Florian will nicht mehr Generation Merkel sein
In diesen Tagen stimmen die SPD-Mitglieder über die nächste Regierung ab. Auch der 15-jährige Florian.
Am Valentinstag
(14. 2.) hat ein Schüler in Parkland, Florida, 17 Menschen an seiner, der Marjory Stoneman Douglas High School erschossen.
Schülerprotest
Seither protestieren Teenager in Florida auf verschiedenste Weise gegen die amerikanischen Waffengesetze. Die Erste war
jene 18-jährige Schülerin der Marjory High School (siehe kleines Bild), die am vergangenen Wochenende eine bemerkenswerte und im Internet viel geteilte Rede hielt, in der sie Politiker, die Spenden von der Waffenlobby annehmen würden – also auch USPräsident Donald Trump – ausrichtete: „Schande über euch!“.
Gonzalez, Am Montag
legten sich Dutzende Teenager vor dem Weißen Haus auf die Straße, um gegen die zu lockeren Waffengesetze zu protestieren, am
gingen Schüler in ganz Florida auf die Straße, um dasselbe zu tun.
Mittwoch Emma Präsident Trump
traf am Mittwoch Überlebende des jüngsten Shootings. Er versprach zwar eine strengere Überprüfung von potenziellen Waffenkäufern und kann sich eine Erhöhung des Mindestalters für den Kauf von Sturmgewehren vorstellen. Vor allem setzt Trump aber auf mehr Waffen an Schulen. Er will Lehrer bewaffnen. In den groben Zügen hat sich dieses Deutschland seit dem 21. April 2002 kaum verändert. Berlin war damals schon Hauptstadt, die D-Mark schon aus den Geldbörsen verschwunden, und Angela Merkel schon CDU-Chefin. Es gibt die Generation X, die Generation Y. Florian Iszovics, geboren am 21. April 2002, zählt wohl zur Generation Merkel. Die Frau im Blazer und Hosenanzug regiert Deutschland, seit er denken kann. Ein ganzes junges Leben lang. „Leider“, sagt der 15-Jährige. „Meine Generation hat das Gefühl: Merkel wird für immer bleiben. Es ändert sich nichts. Das lähmt!“
Florian will nicht mehr Generation Merkel sein. Auch deshalb ist er seit einem Jahr SPD-Mitglied. Und deshalb ist er jetzt in einer ziemlich außergewöhnlichen Situation. Florian darf mit seinen 15 Jahren zwar noch nicht an einer Bundestagswahl teilnehmen, aber als SPD-Mitglied (Mindestalter: 14) schon über die Große Koalition (GroKo) abstimmen, also das Zustandekommen der nächsten Regierung. Das ist umstritten. „Wer sich mit 14 oder 15 in einer Partei engagiert, ist auch reif genug, um abzustimmen“, kontert Florian. Kandidatur. Der 15-Jährige hat Pläne. Im Frühjahr kandidiert er für den SPDVorsitz in seiner Heimat Bad Tölz, also jenem pittoresken bayrischen Kurort, in dem einst TV-Kommissar Ottfried Fischer ermittelte. Florians Papa, kein SPD-Anhänger, erzählt stolz, dass der Junior schon mit vier Jahren als Traumjob „Bürgermeister“angab. Das könnte schwierig werden. Bad Tölz, 18.000 Einwohner, ist eine CSU-Festung, die SPD bei der Wahl auf Platz vier gelandet.
Florian brennt für Politik. Er ist damit nicht die Norm. In seiner Klasse sei er „eigentlich der Einzige“mit einem solchen Interesse gewesen. Politik sei mit den „Gesetzestexten und der ganzen Bürokratie“auch eine spröde Materie. Auf den ersten Blick. Von extremen Ereignissen nehme seine Generation aber schnell Notiz, sagt Florian. Den Krawallen am Hamburger G20-Gipfel, den Plünderungen, sah sie am Handy zu.
Es ist bemerkenswert, wie wenig die Archive zu den politischen Einstellungen der deutschen Jugend ausspucken. Ein paar grobe Befunde gibt es: Die Parteibindung nimmt ab, das Angebot zu, genauso wie die Vielfalt der Nachrichten. Fake News inklusive. Die Wahlbeteiligung ist unter jüngeren Wählern niedriger als im Schnitt, was aber nicht als Politikverdrossenheit missgedeutet werden sollte. Einer Shell-Studie zufolge engagiert sich der Nachwuchs immer mehr politisch, durch den Boykott von Waren zum Beispiel oder Onlinepetitionen. Aber ein Parteibuch hat kaum noch jemand.
Der 15-jährige Florian greift nach dem SPD-Ortsvorsitz im oberbayrischen Bad Tölz.
Das Angebot der Parteien an junge Menschen ist auch mickrig, vielleicht deshalb, weil die über 70-Jährigen inzwischen die größte Wählergruppe in Deutschland stellen. Und natürlich gibt es das Klischee, dass sich ein 15-Jähriger eher für Mädchen als für Martin Schulz interessiert. Wobei der „Schulz-Effekt“Florian in die Partei brachte. Als Schulz vor einem Jahr SPD-Chef wurde, kletterte die Partei in den Umfragen so weit nach oben, dass ein Machtwechsel möglich schien.
Inzwischen hat Schulz die Wahl verloren und mehrere 180-Grad-Wenden hingelegt. Er wollte keine GroKo und auch nicht Außenminister unter Merkel sein, und dann wollte er beides doch. „Wortbruch“nennt das Florian. Er hat jetzt eine neue Galionsfigur: Juso-Chef Kevin Kühnert. Und eine alte: Ex-Kanzler Willy Brandt. Auf Florians Schreibtisch steht ein Bild, das Brandt entspannt mit Gitarre in der Hand zeigt. „Das erinnert mich daran, dass man mal zur Ruhe kommen muss“, sagt Florian. Eine Profiantwort.
Seinen Abstimmungszettel hat er auf Twitter hochgeladen. Florian hat „Nein“angekreuzt. Keine GroKo. Er ist damit auf einer Linie mit den Jusos. Wortreich und druckreif erklärt Florian, warum der Koalitionsvertrag die Handschrift von CDU/CSU trage („ein sehr schwarzes Papier“) und er keine „österreichischen Verhältnisse“wolle, also die ewige, immer weiter schrumpfende Große Koalition. Und Florian will auch nicht mehr Generation Merkel sein.