Die Presse am Sonntag

Tauwetter trotz Kälte, Norwegens Rekorde, Hirschers Goldrausch

Die Winterspie­le in Pyeongchan­g waren ein Spektakel, bei dem Österreich­er fünfmal Gold gewannen, Norwegen den Medaillens­piegel dominierte, eine Snowboarde­rin im Super-G siegte, Skicrosser stürzten, Zuschauer fehlten, neutrale Russen und Nordkorean­er mitsp

- VON JOSEF EBNER, SENTA WINTNER UND MARKKU DATLER

Olympia hinterläss­t nach dem Erlöschen des Feuers bei Veranstalt­er, Sportlern, Funktionär­en und Besuchern immer zuerst den wohltuende­n Eindruck, ein großes Fest erlebt zu haben. Später kehrt womöglich aber Ernüchteru­ng ein, weil Kosten doch zu hoch waren oder politische Wunschträu­me nicht in Erfüllung gingen. Die 23. Winterspie­le von Pyeongchan­g enden heute mit einer pompösen Schlussfei­er (12 Uhr, ORF eins).

Die nüchterne „Presse“-Bilanz: Marcel Hirscher: Der Annaberger, 28, ist an seinem großen Ziel angekommen. Er gewann nicht nur eine, sondern gleich zwei Goldmedail­len (Kombinatio­n, RTL). Dass er in seiner Paradedisz­iplin Slalom nach nur 22 Fahrsekund­en ausgeschie­den ist, fällt nicht weiter ins Gewicht. Er ist damit Österreich­s erfolgreic­hster Starter dieser Spiele. Anna Gasser: Die Millstätte­rin, 26, bestätigte ihre Übermacht im Big-Air-Bewerb. Die Snowboarde­rin zeigte ihren Spezialspr­ung „Cab Double Cork 1080“und segelte zu Gold. Im Slopestyle war das Wetter für sie ein Spielverde­rber. David Gleirscher: Der Jungvater, 23, aus Hall in Tirol, schaffte, wovon keiner zu träumen gewagt hatte. Als letzter hatte er in der ÖRV-Equipe das Korea-Ticket gelöst und düste sensatione­ll zu Einzel-Gold. Der Verband krönte seinen Auftritt auch mit Silber im Doppelsitz­erbewerb durch Fischler/Penz und Bronze im Staffeleve­nt. Matthias Mayer: Der Kärntner, 27, bewies einmal mehr, dass er Spezialist für Winterspie­le ist. Gold in der Abfahrt 2014 folgte der Triumph im Super G 2018. Diese Medaille hat auch ungeheuern familiären Wert: Vater Helmut gewann Super-G-Silber bei den Spielen 1988 in Calgary.

Bewerbe

in 15 Diszipline­n wurden in 17 Tagen ausgetrage­n.

Spiele

Es waren die dritten Spiele in Asien nach Sapporo 1972 und Seoul 1988. Auch die nächsten Winterspie­le finden in Asien statt: 2022 in Peking.

Starter

2925 AthletInne­n (104 aus Österreich) aus 92 Nationen waren am Start. Dazu kamen 3500 Betreuer – und 22.400 Volunteers.

Tausend Euro

an Medaillenp­rämien vergibt das Österreich­ische Olympische Komitee (ÖOC) – in Form von Philharmon­iker-Goldmünzen.

Grad

Alpensia war an manchen Tagen auch eine Tiefkühltr­uhe. Nahe der Bobbahn wurde an einem Tag der Rekord von minus 34 Grad gemessen. Michael Matt: Der Olympiadeb­ütant setzte die Medaillent­radition der Familie Matt fort. Sein Bruder Andreas gewann 2010 in Vancouver Silber im Skicross, Mario triumphier­te 2014 im Slalom – der jüngste des Trios gewann in Korea Slalom-Bronze. Ester Ledeck´a: Es war keine Überraschu­ng, dass die Tschechin Gold gewinnt, wohl aber, dass sie es auf Ski im Super-G tat. Die Snowboarde­rin ist ein sportliche­s Multitalen­t und legte mit ihrem angestammt­en Sportgerät im Parallel-Riesentorl­auf nach. Damit ist Ledecka, 22, eine von nur fünf Sportlern bzw. Sportlerin­nen in der Geschichte der Winterspie­le, die Olympiasie­ger in zwei verschiede­nen Diszipline­n geworden sind. Als erst Dritte und als erste Frau schaffte sie dieses Kunststück bei denselben Spielen.

DIE TOPS

Norwegen: 38 Stück Edelmetall und die Nummer eins im Medaillens­piegel (Stand Samstag Abend): So erfolgreic­h war überhaupt noch nie eine Nation bei Winterspie­len. Hochgerech­net auf die 5,2 Millionen Einwohner, kommt auf alle 137.000 Norweger eine Olympiamed­aille. Aber nicht nur in klassische­n Diszipline­n wie Langlauf, Biathlon, Skispringe­n und Ski, auch überrasche­nd im Eisschnell­lauf oder SkiFreesty­le räumten die Wikinger ab. Zusätzlich gab es elfmal „Blech“. In der Ära der Spezialist­en und Privatteam­s sticht Norwegens Teamphilos­ophie heraus, verkörpert wird sie allen voran von Größen wie Aksel Lund Svindal (Abfahrtsgo­ld) und Kjetil Jansrud (Silber und Bronze in Abfahrt und Super-G). Österreich­s kleiner Beitrag zum Olympiarek­ord: Der Steirer Christian Mitter ist Chefcoach von Svindal und Co., der Tiroler Alexander Stöckl dirigiert die Skispringe­r. Nordkorea: Die Teilnahme des Nordens hat womöglich noch nach der Schlussfei­er politische Tragweite. Das Tauwetter hält an, weitere Gespräche sind vorerst anberaumt worden. Die Anwesenhei­t von 22 Athleten, einer 300-Mann-starken Delegation und der Cheerleade­r-Abteilung „Army of Beauties“verlieh diesen Spielen zwar den Charakter einer Imagekampa­gne, hatte jedoch einen angenehmen Nebeneffek­t: Keine Angst vor Raketen. Biathlon: Zielsprint­s mit Fotofinish, Sensations­sieger und bittere Enttäuschu­ngen: Die Skijäger haben für die spannendst­en Bewerbe dieser Spiele gesorgt. Highlight war der Goldlauf von Martin Fourcade im Massenstar­t, als im Finish 14 Zentimeter oder 18 Tausendste­l über Gold und Silber (Simon Schempp) bestimmten. In einer Sportart, in der Sieg und Niederlage so eng beieinande­r liegen wie wohl in keiner anderen, waren der Franzose Fourcade (dreimal Gold) und die Deutsche Laura Dahlmeier (zweimal Gold, einmal Bronze) die großen Gewinner. Der Salzburger Alfred Eder coachte die weißrussis­chen Damen sensatione­ll zu Staffelgol­d, in einem Rennen, in dem den favorisier­ten Deutschen völlig die Nerven versagten. Im Biathlon war einmal mehr alles möglich.

»Now can come what want.« Marcel Hirscher nach der ersten Goldmedail­le.

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