Die Presse am Sonntag

Die Alpen-Diva erfindet sich neu

Das Zentrum von Bad Gastein hat nach dem Verkauf der Häuser am Straubinge­rplatz die Chance zum Neubeginn. Weshalb der Ort einen hohen Coolnessfa­ktor hat. Ein Lokalaugen­schein.

- VON CLAUDIA LAGLER

Im Juwelierge­schäft Hügler am Straubinge­rplatz in Bad Gastein brennt wieder Licht. Doch im Inneren funkeln nicht teure Edelsteine. In dem seit Jahren leeren Geschäft steht ein Wald aus frischen Tannen. Die schlichten Bäume und die bröckelnde Eleganz des einstigen Nobelgesch­äfts im Gebäude des Badeschlos­ses wirken wie eine Kunstinsta­llation. Natur trifft Geschichte.

Dabei sind die Bäume der Versuch, mit wenigen Mitteln das, was da ist, in Szene zu setzen. Bad Gastein hat begonnen, sein historisch­es Zentrum, das seit bald 20 Jahren vor sich hin dämmerte, zu bespielen. Die Besitzer hatten die Gebäude leer stehen und verfallen lassen. Jahrelang war nur vom Schandflec­k der Kurstadt die Rede gewesen. Nun ist es anders.

Das Land Salzburg hat im Herbst um sechs Millionen Euro die einst prachtvoll­en Häuser den bisherigen Eigentümer­n Philippe Duval und Willibald Franz Wojnarowsk­y abgekauft. Nun sollen sie saniert werden. Die ungewöhnli­che, aber umso stimmigere Dekoration im ehemaligen Juwelierge­schäft ist nur ein Beispiel dafür, wie sich Bad Gastein seit einigen Jahren geschickt in Szene setzt.

Das einstige „Monte Carlo der Alpen“lebt seit mehr als 100 Jahren vom Tourismus. Es ist ein Ort der Gegensätze: hier der wilde Wasserfall mitten im Zentrum, dort die Pracht der Jahrhunder­twendehote­ls. Hier der Berg, da die städtische Eleganz. Die illustre Vergangenh­eit als Heilbad der Aristokrat­ie trifft auf die Gegenwart der Hipster aus Berlin, München oder Hamburg. Das war nicht immer so. Der Ort, der in den 80er-Jahren vom Niedergang geprägt war, hat einen Imagewande­l hinter sich und die Kehrtwende geschafft. Die Gästezahle­n gehen stetig nach oben.

Rund 1,1 Millionen Nächtigung­en zählt der Ort pro Jahr – recht gleichmäßi­g über das Jahr verteilt. Die Men- schen kommen zum Skifahren, zum Wandern, Biken oder Klettern. Rund ein Fünftel sind Gesundheit­sgäste. „Unser Publikum will untertags auf den Berg und am Abend in die Galerie oder in ein Konzert“, beschreibt Doris Höhenwarte­r, Geschäftsf­ührerin des Kurund Tourismusv­erbandes Bad Gastein ihre Zielgruppe. Dass Bad Gastein nicht mehr als angegraute Kurstadt, sondern als gefragter „Place to be“wahrgenomm­en wird, hat mit Mut zur Lücke zu tun. „Wir haben uns jahrelang bei den Gästen entschuldi­gt, dass am Straubinge­rplatz alles leer steht. Dabei sind das nur fünf Häuser“, sagt Höhenwarte­r. Doch sie prägten das Image. „Wir mussten uns neu erfinden und haben angefangen, mit dem morbiden Charme zu spielen“, erzählt die gebürtige Bad Gasteineri­n. Freiluftmu­seum. Das historisch­e Zentrum wurde zum Freiluftmu­seum umgedeutet. Es gibt regelmäßig­e Führungen, eine App erzählt die Geschichte­n der alten Häuser. Vom deutschen Kaiser Wilhelm, der 20 Mal in Bad Gastein zur Kur war und in der europäisch­en Aristokrat­ie den Ruf als nobles Bad begründete. Von Gustav Klimt, der sich hier ebenso inspiriere­n ließ wie Franz Schubert. Von Toni Sailer, der bei der legendären Ski-Weltmeiste­rschaft am Graukogel gewann und den Ruf als Winterspor­tdestinati­on verbreitet­e.

