»Kunst muss den Betrachter verachten«
Mit bösen Reimen und pointierter Provokation hat Lisa Eckhart die deutschsprachige Kabarettistenszene aufgewirbelt. Über die vielen Förderpreise, die sie laufend erhält, kann sie sich schon nicht mehr freuen. Ihren Kabarettkollegen wirft sie »widerwärtige
Sie werden seit 2016 mit Förderpreisen überschüttet. Wären Ihnen „normale“Preise lieber? Lisa Eckhart: Der österreichische Förderpreis 2016 hat mich noch sehr gefreut. Aber die drei deutschen, die ich jetzt erhalte, sind mir schon zu viel. Jetzt könnten sie mit den Förderpreisen schon aufhören, denn sie haben auch etwas Demütigendes, Höhnisches an sich. Ärgert es Sie, wenn die Jury in ihrer Begründung betont, dass Sie sich vom Mittelmaß abheben? Schon. Das ist wohl der Kern künstlerischen Schaffens, ja von Kunst überhaupt, sich vom Mittelmaß abzuheben. Indem das Wort genannt wird, werde ich automatisch in die Nähe des Mittelmaß gerückt. Kurzum, Förderpreise haben etwas Zweischneidiges an sich. Ja, auch Stipendien, wie diese Stadtschreiber-Stipendien (Anm.: Literaturpreise, die einige Städte in Österreich und Deutschland vergeben). Sie sind praktisch, das leugne ich nicht. Aber will man als Künstler wirklich an diesem Tropf hängen? Das hat ja nichts Charmantes. Wenn sich Fjodor Dostojewski immer wieder von seinem Verleger Geld geborgt hat, um es zu verspielen, dann hat das noch eine gewisse Romantik. Aber diese Stipendien haben vor allem etwas Blutleeres, Akademisches an sich. Einige hohen Herren wollen sich damit auf die Fahnen schreiben, Kunst zu fördern. Ich weiß aber nicht, ob aus diesem Pfuhl wirklich gute Kunst entstehen kann. Aber kaum jemand kann am Anfang seines Weges von seiner Kunst leben. War denn das bei Ihnen anders? Da war die Großmutter, die sehr viel Geld in die Studien ihrer Enkelin investiert hat, damit sie Botschafterin oder Diplomatin wird. Das ist gründlich schiefgegangen. Ja, und das hat sie dann auch irgendwann bemerkt. Aber zu dieser Zeit war ich schon in Paris, wo ich das Glück hatte, immer wieder Mäzene zu haben. Sie haben mich gefördert. Mäzene? Wen kann ich mir darunter vorstellen? Menschen, die sich dazu berufen gefühlt haben, mich zu fördern und nichts zu fordern. Das ist selten. War es Ihnen unangenehm, das Geld der Mäzene anzunehmen? Nein, überhaupt nicht, weil ich wusste, dass es jederzeit möglich wäre, mein Geld selbst zu verdienen. Wenn es mir zu dumm geworden wäre, von jemand anderem abhängig zu sein, hätte ich es mit einem Schlag ändern können. Sie hatten einen starken Glauben an sich. Ja, dieser Glaube war da. Woher, weiß ich allerdings nicht. Vielleicht von Ihren Großeltern? Bei Ihnen sind Sie ja aufgewachsen. Das war eine glückliche Fügung. Die Zeit war ein Nährboden für Studien des menschlichen Geistes, die ich schon früh betreiben konnte. Diese ländliche Umgebung mit dieser seltsamen familiären Struktur, das hat mich früh zu Erkenntnissen gezwungen, die manche lange aufschieben, um die Fassade aufrechterhalten zu können. Mussten Sie früh reif werden? Ich will nicht Dinge, die defizitär erscheinen, belobigen. Vielleicht wäre ich auch in einer anderen Struktur so
Lisa Eckhart
wurde 1992 in Leoben geboren und wuchs bei ihren Großeltern auf. Nach der Matura studierte sie in Wien und in Paris Germanistik und Slawistik, lebte in London und Berlin. Nachdem sie an verschiedenen Schauspielschulen die Aufnahme nicht schaffte, entdeckte sie den Poetry Slam und das Kabarett für sich.
2015
gab sie ihr Kabarett-Solodebüt in Wien. Für ihr Programm erhielt sie
2016 den Österreichischen Kabarett(förder) preis.
