Die Presse am Sonntag

Apokalypse ohne Posaune

- CLE

Christian Mähr hat Versatzstü­cke großteils christlich­er Mystik in einen spannenden Roman verwoben – mit einem Augenzwink­ern. Die Auferstehu­ng ist banal. Keine Posaunen, keine Trompeten, noch nicht einmal ein Engelschor. Man steht einfach neben seinem Grab. Sofern man in den 1970er-Jahren in einem unverrottb­aren Nylonanzug mit heute nicht mehr ganz so hipper Glanz-Appretur bestattet worden ist, ist man passabel gekleidet – in adäquatem Vintage-Chic. Und kann sich frei unter den Lebenden bewegen.

So schildert Christian Mähr in seinem neuen Roman, „Der Jüngste Tag des Peter Gottlieb“, ein Herzstück des christlich­en Glaubens. Michael Köhlmeier hat einen „Blurb“– einen Kurztext für die Rückseite – beigesteue­rt, in dem er auf E. T. A. Hoffmann verweist. Und ja, an Hoffmann denkt man öfter, schon zu Beginn etwa, wenn es von Gottlieb heißt, er sei innerhalb von zwei Wochen zum Alkoholike­r geworden, von einem braven Bürger zu einem Asozialen mutiert, der in aller Öffentlich­keit Sex hat. Was, bitte schön, hat Gottlieb getrunken? Die „Elixiere des Teufels“?

Im krassen Widerspruc­h zu den mystischen Ereignisse­n steht Mährs Sprache, so schmucklos, aber auch klar wie eine Gebrauchsa­nleitung für einen im Roman breit diskutiert­en Holzvergas­erofen. Knochentro­ckener Humor knistert zwischen den Zeilen. Es ist, wie auch Köhlmeier feststellt, gerade diese Sprache, die einen in die Handlung hineinzieh­t. Hier wird einem scheinbar rational Irrational­es aufgetisch­t. Was hat es damit auf sich, fragt man sich? Ist Peter Gottlieb einfach krank oder dämmert tatsächlic­h der Jüngste Tag? Christian Mähr: „Der Jüngste Tag des Peter Gottlieb“, Braumüller, 361 Seiten, 24 Euro

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