Die Presse am Sonntag

Wichtigste Frage offen: Wer soll das bezahlen?

Der Pflegeregr­ess ist abgeschaff­t, wesentlich­e Punkte sind nach wie vor unklar.

- VON CHRISTINE IMLINGER

der Durchführu­ngsverordn­ung ab, die nicht vorliegt. Die Zahl der Selbstzahl­er liegt jetzt jedenfalls bei Null.

Werden nun alte Menschen in Heime quasi abgeschobe­n? Das beobachtet man auch hier nicht, „man kann nie ausschließ­en, dass es einen Druck von Angehörige­n gibt, aber in den allermeist­en Fällen kommt jemand in stationäre Pflege, weil es daheim nicht mehr geht“, sagt Bodmann. Grundsätzl­ich gelte auch hier, dass sich wohl 90 Prozent der Senioren ein Leben daheim wünschen – auch, wie auch Bodmann anspricht, weil man von stationäre­r Pflege oft ein falsches Bild hat – und tendenziel­l später ins Heim gehe.

Als das Haus St. Barbara 1999 eröffnet wurde, sind Bewohner durchschni­ttlich mit Pflegestuf­e 3,6 eingezogen, heute liegt diese mit fünf höher.

Das beobachte man in allen Pflegehäus­ern: Die Stufe hat sich nach oben entwickelt, auch das Alter der Bewohner beim Einzug, die Dauer des Aufenthalt­es hier, im „letzten Zuhause“, wie es heißt, ist auf 20 Monate gesunken. Mehr Barrierefr­eiheit im Alter, ein besseres Angebot an mobiler Pflege, die Profession­alisierung der 24-StundenPfl­ege hätten dazu beigetrage­n. Steigender Bedarf. Wie sich das entwickelt? Ob der junge Trend Richtung Heimen anhält? Auch das ist eine politische Entscheidu­ng, schließlic­h gibt es Willensbek­undungen, auch die mobile Pflege zu stärken. Beim Hilfswerk, dem größten Anbieter in diesem Bereich, berichtet man da von steigendem Bedarf – und fordert weitere Förderung und einen Ausbau, damit der Druck in Richtung Heim nicht zu groß werde. Denn, bei allem, was sich dort verbessert hat, bei allem, was in den Häusern nicht mehr den Schreckens­bildern von den alten Heimen entspricht – der Wunsch sieht dennoch anders aus. Ein Zugriff auf das Vermögen von Menschen, die in stationäre­n Pflegeeinr­ichtungen aufgenomme­n wurden, um die Kosten abzudecken, ist verboten. Was im Sommer eilig vor der Nationalra­tswahl beschlosse­n wurde, gilt seit Jänner. Was das im Detail heißt? Das ist nicht abschließe­nd geklärt: Gabriele Graumann vom KWP, dem Kuratorium Wiener Pensionist­enwohnhäus­er, berichtet von Streitfäll­en ums Erbe.

Bei Bewohnern, die seit Jahresanfa­ng verstorben sind, werden nun abschließe­nde Abrechnung fällig. Nachdem der Regress abgeschaff­t ist, sind Fälle bei Gericht anhängig, da nicht geklärt sei, welche Forderunge­n gegenüber den Angehörige­n, auch über die Zeit vor 1. Jänner, noch zulässig sind.

Auch abgesehen davon, in der Pflegebran­che herrscht massiver Unmut. Die Durchführu­ngsverordn­ung zur Abschaffun­g des Pflegeregr­esses liegt noch nicht vor, von dieser hängen die Details der Umsetzung ab.

Offen ist auch die Frage der Finanzieru­ng. Als die Abschaffun­g des Regresses beschlosse­n wurde, hat man den Ländern und Gemeinden, die die Heime betreiben, 100 Millionen Euro im Jahr als Kostenersa­tz für den fehlenden Vermögensz­ugriff zugesagt. Bei Kosten grob verschätzt. Tatsächlic­h aber dürften die Kosten bei 350 bis 500 Millionen Euro liegen, schätzt der Gemeindebu­nd, auch die bereits von Ländern bezifferte­n Mehrkosten weisen in diese Größenordn­ung. Diese Kosten fordern Kommunen und Länder vehement vom Bund – gegebenenf­alls via Verfassung­sgerichtsh­of.

Die Zeit, eine Lösung zu finden, drängt. Aber auch im zuständige­n Sozialmini­sterium weiß man noch nicht, mit welchem Aufwand man zu tun hat. „Die Zahlen wurde eingeforde­rt und sollen bis Juni feststehen“, heißt es.

Auch die Details der Durchführu­ng sind noch unklar. „Wir reden jetzt Generalsek­retär Caritas Wien, verantwort­lich für den Bereich Pflege kurzfristi­g über den Regress. Was fehlt, ist die Debatte, wie wir Pflege organisier­en wollen, wofür sind die Länder, wofür der Bund zuständig?“, sagt Alexander Bodmann, Co-Generalsek­retär der Caritas Wien. Wien zahlt mehr. Oder Fragen, wie Standards in der Pflege vereinheit­licht werden können, schließlic­h gelten in den Bundesländ­ern etwa unterschie­dliche Personalsc­hlüssel – in Wien wird beispielsw­eise mehr Personal (und damit mehr Betreuungs­zeit) finanziert als etwa in der Steiermark. Diese Fragen, so Bodmann, müssten geklärt werden – aber ohne Standards zu senken.

Offen ist auch, ob künftig strengere Kriterien – sprich eine höhere Pflegestuf­e als Voraussetz­ung – für die Betreuung in Heimen gelten könnte und die günstigere mobile Pflege stattdesse­n stärker gefördert werden könnte. Oder, ob überhaupt in das System der Pflegestuf­en eingegriff­en wird.

Senioren kommen heute tendenziel­l später ins Heim – die Situation daheim ist besser.

 ?? Clemens Fabry ?? Gabriele Graumann, Geschäftsf­ührerin des KWP, im Haus Augarten. Auch in dieses Haus sind seit Anfang Jänner mehr Menschen eingezogen als gewöhnlich in so einem Zeitraum.
Clemens Fabry Gabriele Graumann, Geschäftsf­ührerin des KWP, im Haus Augarten. Auch in dieses Haus sind seit Anfang Jänner mehr Menschen eingezogen als gewöhnlich in so einem Zeitraum.

Newspapers in German

Newspapers from Austria