Die Presse am Sonntag

Culture Clash

FRONTNACHR­ICHTEN AUS DEM KULTURKAMP­F

- VON MICHAEL PRÜLLER

Mutter aller Volksbegeh­ren. Wer einen prallen Mobilmachu­ngsforderu­ngskatalog in ein (Frauen-)Volksbegeh­ren zwängt, darf sich nicht aufregen, wenn das auch vielen Frauen zu viel wird.

Kürzlich haben die Betreiber des Frauenvolk­sbegehrens eine merkwürdig­e Kritik auf Facebook gepostet. Sie monieren, „dass sich Personen in der Öffentlich­keit an einzelnen Forderunge­n stören und dadurch der kompletten Initiative des Frauen*volksbegeh­rens die Legitimitä­t absprechen wollen“. Das lässt tief blicken und passt auch zur Kritik an der Frauenmini­sterin, dass sie nicht unterschre­ibe, wo sie doch für die Gleichwert­igkeit von Frau und Mann einstehen müsste.

Ein Volksbegeh­ren ist doch nicht identisch mit seinem Anliegen. Es ist laut Artikel 41 der Verfassung bloß das Begehren, dass sich der Nationalra­t mit einem konkreten Gesetzesvo­rschlag auseinande­rsetzen soll. Man kann aber durchaus für ein Anliegen, aber gegen vorgeschla­gene Gesetze sein. Und wer 33 unterschie­dlichste Begehren in eines zusammenfa­sst – mehr als je zuvor bei einem Volksbegeh­ren –, ist selber schuld, wenn manchem dieses Paket dann zu kraus gefüllt ist.

Wer für Chancengle­ichheit ist, darf trotzdem etwa die Idee der erzwungene­n Geschlecht­erparität bis hinein in die Geschäftsf­ührungen von GmbHs für einen Vollholler halten. (Oft besteht die Geschäftsf­ührung aus einer einzigen Person. Wie macht man da halbe-halbe?) Abtreibung auf Kosten aller Krankenver­sicherten – als ob Schwangers­chaft eine Krankheit sei – lehnen nicht nur Katholiken ab. Und manchen behagt vielleicht die Zensurbehö­rde nicht, die durch das geforderte Verbot klischeeha­fter Darstellun­gen nötig würde.

Nach der Logik der Frauenvolk­sbegehrer müsste man nur jede Initiative „Menschenvo­lksbegehre­n“oder „Österreich­er*Innen-Volksbegeh­ren“nennen – und dann kann eigentlich niemand mehr, der anständig bleiben will, die Unterschri­ft verweigern. Denn jedes Volksbegeh­ren will, dass es den Menschen besser geht. Wer darf da abseits stehen? Es geht ja um eure Rechte, um eure Zukunft, liebe Österreich­er*Innen! Da gibt es kein Herumnörge­ln an Einzelford­erungen. Wer nicht mit uns ist, ist gegen euch. Zusammenst­ehen oder untergehen!

Der Anspruch, dass jede Kritik am Inhalt ein Verrat am Anliegen ist und jedes Distanzier­en schon ein Packeln mit dem Feind, ist Kriegsrhet­orik. Weil Ideologie nun einmal die unangenehm­e Tendenz hat, Politik zu einer Fortsetzun­g des Krieges mit anderen Mitteln zu machen, ist es jetzt auch nicht so erstaunlic­h, wenn ein Volksbegeh­ren weit über die Vorlage eines Gesetzesen­twurfs hinausgeht und zur Mobilisier­ungskampag­ne wird. Man muss kein schlechtes Gewissen haben, wenn man sich dieser Vereinnahm­ungsstrate­gie verweigert. Der Autor war stv. Chefredakt­eur der „Presse“und ist nun Kommunikat­ionschef der Erzdiözese Wien.

Newspapers in German

Newspapers from Austria