Tiroler Trendsetter
Guerrilla, Populismus, bürgerliche Spin-offs: Was wir Tirol politisch zu verdanken haben. Heute allerdings sind kaum neue Trends zu erwarten.
Erfunden hatten es die Spanier. Deswegen heißt es auch so: Guerilla. Aber die Tiroler haben das Konzept umgehend übernommen und erfolgreich umgesetzt. Den kleinen Krieg im Großen. Mit flinken Stichen aus dem Hinterhalt auf eigenem Terrain gegen das neu konzipierte Massenheer der Franzosen. So wie die Spanier leisteten auch die Tiroler erbitterten Widerstand gegen die Hegemoniebestrebungen des Napoleon´ Bonaparte. Heroisch, letztlich dann doch aussichtslos angesichts der französisch-bayrischen Übermacht. Der Rest ist Legende: Der Anführer der Berg-Guerilla, Andreas Hofer, wird verraten und in Mantua in mehreren Versuchen erschossen.
Fortan galt Andreas Hofer als beispielgebend für einen Freiheitshelden. Erst in den vergangenen Jahren wurde vielfach ein anderes Bild gezeichnet, das des „Alpen-Taliban“– vor allem in Kombination mit seinem Spin-Doktor, dem Kapuzinerpater Joachim Haspinger –, der sich aus einer katholisch-fundamentalistischen Weltsicht heraus gegen die liberalen Reformen des napoleonischen Regimes stellte. Die Wahrheit wird wahrscheinlich irgendwo in der Mitte liegen.
Aber auch in der demokratischen Republik erwies sich Tirol als Trendsetter. Das Land nahm vorweg, was den Neos später im Bund gelingen sollte: Die erfolgreiche Gründung eines bürgerlichen Polit-Spin-offs. In Tirol war es Herwig Van Staa, der in der Landeshauptstadt den Anfang machte. Der Gemeinderat brach mit der ÖVP, trat mit einer eigenen Liste, Für Innsbruck, an und wurde Bürgermeister (später kehrte er in die ÖVP zurück und wurde Landeshauptmann).
Auf Landesebene tat es ihm dann Fritz Dinkhauser gleich: Der langjährige ÖVP-Politiker trat 2008 mit seiner Namensliste an, diese wurde auf Anhieb zweitstärkste Kraft mit 18 Prozent. Von der Liste Fritz sollte sich dann wiederum Fritz Gurgiser mit seinem BürgerKlub-Tirol abspalten.
Ebenfalls eine ÖVP-Abspaltung war dann 2013 Vorwärts Tirol; die Partei ist als Impuls Tirol heute noch im Landtag vertreten. Ebenso wie die Familienpartei Family, wiederum eine Abspaltung von Vorwärts Tirol. Mitbegründerin von Vorwärts Tirol war – um die Verwirrung zu komplettieren – Christine Oppitz-Plörrer, heute Bürgermeisterin der Liste Für Innsbruck. Volksnähe. So etwas hätte es früher, als noch Eduard Wallnöfer, also mehr oder weniger nur die ÖVP, regierte, nicht gegeben. Auch er hat die Politik in Österreich bereichert: Wallnöfer hat den Populismus zwar nicht erfunden, ihn aber auf die Spitze getrieben. Zu einer Zeit freilich, als es dafür noch gar keinen eigenen Begriff gab. Und dieser schon gar nicht negativ konnotiert war. Man nannte das einfach Volksnähe.
Damals sollte eine dreispurige Autobahn, die „Allemagna“– Transit, auch so ein Tiroler Thema –, durch das Land gebaut werden. Alle, Politiker, Unternehmer, waren dafür, auch Wallnöfer. Nur im Zillertal regte sich Widerstand. Wallnöfer kam dorthin zu einem Wahlkampfauftritt, nahm die Stimmung in sich auf und polterte ins Mikrofon: „So lang i’ das Land regier’, werd’ diese Allemagna nit gebaut werden.“Wallnöfer hielt morgendliche Sprechstunden bei sich auf dem Bauernhof ab, Sozialpolitik war ihm ein persönliches Anliegen, Machtpolitik auch. Er stand gewissermaßen Pate für spätere Landeshauptmänner von Jörg Haider bis Erwin Pröll.
Bei der heutigen Landtagswahl sind allerdings keine neuen Trends zu erwarten: Die ÖVP wird ihre Macht wieder ausbauen, FPÖ und SPÖ werden dazugewinnen – die einen mehr, die anderen weniger –, die Grünen verlieren, aber doch überleben, und statt der bürgerlichen Kleinparteien (Liste Fritz, Impuls und Family) kommt möglicherweise die andere (Neos) hinein.
Tirol nahm in Stadt und Land vorweg, was den Neos später im Bund gelingen sollte.