2017 erhielt sie den Deutschen Kleinkunstpreis und den Deutschen Kabarettpreis. Seit 10. Jänner 2018 tourt sie mit ihrem neuen Soloprogramm
„Die Vorteile des Lasters“
durch Österreich, Deutschland und die Schweiz. geworden. Ich halte nicht viel davon, Leiden und Beklemmung als Motor für künstlerisches Schaffen zu sehen. Ihr Humor – jedenfalls auf der Bühne – hat etwas Zynisches. Bitter sind Sie nicht? Keinesfalls. Menschen, je nachdem, wie raffiniert sie sind, entdecken, dass hinter meinen Worten ein großer Optimismus und Humanismus steht. Mein Humor ist nicht immer zynisch und erst recht nicht ironisch. Und Bitterkeit würde ich nie an den Tag legen. Nichts von dem, was ich präsentiere, soll vor Auswegslosigkeit triefen. Wir sehen uns nur gemeinsam die Pestbeulen an, die gerade wieder am Aufplatzen sind. Und dann schauen wir, was wir mit ihnen machen. Das klingt jetzt nicht so optimistisch. Aber es geht mir um Genuss und Freude innerhalb dieser Symptome, die furchtbar sind. Alles dreht sich um die Frage, wie wir aus all dem ein wenig Vergnügen ziehen. Mein neues Kabarett ist eines mit erhobenem Zeigefinger. Ich sage dem Publikum, was es zu tun hat, und zwar in die vermeintlich böse und genussvolle Richtung. Sie kommen immer aufwendigst gestylt in Versace und Ähnlichem auf die Bühne. Für Ihre Kollegen scheint Kleidung eine untergeordnete Rolle zu spielen. Ihre Erklärung? Es versprüht für viele – vermeintlich – eine Intellektualität. Es ist eine Reduktion auf das Wort, das gehört werden will und nicht gesehen. Das ist aber auch sehr lustfeindlich sich selbst gegenüber. Kabarettisten vernachlässigen – wie viele Menschen – das Visuelle, sie unterschätzen es. Mit einem schmuddeligen Leiberl auf der Bühne zu stehen, ist also nicht das Ihre? Diese schmuddeligen Leiberln werfe ich meinen Kollegen sehr vor. Das ist nämlich eine widerwärtige Verbrüderung mit dem Publikum. Das greift immer mehr um sich, es wird immer mehr Wert gelegt auf dieses „Ich bin einer von euch. Und wir plaudern ein bisschen“. Einer von uns, das sollte der Künstler nicht sein? Der Künstler sollte per se etwas Unmenschliches sein. Als Rezipient erwarte ich, dass er sich präpotent über mich stellt und nicht greifbar ist. Ich will keinen Künstler, der sich bei mir anbiedert. Kunst muss den Betrachter zutiefst verachten, erst dann schätze ich sie als solche. Demnach läuft etwas falsch, wenn ich den Künstler auf der Bühne sympathisch finde. Im Idealfall tritt keine Sympathie ein. Das kann nicht passieren, wenn der Kabarettist in die Wunden des Publikums vor Ort greift und nicht in die irgendeines Mobs da draußen, auf den man geschlossen hinter seinem Rücken schimpft. Aber genau das ist ja, was in den meisten Kabaretts passiert. Es werden die Schwächen einer Masse aufgezeigt und verhöhnt, die per se dümmer ist, als der Kabarettist und das Publikum, nur weil sie an diesem Abend nicht anwesend ist. Haben Sie das Gefühl, gescheiter als Ihr Publikum zu sein? Diese Frage stellt sich mir nicht. Es ist mir ein Anliegen, nichts auf der Bühne zu machen, was von Menschen als intellektuell überheblich angesehen wird. Da ist ein seltsamer klassenkämpferischer Geist in mir. Ich will aufzeigen, dass man Themen, vor denen manche eine wahnsinnige Ehrfurcht hegen, sehr leicht reduzieren kann – oft zu Recht. Nur damit ich mich auskenne: Sie wollen . . . ob Sie gut Small Talk führen können? Ich glaube, jeder erlebt einmal die rebellische Phase, in der er Small Talk als lästige Floskeln abtut. Aber dann stellt man fest, wie sehr er einem das Leben erleichtert. Es hat Vorteile, sich in dieser Kunst – wie in jeder anderen – zu trainieren und zu perfektionieren. . . . ob Sie jemand sind, der Tacheles sprechen kann? Nein. Am ehesten kann ich es noch auf der Bühne, im Einzelgespräch gar nicht. Da kooperiere ich bedingungslos, da wird es von mir nie eine Form des Ausbruchs geben. Ich habe tatsächlich nicht die Kraft, einzelnen Menschen etwas aufzudrängen. Ich finde, das muss auch nicht sein. Mich belastet Kritik. Gar nicht des Inhalts wegen, sondern weil ich nicht nachvollziehen kann, wie es Menschen ein Bedürfnis sein kann, Dinge zu bemäkeln, an denen sie einfach vorübergehen könnten, die sie gar nicht betreffen. Dass sie so viel Zeit ihres Lebens in Schmähung fließen lassen, das ist mir völlig unbegreiflich. sich als Künstlerin präpotent über das Publikum stellen, aber gleichzeitig nicht von ihm als intellektuell überheblich wahrgenommen werden? Genau, ich will mich vom Publikum abheben, aber nicht auf einer intellektuellen Ebene, sondern auf einer künstlerischen. Ich verachte nicht das Publikum, sondern das Leben. Der Zuschauer fungiert für mich als Symbol und Stellvertreter des Lebens, des Vulgären, des Trivialen. Das heißt nicht, dass der einzelne vulgär oder trivial ist. Die Menschen, die abends kommen, wollen ja dieses Leben einen Moment lang abschütteln und Kunst sehen. Wobei, ich weiß nicht, wie viele Kabarettisten sich als Künstler erachten. Ich weiß ja nicht, wie sie Kunst definieren. Wie definieren Sie Kunst? Sie zeichnet sich durch Alternativlosigkeit aus. Und Kunst ist auf jeden Fall gnadenlos. Weshalb? Weil sie mir alles abverlangt, alles durchzieht. Ich kann nicht erst ab 20 Uhr Künstler sein. Sie wollen sich in jedem Moment Ihres Daseins als Künstler empfinden? Das ist ein weiterer Punkt. Es hat nicht mit Wollen zu tun, ich kann gar nicht anders. Und wie fühlt es sich an, Künstler zu sein? Man widmet jede Sekunde der Ästhetik. Es wird alles auf seine Tauglichkeit und Schönheit überprüft und muss diesem Anspruch entsprechen. Aber Kunst muss doch nicht immer schön sein. Da finde ich schon. Ich bin ein unfassbarer Anhänger der Form, sie steht weit über dem Inhalt. Aber natürlich, darüber kann man debattieren.