrteiler in der Literatur als primitive Unterhaltung, man konsumierte sie mit schlechtem Gewissen. Es gab wirklich üble („Reich und Schön“) und ziemlich gute („Golden Girls“), aber eine intellektuelle Auseinandersetzung mit ihnen fand, wenn überhaupt, nur ironisch statt. In den vergangenen Jahren wandten sich immer mehr renommierte Regisseure vom Film ab und der Serie zu. Junge, oft weibliche Filmemacher entdeckten die Möglichkeiten dieses Formats: Endlich genug Zeit, um zu erzählen! Endlich die Muße, komplexe Beziehungen darzustellen! Wobei nicht selten Serien ihren Stoff in der Literatur fanden und finden: Das beste Beispiel ist wohl „Game of Thrones“, das auf George R. R. Martins „Das Lied von Eis und Feuer“beruht.
Wir suchen das Authentische. Und das ist offenbar unter 500 Seiten nicht zu haben.
Nur: Beim Film kann man den Wunsch ja verstehen, was kann man in zwei Stunden schon unterbringen? Aber Romane? Die sind so schon oft 500 Seiten lang. Reicht das nicht? Muss es doppelt, muss es dreimal so lang werden?
Möglicherweise hängt unsere Lust an der Überlänge paradoxerweise mit einem Misstrauen gegenüber der Fiktion zusammen. Und möglicherweise ist es kein Zufall, dass die erfolgreichsten Mehrteiler der letzten Zeit Autobiografien sind: Wenn man auf die aktuellen Bestsellerlisten schaut, findet man alle vier Bände von Joachim Meyer-