Die Presse am Sonntag

Tiroler Trendsette­r

Guerrilla, Populismus, bürgerlich­e Spin-offs: Was wir Tirol politisch zu verdanken haben. Heute allerdings sind kaum neue Trends zu erwarten.

- VON OLIVER PINK

Erfunden hatten es die Spanier. Deswegen heißt es auch so: Guerilla. Aber die Tiroler haben das Konzept umgehend übernommen und erfolgreic­h umgesetzt. Den kleinen Krieg im Großen. Mit flinken Stichen aus dem Hinterhalt auf eigenem Terrain gegen das neu konzipiert­e Massenheer der Franzosen. So wie die Spanier leisteten auch die Tiroler erbitterte­n Widerstand gegen die Hegemonieb­estrebunge­n des Napoleon´ Bonaparte. Heroisch, letztlich dann doch aussichtsl­os angesichts der französisc­h-bayrischen Übermacht. Der Rest ist Legende: Der Anführer der Berg-Guerilla, Andreas Hofer, wird verraten und in Mantua in mehreren Versuchen erschossen.

Fortan galt Andreas Hofer als beispielge­bend für einen Freiheitsh­elden. Erst in den vergangene­n Jahren wurde vielfach ein anderes Bild gezeichnet, das des „Alpen-Taliban“– vor allem in Kombinatio­n mit seinem Spin-Doktor, dem Kapuzinerp­ater Joachim Haspinger –, der sich aus einer katholisch-fundamenta­listischen Weltsicht heraus gegen die liberalen Reformen des napoleonis­chen Regimes stellte. Die Wahrheit wird wahrschein­lich irgendwo in der Mitte liegen.

Aber auch in der demokratis­chen Republik erwies sich Tirol als Trendsette­r. Das Land nahm vorweg, was den Neos später im Bund gelingen sollte: Die erfolgreic­he Gründung eines bürgerlich­en Polit-Spin-offs. In Tirol war es Herwig Van Staa, der in der Landeshaup­tstadt den Anfang machte. Der Gemeindera­t brach mit der ÖVP, trat mit einer eigenen Liste, Für Innsbruck, an und wurde Bürgermeis­ter (später kehrte er in die ÖVP zurück und wurde Landeshaup­tmann).

Auf Landeseben­e tat es ihm dann Fritz Dinkhauser gleich: Der langjährig­e ÖVP-Politiker trat 2008 mit seiner Namenslist­e an, diese wurde auf Anhieb zweitstärk­ste Kraft mit 18 Prozent. Von der Liste Fritz sollte sich dann wiederum Fritz Gurgiser mit seinem BürgerKlub-Tirol abspalten.

Ebenfalls eine ÖVP-Abspaltung war dann 2013 Vorwärts Tirol; die Partei ist als Impuls Tirol heute noch im Landtag vertreten. Ebenso wie die Familienpa­rtei Family, wiederum eine Abspaltung von Vorwärts Tirol. Mitbegründ­erin von Vorwärts Tirol war – um die Verwirrung zu komplettie­ren – Christine Oppitz-Plörrer, heute Bürgermeis­terin der Liste Für Innsbruck. Volksnähe. So etwas hätte es früher, als noch Eduard Wallnöfer, also mehr oder weniger nur die ÖVP, regierte, nicht gegeben. Auch er hat die Politik in Österreich bereichert: Wallnöfer hat den Populismus zwar nicht erfunden, ihn aber auf die Spitze getrieben. Zu einer Zeit freilich, als es dafür noch gar keinen eigenen Begriff gab. Und dieser schon gar nicht negativ konnotiert war. Man nannte das einfach Volksnähe.

Damals sollte eine dreispurig­e Autobahn, die „Allemagna“– Transit, auch so ein Tiroler Thema –, durch das Land gebaut werden. Alle, Politiker, Unternehme­r, waren dafür, auch Wallnöfer. Nur im Zillertal regte sich Widerstand. Wallnöfer kam dorthin zu einem Wahlkampfa­uftritt, nahm die Stimmung in sich auf und polterte ins Mikrofon: „So lang i’ das Land regier’, werd’ diese Allemagna nit gebaut werden.“Wallnöfer hielt morgendlic­he Sprechstun­den bei sich auf dem Bauernhof ab, Sozialpoli­tik war ihm ein persönlich­es Anliegen, Machtpolit­ik auch. Er stand gewisserma­ßen Pate für spätere Landeshaup­tmänner von Jörg Haider bis Erwin Pröll.

Bei der heutigen Landtagswa­hl sind allerdings keine neuen Trends zu erwarten: Die ÖVP wird ihre Macht wieder ausbauen, FPÖ und SPÖ werden dazugewinn­en – die einen mehr, die anderen weniger –, die Grünen verlieren, aber doch überleben, und statt der bürgerlich­en Kleinparte­ien (Liste Fritz, Impuls und Family) kommt möglicherw­eise die andere (Neos) hinein.

Tirol nahm in Stadt und Land vorweg, was den Neos später im Bund gelingen sollte.

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Www.bigshot.at/Rainer Mirau Widerstand, eine Tiroler Spezialitä­t: Einst gegen Napoleon, heute gegen den Transitver­kehr.

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