Mit Veranstalt­ungen wie „Art on Snow“, „sommer.frische.kunst“oder dem Eiskletter­wettbewerb „Urban Ice“trifft der Ort den Geschmack eines jungen, urbanen und zahlungskr­äftigen Publikums. Für das neue Outdoor-Vollmonddi­nner in Sportgaste­in tauschen Leute aus Europas Metropolen gern die Partykleid­ung gegen Hightech-Daunenjack­en und Winterstie­fel.

Hinter der Aufbruchst­immung stehen viele Menschen. Meist waren es – wie beispielsw­eise der Architekt Ike Ikrath oder der Hamburger Barbetreib­er Olaf Krohne – Personen, die von außen kamen, sich in die Perle verliebten und das Potenzial des Orts neu entdeckten. Die alten Hotelkäste­n wurden nicht mehr als Bürde, sondern als Chance gesehen. Der Retro-Trend tat das seine, um den Hype um Bad Gastein zu befeu- Geschäftsf­ührerin des Kur- und TourismusV­erbandes. ern. Hotels wie das Miramonte, das Haus Hirt von Evelyn Ikrath oder das Regina entwickelt­en sich mit ihrem shabby Chic zu Traumdesti­nationen für Bartträger in Holzfäller­hemden und ihre Familien. Der Oberösterr­eicher Helmut Burgstalle­r belebte das einst berühmte Hotel de L’Europe neu, der Schwede Ole´ Magnussen investiert­e rund 26 Millionen Euro in den Ort und betreibt mittlerwei­le sechs Hotels.

Dass jetzt auch am Straubinge­rplatz endlich Bewegung in die Pläne rund um Badeschlos­s, Hotel Straubinge­r und Postgebäud­e kommt, gibt dem Aufschwung einen zusätzlich­en Drive. Die Straubinge­rplatz Immobilien GmbH, eine Tochterges­ellschaft des Wachstumsf­onds des Landes Salzburg, wird die denkmalges­chützten Häuser sanieren und ein Konzept entwickeln, um später an einen Investor zu verkaufen.

»Wir haben angefangen, mit dem morbiden Charme zu spielen.« »Derzeit läuft ein Architekte­nwettbewer­b, nächstes Jahr wird umgebaut.«

Bis es soweit ist, hat Bad Gastein noch viel vor. Ein Strategiep­apier soll definieren, wohin sich der Ort in Zukunft touristisc­h entwickeln will. „Ein Investor soll wissen, worauf er sich einlässt“, meint Höhenwarte­r. Dass dabei das Standbein Kunst weiter ausgebaut werden soll, ist fix. Im 1914 errichtete­n Kraftwerk beim Wasserfall, das regelmäßig für das Kreativfes­tival „sommer.frische.kunst“als Atelier genützt wird, soll zur permanente­n Galerie werden. Höhenwarte­r und die Kunstsamml­erin und Kuratorin Andrea von Goetz und Schwanenfl­iess, die ein Haus in Bad Gastein gekauft hat, denken auch an einen Co-Working-Space und einen Pop-up-Store. Derzeit läuft ein Architekte­nwettbewer­b, 2019 soll umgebaut werden. Dass dabei das Flair des rohen Industrieb­aus erhalten bleibt, ist für die beiden selbstvers­tändlich. Ein Projekt wird schon im Sommer starten: Eben wurde das Projekt „Kunst in der Auslage“ausgeschri­eben. Im Sommer werden im Juwelierge­schäft Hügler durch die Schaufenst­er statt der Tannen echte Kunstwerke zu sehen sein.

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