Culture Clash
FRONTNACHRICHTEN AUS DEM KULTURKAMPF
Mutter aller Volksbegehren. Wer einen prallen Mobilmachungsforderungskatalog in ein (Frauen-)Volksbegehren zwängt, darf sich nicht aufregen, wenn das auch vielen Frauen zu viel wird.
Kürzlich haben die Betreiber des Frauenvolksbegehrens eine merkwürdige Kritik auf Facebook gepostet. Sie monieren, „dass sich Personen in der Öffentlichkeit an einzelnen Forderungen stören und dadurch der kompletten Initiative des Frauen*volksbegehrens die Legitimität absprechen wollen“. Das lässt tief blicken und passt auch zur Kritik an der Frauenministerin, dass sie nicht unterschreibe, wo sie doch für die Gleichwertigkeit von Frau und Mann einstehen müsste.
Ein Volksbegehren ist doch nicht identisch mit seinem Anliegen. Es ist laut Artikel 41 der Verfassung bloß das Begehren, dass sich der Nationalrat mit einem konkreten Gesetzesvorschlag auseinandersetzen soll. Man kann aber durchaus für ein Anliegen, aber gegen vorgeschlagene Gesetze sein. Und wer 33 unterschiedlichste Begehren in eines zusammenfasst – mehr als je zuvor bei einem Volksbegehren –, ist selber schuld, wenn manchem dieses Paket dann zu kraus gefüllt ist.
Wer für Chancengleichheit ist, darf trotzdem etwa die Idee der erzwungenen Geschlechterparität bis hinein in die Geschäftsführungen von GmbHs für einen Vollholler halten. (Oft besteht die Geschäftsführung aus einer einzigen Person. Wie macht man da halbe-halbe?) Abtreibung auf Kosten aller Krankenversicherten – als ob Schwangerschaft eine Krankheit sei – lehnen nicht nur Katholiken ab. Und manchen behagt vielleicht die Zensurbehörde nicht, die durch das geforderte Verbot klischeehafter Darstellungen nötig würde.
Nach der Logik der Frauenvolksbegehrer müsste man nur jede Initiative „Menschenvolksbegehren“oder „Österreicher*Innen-Volksbegehren“nennen – und dann kann eigentlich niemand mehr, der anständig bleiben will, die Unterschrift verweigern. Denn jedes Volksbegehren will, dass es den Menschen besser geht. Wer darf da abseits stehen? Es geht ja um eure Rechte, um eure Zukunft, liebe Österreicher*Innen! Da gibt es kein Herumnörgeln an Einzelforderungen. Wer nicht mit uns ist, ist gegen euch. Zusammenstehen oder untergehen!
Der Anspruch, dass jede Kritik am Inhalt ein Verrat am Anliegen ist und jedes Distanzieren schon ein Packeln mit dem Feind, ist Kriegsrhetorik. Weil Ideologie nun einmal die unangenehme Tendenz hat, Politik zu einer Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln zu machen, ist es jetzt auch nicht so erstaunlich, wenn ein Volksbegehren weit über die Vorlage eines Gesetzesentwurfs hinausgeht und zur Mobilisierungskampagne wird. Man muss kein schlechtes Gewissen haben, wenn man sich dieser Vereinnahmungsstrategie verweigert. Der Autor war stv. Chefredakteur der „Presse“und ist nun Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.