Die Alpen-Diva erfindet sich neu
Das Zentrum von Bad Gastein hat nach dem Verkauf der Häuser am Straubingerplatz die Chance zum Neubeginn. Weshalb der Ort einen hohen Coolnessfaktor hat. Ein Lokalaugenschein.
Im Juweliergeschäft Hügler am Straubingerplatz in Bad Gastein brennt wieder Licht. Doch im Inneren funkeln nicht teure Edelsteine. In dem seit Jahren leeren Geschäft steht ein Wald aus frischen Tannen. Die schlichten Bäume und die bröckelnde Eleganz des einstigen Nobelgeschäfts im Gebäude des Badeschlosses wirken wie eine Kunstinstallation. Natur trifft Geschichte.
Dabei sind die Bäume der Versuch, mit wenigen Mitteln das, was da ist, in Szene zu setzen. Bad Gastein hat begonnen, sein historisches Zentrum, das seit bald 20 Jahren vor sich hin dämmerte, zu bespielen. Die Besitzer hatten die Gebäude leer stehen und verfallen lassen. Jahrelang war nur vom Schandfleck der Kurstadt die Rede gewesen. Nun ist es anders.
Das Land Salzburg hat im Herbst um sechs Millionen Euro die einst prachtvollen Häuser den bisherigen Eigentümern Philippe Duval und Willibald Franz Wojnarowsky abgekauft. Nun sollen sie saniert werden. Die ungewöhnliche, aber umso stimmigere Dekoration im ehemaligen Juweliergeschäft ist nur ein Beispiel dafür, wie sich Bad Gastein seit einigen Jahren geschickt in Szene setzt.
Das einstige „Monte Carlo der Alpen“lebt seit mehr als 100 Jahren vom Tourismus. Es ist ein Ort der Gegensätze: hier der wilde Wasserfall mitten im Zentrum, dort die Pracht der Jahrhundertwendehotels. Hier der Berg, da die städtische Eleganz. Die illustre Vergangenheit als Heilbad der Aristokratie trifft auf die Gegenwart der Hipster aus Berlin, München oder Hamburg. Das war nicht immer so. Der Ort, der in den 80er-Jahren vom Niedergang geprägt war, hat einen Imagewandel hinter sich und die Kehrtwende geschafft. Die Gästezahlen gehen stetig nach oben.
Rund 1,1 Millionen Nächtigungen zählt der Ort pro Jahr – recht gleichmäßig über das Jahr verteilt. Die Men- schen kommen zum Skifahren, zum Wandern, Biken oder Klettern. Rund ein Fünftel sind Gesundheitsgäste. „Unser Publikum will untertags auf den Berg und am Abend in die Galerie oder in ein Konzert“, beschreibt Doris Höhenwarter, Geschäftsführerin des Kurund Tourismusverbandes Bad Gastein ihre Zielgruppe. Dass Bad Gastein nicht mehr als angegraute Kurstadt, sondern als gefragter „Place to be“wahrgenommen wird, hat mit Mut zur Lücke zu tun. „Wir haben uns jahrelang bei den Gästen entschuldigt, dass am Straubingerplatz alles leer steht. Dabei sind das nur fünf Häuser“, sagt Höhenwarter. Doch sie prägten das Image. „Wir mussten uns neu erfinden und haben angefangen, mit dem morbiden Charme zu spielen“, erzählt die gebürtige Bad Gasteinerin. Freiluftmuseum. Das historische Zentrum wurde zum Freiluftmuseum umgedeutet. Es gibt regelmäßige Führungen, eine App erzählt die Geschichten der alten Häuser. Vom deutschen Kaiser Wilhelm, der 20 Mal in Bad Gastein zur Kur war und in der europäischen Aristokratie den Ruf als nobles Bad begründete. Von Gustav Klimt, der sich hier ebenso inspirieren ließ wie Franz Schubert. Von Toni Sailer, der bei der legendären Ski-Weltmeisterschaft am Graukogel gewann und den Ruf als Wintersportdestination verbreitete.
Mit Veranstaltungen wie „Art on Snow“, „sommer.frische.kunst“oder dem Eiskletterwettbewerb „Urban Ice“trifft der Ort den Geschmack eines jungen, urbanen und zahlungskräftigen Publikums. Für das neue Outdoor-Vollmonddinner in Sportgastein tauschen Leute aus Europas Metropolen gern die Partykleidung gegen Hightech-Daunenjacken und Winterstiefel.
Hinter der Aufbruchstimmung stehen viele Menschen. Meist waren es – wie beispielsweise der Architekt Ike Ikrath oder der Hamburger Barbetreiber Olaf Krohne – Personen, die von außen kamen, sich in die Perle verliebten und das Potenzial des Orts neu entdeckten. Die alten Hotelkästen wurden nicht mehr als Bürde, sondern als Chance gesehen. Der Retro-Trend tat das seine, um den Hype um Bad Gastein zu befeu- Geschäftsführerin des Kur- und TourismusVerbandes. ern. Hotels wie das Miramonte, das Haus Hirt von Evelyn Ikrath oder das Regina entwickelten sich mit ihrem shabby Chic zu Traumdestinationen für Bartträger in Holzfällerhemden und ihre Familien. Der Oberösterreicher Helmut Burgstaller belebte das einst berühmte Hotel de L’Europe neu, der Schwede Ole´ Magnussen investierte rund 26 Millionen Euro in den Ort und betreibt mittlerweile sechs Hotels.
Dass jetzt auch am Straubingerplatz endlich Bewegung in die Pläne rund um Badeschloss, Hotel Straubinger und Postgebäude kommt, gibt dem Aufschwung einen zusätzlichen Drive. Die Straubingerplatz Immobilien GmbH, eine Tochtergesellschaft des Wachstumsfonds des Landes Salzburg, wird die denkmalgeschützten Häuser sanieren und ein Konzept entwickeln, um später an einen Investor zu verkaufen.
»Wir haben angefangen, mit dem morbiden Charme zu spielen.« »Derzeit läuft ein Architektenwettbewerb, nächstes Jahr wird umgebaut.«
Bis es soweit ist, hat Bad Gastein noch viel vor. Ein Strategiepapier soll definieren, wohin sich der Ort in Zukunft touristisch entwickeln will. „Ein Investor soll wissen, worauf er sich einlässt“, meint Höhenwarter. Dass dabei das Standbein Kunst weiter ausgebaut werden soll, ist fix. Im 1914 errichteten Kraftwerk beim Wasserfall, das regelmäßig für das Kreativfestival „sommer.frische.kunst“als Atelier genützt wird, soll zur permanenten Galerie werden. Höhenwarter und die Kunstsammlerin und Kuratorin Andrea von Goetz und Schwanenfliess, die ein Haus in Bad Gastein gekauft hat, denken auch an einen Co-Working-Space und einen Pop-up-Store. Derzeit läuft ein Architektenwettbewerb, 2019 soll umgebaut werden. Dass dabei das Flair des rohen Industriebaus erhalten bleibt, ist für die beiden selbstverständlich. Ein Projekt wird schon im Sommer starten: Eben wurde das Projekt „Kunst in der Auslage“ausgeschrieben. Im Sommer werden im Juweliergeschäft Hügler durch die Schaufenster statt der Tannen echte Kunstwerke zu sehen sein.