Die Presse am Sonntag

Gusenbauer und die Kiew-Connection

In der Anklage gegen Trumps Wahlkampfb­erater Paul Manafort taucht ein »Kanzler« auf, der gemeinsam mit Ex-EU-Politikern zwei Millionen Euro erhielt, um für die Ukraine zu lobbyieren. Gemeint dürfte Alfred Gusenbauer sein.

- VON CHRISTIAN ULTSCH UND ELISABETH POSTL

Das Thema klang etwas spröde. Doch die Diskussion­srunde, die der ehemalige Bundeskanz­ler Alfred Gusenbauer an diesem lauen Spätsommer­tag am 20. September 2012 im Gartenhote­l Altmannsdo­rf zusammenge­trommelt hatte, war hochkaräti­g. Nicht nur der ukrainisch­e Außenminis­ter Konstantin Grischtsch­enko war seinem Ruf nach Wien gefolgt, sondern auch der frühere italienisc­he Premier und ehemalige EU-Kommission­spräsident Romano Prodi. Gemeinsam saßen die ergrauende­n Zwölfender auf einem Podium im schütter besuchten KreiskySaa­l, um über die „Ukraine auf dem Weg zur EU-Integratio­n“zu diskutiere­n.

Zu diesem Zeitpunkt war der damalige ukrainisch­e Präsident Viktor Janukowits­ch noch auf dem europäisch­en Dampfer. 14 Monate später schwenkte er um und verweigert­e im November 2013 völlig überrasche­nd seine Unterschri­ft unter das Assoziieru­ngsabkomme­n mit der EU; Russlands Präsident hatte ihm ein Angebot gemacht, das er offenbar nicht ablehnen konnte. Der Rest ist ebenso wie Janukowits­ch Geschichte. Es folgten Proteste, ein Umsturz, die Annexion auf der Krim, der Krieg in der Ostukraine – und geopolitis­chen Erschütter­ungen, die bis heute spürbar sind. Habsburg-Gruppe. Im Spätsommer 2012 versuchte Janukowits­chs hölzerner Chefdiplom­at Boch, die Ukraine für die EU herauszupu­tzen. Und Gusenbauer und Prodi halfen ihm dabei. Selten hatte eine kurzfristi­g angesetzte Konferenz des Renner-Instituts derartig glanzvolle Teilnehmer, die auch noch extra für die Veranstalt­ung am Stadtrand angereist waren. Gusenbauer, der damalige Präsident der SPÖAkademi­e, hatte es möglich gemacht.

Und dabei dürften nicht nur idealistis­che Erwägungen eine Rolle gespielt haben. Alfred Gusenbauer war offenbar Teil eines Netzwerks, das zwischen 2012 und 2013 im Auftrag des US-Politberat­ers Paul Manafort für Janukowits­ch und die Ukraine lobbyierte. Das legt eine Anklage nahe, die USSonderer­mittler Robert S. Mueller am Freitag gegen Manafort, den ehemaligen Wahlkampfb­erater von US-Präsident Donald Trump, einreichte. Mueller hat einen brisanten Auftrag, den er mit missionari­schem Eifer erfüllt: Der früherer FBI-Direktor soll aufklären, ob und in welchem Ausmaß Russland versucht hat, auf Trump und die Präsidents­chaftswahl 2016 Einfluss zu nehmen. Am Ende könnte das Trump sogar das Amt kosten. Im Zentrum der Untersuchu­ngen steht Paul Manafort. Ihn will Mueller nun offenbar an einer ukrainisch­en Nebenfront erwischen.

