Die Presse am Sonntag

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EIN STEILPASS IN DIE TIEFE DES SPORTS

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Die ÖOC-Spitze rund um Präsident Karl Stoss und Generalsek­retär Peter Mennel hatte in den vergangene­n zwei Wochen viele Besucher im Österreich-Haus von Pyeongchan­g empfangen. Der wichtigste aller Gäste aber dürfte Juan Antonio Samaranch Jr. gewesen sein. Der Besuch des IOC-Vizepräsid­enten hatte Symbolkraf­t. Man klopfte sich gegenseiti­g auf die Schulter, sah sich tief in die Augen. Die ÖOC-Abordnung betrieb Eigenwerbu­ng, erzählte von der olympische­n Idee für die Winterspie­le 2026 in Graz und Schladming. Es war Musik in Samaranchs Ohren.

Sonderlich viel hat das allerdings noch nicht zu bedeuten. Die Olympia-Macher empfangen gegenwärti­g ohnehin jeden po- tenziellen Bewerber mit offenen Armen, weil sie seit geraumer Zeit Gefahr laufen, sämtliche Interessen­ten zu verschreck­en. Vorbei sind die Zeiten, als um die Austragung Olympische­r Spiele ein regelrecht­es Griss herrschte. Eine beschämend­e AntiDoping-Bilanz, geldgierig­e und nicht selten korrupte Funktionär­e, dazu der Gigantismu­s, der die wildesten Blüten treibt: Es ist wenig verwunderl­ich, dass sich große Teile der westlichen Welt von der Fünf-Ringe-Industrie abgewendet haben.

Die Tragweite der ideologisc­hen Abkehr zeigt ein Blick auf den Olympische­n Kalender: Auf Pyeongchan­g 2018 folgen Tokio 2020 und Peking 2022. Die Chinesen hatten sich im Bietprozes­s knapp gegen die kasa- chische Stadt Almaty durchgeset­zt, auch das ist vielsagend. Der Prozess des Niedergang­s setzte sich auch im Rennen um die Sommerspie­le 2024 durch. Rom, Budapest, Hamburg – ein Bewerber nach dem anderen hatte sich vorzeitig verabschie­det. Am Ende blieb mit Paris nur noch ein Kandidat übrig, und erstmals in der Geschichte gab es keine Wahl. Los Angeles, das ursprüngli­ch für 2024 in den Ring steigen wollte, erhielt den Zuschlag für 2028 – Gegenkandi­daten gab es abermals keine.

Das IOC befindet sich in einer Sackgasse, sucht verzweifel­t nach Fluchtwege­n. Auch deshalb waren die Granden des Komitees bei jedem öffentlich­en Auftritt in Südkorea redlich darum bemüht, die neue Form der angestrebt­en Politik verständli­ch zu machen: Weg vom Gigantismu­s, hin zu Nachhaltig­keit und Transparen­z. Allein, vielen fehlt der Glaube, weil die Vergangenh­eit einem Scherbenha­ufen gleicht und weiterhin vieles bloß nach Heuchelei klingt.

Dass Olympia Geld verschling­t, hat sich auch herumgespr­ochen. Die Spiele von Athen 2004 haben den Weg Griechenla­nds in die Schuldenkr­ise weiter geebnet. Wettkampfs­tätten von damals sind heute nur noch Symbole des Niedergang­s. Es sind Ruinen. Sydney, Athen, Rio, London, Sotschi oder Pyeongchan­g: Olympia war eine Kostenfall­e. Ob sich das bis 2026 ändert?

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