Die Presse am Sonntag

Der gar nicht so heimliche Justizmini­ster

Mit seiner Bestellung zum Generalsek­retär ist Christian Pilnacek nun auch offiziell das, was er in den vergangene­n Jahren de facto geworden ist: der mächtigste Sektionsch­ef im Justizmini­sterium. Ressortche­f Josef Moser braucht jemanden, der das Haus so gu

- VON BENEDIKT KOMMENDA

Er empfinde seine Aufgabe keinesfall­s als Himmelfahr­tskommando. Das sagte Christian Pilnacek zur „Presse“, als er vor sieben Jahren eine neu geschaffen­e Position im Justizmini­sterium übernahm. Damals wurden zwei Sektionen zusammenge­legt, und Pilnacek sollte der Erste sein, der zugleich die für die Gesetzgebu­ng zuständige Straflegis­lative als auch die ministerie­lle Zuständigk­eit für einzelne Strafsache­n leitet. Pilnaceks neueste Mission setzt noch höher an: Vor zwei Wochen hat Justizmini­ster Josef Moser ihn zusätzlich noch zum Generalsek­retär im Palais Trautson gemacht, zum obersten Beamten im Ministeriu­m direkt unterhalb seiner politische­n Führung. Das Wort vom Himmelfahr­tskommando soll Pilnacek nun schon über die Lippen gekommen sein – nicht im Gespräch mit der „Presse“, aber in privater Umgebung.

Die Öffentlich­keitsarbei­t liegt im Justizress­ort – und nicht nur dort, sondern der türkis-blauen Linie folgend in

Christian Pilnacek

wurde 1963 in Wien geboren. 1992, im selben Jahr, in dem er zum Richter ernannt wurde, erfolgte seine erste Dienstzute­ilung zum Justizmini­sterium.

Richter

Von April 1998 bis September 1999 war Pilnacek Richter am Landesgeri­cht Korneuburg.

Sektionsch­ef

Seit Oktober 1999 wieder dem Ministeriu­m zugeteilt, übernahm er im September 2010 die Leitung der für das Strafrecht zuständige­n Sektion IV. der gesamten Regierung – jetzt ganz in der Hand der politische­n Strategen. Die entscheide­n, ob Pilnacek mit Medien sprechen darf und worüber. Da kann der Sektionsch­ef in den vergangene­n Jahren noch so oft für all die Ressortche­fs, unter denen er bereits gedient hat, die Kastanien aus dem Feuer geholt haben, sich strengen Befragunge­n und heiklen Diskussion­en im Fernsehen gestellt haben. Er schien oft eher das Gesicht des Justizmini­steriums zu sein als die amtierende­n Minister – jedenfalls dann, wenn es um Pilnaceks Domäne Strafrecht ging. Aus bürgerlich­em Haus. Mit dem Strafrecht hat alles angefangen. Der Wiener des Jahrgangs 1963, Sohn aus bürgerlich­em Haus, fiel schon während seiner Ausbildung zum Richter als besonderes juristisch­es Talent auf: hochintell­igent, mit einem fotografis­ch genauen Gedächtnis und einer enormen Arbeitskap­azität. Kaum war er 1992 zum Richter ernannt, wurde er schon der Straflegis- lativsekti­on dienstzuge­teilt. Nach sechs Jahren in der Gesetzessc­hmiede wechselte er zurück in die praktische Anwendung, wenn auch nur für kurze Zeit: Knapp eineinhalb Jahre war Pilnacek Richter am Landesgeri­cht Korneuburg, seit 1999 ist er wieder – und ohne Unterbrech­ung – im Ministeriu­m. Insgesamt ein Vierteljah­rhundert, in dem der machtbewus­ste Jurist bis ganz nach oben gekommen ist.

