Die Presse am Sonntag

»Männer dürfen Fehler machen«

In den Kinos ist Meryl Streep derzeit als erste weibliche Verlegerin der »Washington Post« zu sehen. Wieso sie Zeitungen in der heutigen Zeit für äußerst wichtig hält und warum sie noch nie mit Tom Hanks gedreht hatte, erzählt die Schauspiel­erin im Interv

- VON P A T R I C K H E I D M A N N U N D E D U A R D O G R A ¸C A

Die dreifache Oscar-Preisträge­rin Meryl Streep ist aktuell als Katharine Graham, erste weibliche Verlegerin der „Washington Post“in den 1970er-Jahren, zu sehen. Auch für diese Rolle wurde Streep als beste Hauptdarst­ellerin für einen Academy Award nominiert. Wissen Sie eigentlich, ob Ihr Kollege Tom Hanks für „Die Verlegerin“womöglich besser bezahlt wurde als Sie? Meryl Streep: Ich habe gute Nachrichte­n: Wir bekamen beide das gleiche Honorar. Wobei ich gestehen muss, dass ich das zu Drehbeginn noch nicht wusste. Ich hatte nicht nachgefrag­t. Tom und ich haben uns beide erst damit beschäftig­t, als es zuletzt medial verstärkt darum ging. Aber keine Frage, das Thema ist wichtig. Apropos wichtige Themen: Warum ist die Veröffentl­ichung der Pentagon-Papiere 1971, um die es im Film geht, auch heute noch eine relevante Geschichte? Es geht, vereinfach­t gesagt, um die Wichtigkei­t des Journalism­us. Zeitungen wie die „New York Times“oder eben die „Washington Post“sind heutzutage eine der letzten Bastionen, was die Wahrheit angeht. Echter Journalism­us ist dazu da, uns mit Fakten zu versorgen. Und heute ist es bekanntlic­h wichtiger denn je, sich auf glaubwürdi­ge Quellen verlassen zu können, wenn wir die Mächtigen dieser Welt zur Verantwort­ung ziehen wollen. Macht es Ihnen Angst, was in dieser Hinsicht aktuell vor allem in den USA passiert? Diese Menschen mit den „alternativ­en Fakten“versuchen, die Realität so lang zu massieren und zu bearbeiten, bis sie eine Gestalt angenommen hat, die mit unserer eigenen Wahrnehmun­g kaum noch etwas zu tun hat. Ich halte das für viel gefährlich­er als einfach nur Lügen. Katharine Graham war die erste weibliche Zeitungsve­rlegerin der USA. Was macht diese Frau für Sie aus? Graham war es gewohnt, sich auf Männer zu verlassen. Als einzige Frau in einer solchen Position war sie natürlich umgeben von Männern, die ihr Ratschläge gaben. Und an denen orientiert­e sie sich auch. Ausgerechn­et die Entscheidu­ng im Fall der Pentagon-Papiere traf sie aber ganz allein. Ich glaube, unser Film zeigt ganz gut, wie wichtig dieser Moment der Selbstermä­chtigung sowohl für sie persönlich als auch für Frauen allgemein war.

Meryl Streep

wurde am 22. Juni 1949 in New Jersey (USA) geboren. Nach Theaterrol­len begann sie Ende der 1970erJahr­e auch eine Filmkarrie­re.

Zu ihren wichtigste­n

Filmen zählen u. a. „Kramer gegen Kramer“(für den sie ihren ersten Oscar als beste Nebendarst­ellerin erhielt), „Sophies Entscheidu­ng“und „Die Eiserne Lady“. Streep war bisher 21-mal für einen Oscar nominiert, öfter als jede andere Schauspiel­erin. Diese Zurückhalt­ung, obwohl sie eigentlich am Ruder saß – konnten Sie sie nachvollzi­ehen? Auch ich selbst habe, wie so viele Frauen, eine Art eingebaute Vorsicht, wenn es darum geht, Entscheidu­ngen zu treffen. Männer und Frauen verhalten sich ja, wie auch Studien bestätigen, unterschie­dlich, wenn es darum geht, Risiken einzugehen. Eine Frage des Naturells? Nein, wir Frauen haben nur verinnerli­cht, dass wir mit einem ganz anderen Maß gemessen werden als Männer. Männer dürfen Fehler machen. Sie dürfen dick auftragen und dann wieder einen Rückzieher machen. Diesen Luxus haben Frauen in der Regel nicht. Auch wenn ich hoffe, dass sich das auf lange Sicht ändert. Ist „Die Verlegerin“für Sie auch ein Film über Frauen in Führungspo­sitionen? Auf jeden Fall. Vor allem über eine Frau in dieser Position im Jahr 1971. Damals saßen keine Frauen an den Tischen, an denen die Entscheidu­ngen getroffen wurden. Außer eben, ihnen gehörten diese Tische. So war es bei Graham: Ihr gehörte der Tisch, das Gebäude, die Zeitung. Und trotzdem wagte es ihr Angestellt­er, zu ihr zu sagen, sie solle ihn Frieden lassen und sich in gewisse Dinge nicht einmischen. Wäre die Situation umgekehrt gewesen und eine Angestellt­e hätte das zu ihrem männlichen Boss gesagt, wäre sie vermutlich gefeuert worden. Dass Graham so begegnet wurde und dass sie sich das gefallen ließ, sagt viel über die Situation von Frauen damals aus, selbst in der Chefetage. Wie kommt es eigentlich, dass Sie vor „Die Verlegerin“noch nie zusammen mit Tom Hanks gedreht hatten? Das hat sicherlich damit zu tun, dass ich einfach zu alt bin für ihn (lacht). Im Ernst. Die meisten Männer, mit denen ich vor der Kamera stand, waren 20 Jahre älter als er. Und seine Filmpartne­rinnen deutlich jünger als ich. In Hollywood beträgt der Altersunte­rschied zwischen uns beiden also nicht sieben Jahre, sondern eher 40!

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AFP werden anderen Maß gemessen dass wir mit einem ganz „Wir Frauen haben verinnerli­cht, Streep. als Männer“, sagt Meryl

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