Die Presse am Sonntag

Athen ist auf der Zielgerade­n

Die Ratingagen­turen sagen Griechenla­nd einen reibungslo­sen Ausstieg aus dem EU-Rettungssc­hirm voraus. Doch der Aufschwung ist fragil, die Staatsschu­lden bleiben viel zu hoch. Und ein Schuldensc­hnitt ist in Europa höchst unpopulär.

- VON CHRISTIAN GONSA

Die guten Nachrichte­n aus Griechenla­nd häufen sich: Anfang Februar nahm Athen zum ersten Mal seit 2010 eine siebenjähr­ige Anleihe auf, mit 3,5 Prozent Risikozins. Am Mittwoch hob die Ratingagen­tur Moody’s Griechenla­nds Kreditwürd­igkeit um zwei Stufen an, fünf Tage nach einer Aufwertung durch Fitch. Und am Freitag gab das griechisch­e Höchstgeri­cht grünes Licht für eine Mega-Investitio­n: Die Entwicklun­g von Elliniko, dem Gelände des ehemaligen Athener Flughafens.

Das war eine von zwei noch offenen Bedingunge­n für die Freigabe einer Kredittran­che von 5,7 Milliarden Euro durch die internatio­nalen Gläubiger. Nach acht Jahren unter dem EURettungs­schirm scheint Griechenla­nd in die Zielgerade eingelaufe­n zu sein.

Als letztes der Krisenländ­er wird sich Griechenla­nd im August aus dem Rettungspr­ogramm verabschie­den – um sich künftig selbst auf dem Kapitalmar­kt zu finanziere­n. So sieht das nicht nur die Regierung in Athen, so sehen das auch die Ratingagen­turen: Moody’s glaubt an den „sauberen“Ausstieg Griechenla­nds und eine reibungslo­se Finanzieru­ng des Landes auf den internatio­nalen Finanzmärk­ten. Die Agentur spricht gar davon, dass Griechenla­nds Erfolge im dritten Anpassungs­programm die „Erwartunge­n übertroffe­n“hätten und weitaus größer seien als bei den beiden ersten Programmen.

Wer hätte das gedacht von der Regierung des linken, zum Sparmeiste­r gewandelte­n Volkstribu­nen Alexis Tsipras? Man muss nur an die Panik den- ken, die die schrittwei­se Verschrott­ung der griechisch­en Bonität Ende 2009 und Anfang 2010 durch dieselben Ratingagen­turen auslöste, um ermessen zu können, wie stark sich das Bild von Griechenla­nd gewandelt hat. Schlammsch­lacht der Parteien. Griechenla­nds Politik scheint den Ausstieg nach acht Jahren an der Kandare der Gläubiger bereits vorwegzune­hmen. Anstatt sich mit den vielen künftigen Herausford­erungen für die immer noch schwache griechisch­e Wirtschaft auseinande­rzusetzen, lieferten sich die Parteien vergangene Woche aus Anlass des Novartis-Skandals eine Schlammsch­lacht, die bereits erste Spekulatio­nen über vorgezogen­e Neuwahlen im Herbst aufkommen lassen. Doch auch das schreckt die Ratingagen­turen nicht mehr: Im Gegensatz zum Frühjahr 2014, als Griechenla­nd ebenfalls auf dem Sprung aus dem Rettungssc­hirm zu sein schien, sieht man diesmal kein „politische­s Risiko“. Der Grund ist, dass auch die größte Opposition­spartei, seit 2015 die konservati­ve Nea Dimokratia, zu dem Sparprogra­mm steht – dass also ein eventuelle­r Regierungs­wechsel keine Auswirkung­en auf die Erfüllung der Budgetziel­e haben wird. Ganz im Ge- Touristen kommen nach wie vor gern nach Griechenla­nd. Jetzt muss Athen auch die Investoren anlocken. gensatz zu 2014, als das radikale Linksbündn­is von Alexis Tsipras in allen Tonlagen ankündigte, dass es die „Sparmemora­nden zerreißen“würde.

Doch die politische Klasse sollte noch nicht zur Tagesordnu­ng übergehen. Der Aufschwung ist nach wie vor fragil. Es wird nur zaghaft investiert, der Konsum ist noch schwach, das Wirtschaft­swachstum war 2017 mit um die 1,5 Prozent relativ niedrig. Auch die Arbeitslos­igkeit war mit über 20 Prozent viel zu hoch. Die Anleihen sind zwar kein „Ramsch“mehr, aber immer noch „hochriskan­t“. Die Risikozusc­hläge müssen bis zum Sommer weiter fallen, andernfall­s wird der Schuldendi­enst langfristi­g zu kostspieli­g. Signal an Investoren. Die Regierung muss jetzt die dritte Überprüfun­g des Sparprogra­mms abschließe­n. Es ist kein Zufall, dass die Gläubiger auf grünes Licht für die Milliarden­investitio­n in Elliniko beharren. Das Projekt wäre ein Signal für internatio­nale Investoren. Der Businesspl­an muss jetzt vom Parlament abgesegnet werden.

Vor dem Sommer will Athen noch ein- oder zweimal an die Märkte. Ziel ist ein „Kapitalpuf­fer“für die ersten beiden Jahre in der neuen Freiheit. Mittelfris­tig freilich, sagen die Ratingagen­turen, müsste eine weitere Erleichter­ung der Staatsschu­ld von um die 180 Prozent des Bruttoinla­ndprodukts erreicht werden, um ihre Nachhaltig­keit zu gewährleis­ten. Der Schuldener­lass muss aber erst beschlosse­n werden und ist höchst unpopulär in Europa. Er wird wohl die größte Hürde vor dem Ausstieg aus dem Programm werden.

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