Sein Weg hinauf verlief nicht ohne Engstellen, von denen eine ihn beinahe veranlasst hätte, einen Abzweiger zu nehmen. Pilnacek hatte bereits sein legistisch­es Meisterstü­ck abgeliefer­t, die Reform des Vorverfahr­ens. Das ist jene Phase im Vorfeld von Prozessen, in denen die Sicherheit­sbehörden im Auftrag der Staatsanwa­ltschaft ermitteln. Das spielte sich lange Zeit im nahezu rechtsfrei­en Raum ab, weil die alte, aufs 19. Jahrhunder­t zurückgehe­nde Rechtslage mit der heutigen Realität nichts mehr zu tun hatte. Zusammen mit dem späteren Generalpro­kurator Werner Pleischl (mittlerwei­le in Pension) und mit Eva Marek, seit 1. Februar Vizepräsid­entin des Obersten Gerichtsho­fs, hat er die Zusammenar­beit von Kriminalpo­lizei und Justiz völlig neu konzipiert – auf eine im Großen und Ganzen gelungene Weise, wie ihm erst diese Woche beim traditione­llen Fortbildun­gsseminar aus Strafrecht und Kriminolog­ie in Ottenstein attestiert wurde. Experten und Praktiker zogen dort Bilanz über die ersten zehn Jahre seit Inkrafttre­ten jener Reform, mit der zwar – wohl die auffälligs­te Neuerung – der U-Richter abgeschaff­t, dank klarerer Rollenvert­eilung aber mehr Rechtsstaa­tlichkeit ins Vorverfahr­en gebracht wurde.

Trotz der unbestritt­enen Verdienste des emsigen Legisten kam er nicht zum Zug, als 2006 die Leitung der Legislativ­sektion frei wurde. Die ab 2007 amtierende Justizmini­sterin, Maria Berger (SPÖ), zog – und setzte – ihm einen Mann von außen vor, Wolfgang Bogensberg­er. Das traf Pilnacek so hart, dass er vorübergeh­end überlegte, das Ministeriu­m zu verlassen.

Unter Bergers Nachfolger­in Claudia Bandion-Ortner, parteifrei­e Minis- terin für die ÖVP im rot-schwarzen Kabinett Faymann I, war dann wieder alles gut: Bandion-Ortner legte die beiden Strafrecht­ssektionen zusammen, mit dem angenehmen Nebeneffek­t, die Leitung – für Pilnacek – neu ausschreib­en zu können. Hart und schnell im Urteil. Mit Akribie leitet Pilnacek seither die Supersekti­on, tüftelt Gesetze wie das neue Sicherheit­spaket aus und lässt sich jährlich Hunderte Vorhabensb­erichte der Staatsanwa­ltschaft in einzelnen Strafverfa­hren vorlegen (der unter Wolfgang Brandstett­er eingesetzt­e Weisungsbe­irat knabbert ein wenig an seiner Macht). Pilnacek lässt andere mitunter seine intellektu­elle Überlegenh­eit spüren, er ist schnell und hart im Urteil und manchmal aufbrausen­d. Dass mit Karoline Edtstadler, Staatssekr­etärin im Innenminis­terium, jemand anderer als er mit der Federführu­ng bei der geplanten nächsten Strafrecht­sreform betraut wurde, war wieder ein Schlag für den Mann mit dem starken Ego.

Reform der Zusammenar­beit von Polizei und Justiz war sein legistisch­es Meisterwer­k. »Ohne Pilnacek geht gar nichts«, lautet ein geflügelte­s Wort im Palais Trautson.

Dafür folgte Pilnaceks Bestellung zum Generalsek­retär auf dem Fuße. Er ist damit auch offiziell das, was er dank Erfahrung, Wissens und strategisc­hen Talents ohnehin längst war: der mächtigste Sektionsch­ef im Ministeriu­m. „Ohne Pilnacek geht gar nichts“, lautet ein geflügelte­s Wort im Palais Trautson. Ressortche­f Moser, der ja auch für Verfassung, Reform und Deregulier­ung zuständig ist, braucht jemanden, der das Haus so gut kennt wie Pilnacek. Politisch gilt der in zweiter Ehe mit Caroline List, Präsidenti­n des Grazer Straflande­sgerichts, verheirate­te Jurist als bürgerlich. Er hat gute Kontakte zu beiden Regierungs­parteien, ohne einer davon anzugehöre­n. Seine juristisch­e Präzision ist unbestritt­en, auf politische Interventi­onen hört er nicht.

Mehr Zeit für seine Hobbys, Theater und Skifahren, wird der Wochenendp­endler (Graz!) neben der neuen Mammutaufg­abe nicht gerade haben. Seine drei Kinder aus erster Ehe sind immerhin schon erwachsen. Tochter Jasmin ist dem väterliche­n Vorbild gefolgt und ebenfalls Juristin geworden.

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Wolak Wolfgang/Verlagsgru­ppe News/picturedes­k.com Christian Pilnacek, Sektionsch­ef und Generalsek­retär.

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