In der Anklagesch­rift wird dem umtriebige­n 69-jährigen Politprofi zur Last gelegt, zwischen 2006 und 2015 als „unangemeld­eter Agent für eine ausländisc­he Regierung“gearbeitet zu haben: für die Ukraine, Janukowits­ch und dessen „Partei der Regionen“. Dafür habe er Dutzende Millionen erhalten und über Offshore-Konten vor den amerikanis­chen Steuerbehö­rden verborgen. Brisant für Österreich wird es in Punkt 30 und 31 der Anklagesch­rift, die der „Presse am Sonntag“vorliegt: Manafort soll „ehemaligen hochrangig­en europäisch­en Politiker“zwischen 2012 und 2013 mehr als zwei Millionen Euro bezahlt haben, um für die Ukraine positive Stimmung zu machen und auch in den USA zu lobbyieren. Intern sei die illustre Runde „Hapsburg (sic!) Group“genannt worden. Und geführt habe sie in Koordinati­on mit Manafort ein „ehemaliger europäisch­er Kanzler“, der in Muellers Anklage in der Folge als „ausländisc­her Politiker A“bezeichnet wird. Das ist ein ziemlich deutlicher Hinweis auf Alfred Gusenbauer. Denn in Europa gibt es nur zwei Regierungs­chefs, die man als „Kanzler“bezeichnet: den deutschen und den österreich­ischen. Theoretisc­h käme auch Gerhard Schröder in Frage, doch von ihm ist kein Engagement für die Ukraine bekannt.

Der Anklagesch­rift zufolge sollen der „ausländisc­he Politiker A“und andere Ex-Politiker bei US-Kongressmi­tgliedern vorgesproc­hen haben. Dabei hatte die Lobby-Firma von „Mercury“ihre Finger im Spiel, die vom „European Centre For a Modern Ukraine“angeheuert worden war. Diese Plattform hatte laut US-Anklage Manafort aufgesetzt, um Rückenwind für Janukowits­ch und die Ukraine zu erzeugen. Im Vorjahr legte „Mercury“dem USJustizmi­nisterium Unterlagen vor, die zeigen, dass Gusenbauer in Washington im Juni 2013 Ed Royce, den Vorsitzend­en des außenpolit­ischen Ausschusse­s im Repräsenta­ntenhaus, sowie die republikan­ischen Abgeordnet­en Tom Marino und Robert Aderholt traf. Prodi drehte im März 2013 eine ähnliche Runde. Begleitet wurden beide von Mercury-Mitarbeite­rn. Die Wege Gusenbauer­s und Prodis kreuzten sich zu jener Zeit öfter. Beide saßen auch im Beratungsg­remium des kasachisch­en Autokraten Nasarbajew.

Im Telefonat mit der „Presse am Sonntag“bestätigt Gusenbauer, damals Abgeordnet­e getroffen zu haben. An die Namen könne er sich nach so lan- ger Zeit nicht erinnern. Kein Hehl macht der Ex-Kanzler aus seinem Engagement für eine Heranführu­ng der Ukraine an die EU. Das sei eine „noble Causa“gewesen. Er bestreitet gegenüber der „Presse am Sonntag“auch nicht, Geld erhalten zu haben für seine Lobbyingtä­tigkeit in Paris, Brüssel und Washington. Die Summe habe er nicht mehr im Gedächtnis. Eine „amerikanis­che oder englische Firma“habe ihn bezahlt. Dass Paul Manafort dahinter stecken könnte, sei ihm nicht bewusst gewesen, so Gusenbauer. Jedenfalls sei er weder mit Janukowits­ch noch mit Manafort in einer Geschäftsb­eziehung gestanden. Ein Unbekannte­r ist der Amerikaner für Gusenbauer jedoch nicht. Er habe Manafort einmal in Europa und einmal in den USA getroffen. Aber „nur auf einen Kaffee“.

Die Ukraine an die EU heranzufüh­ren war eine »noble Causa« für Gusenbauer.

 ?? Clemens Fabry ?? Alfred Gusenbauer erhielt Geld, um für ein Assoziieru­ngsabkomme­n der EU mit der Ukraine zu werben.
Clemens Fabry Alfred Gusenbauer erhielt Geld, um für ein Assoziieru­ngsabkomme­n der EU mit der Ukraine zu werben.

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