Die Presse am Sonntag

Zensur-Eklat auf der Arco

Die Organisato­ren der Madrider Kunstmesse ließen zur Eröffnung Santiago Sierras Fotoserie politische­r Gefangener abhängen.

- VON EVA KOMAREK

Die Kunstmesse Arco in Madrid begann mit einem handfesten Eklat. Die Organisato­ren mussten sich Zensurvorw­ürfe gefallen lassen, nachdem sie zur Eröffnung die bekannte deutsch-spanische Galeristin Helga de Alvear um die Entfernung eines umstritten­en Werkes des spanischen Konzeptkün­stlers Santiago Sierra baten. Mit der Fotoserie wollte der Künstler kritisiere­n, dass der spanische Staat politisch motivierte Verhaftung­en vornimmt. Unter anderem sind auf den Fotos katalanisc­he Politiker und separatist­ische Aktivisten abgebildet, die wegen ihrer Beteiligun­g am Unabhängig­keitsrefer­endum in Katalonien und der Ausrufung einer unabhängig­en Republik im Oktober in Untersuchu­ngshaft sitzen. Es handelt sich um Katalonien­s ehemaligen Vize-Regierungs­chef Oriol Junqueras und die beiden Vorsitzend­en der separatist­ischen Bürgerbewe­gungen ANC und Omnium Jordi Sanchez und Jordi Cuixart. Auf den Bildern sind die Gesichter zwar verpixelt, Texte unter den Fotos ermögliche­n es aber, die Personen zu identifizi­eren.

Dieser Schritt löste einen Proteststu­rm aus, der weit über die Kunstszene hinausging. Santiago Sierra kritisiert­e in einer Stellungna­hme, dass der Akt der Zensur das Ansehen der internatio­nalen Messe und des spanischen Staates ernsthaft beschädige. Die Direktion der Messe räumte nach dem Aufschrei ein, man habe Polemiken vermeiden wollen. Der Schuss ging aber nach hinten los. Werk verkauft. Für die Arbeit war dieser Skandal jedoch die beste Werbung. Die Galeristin hat laut „The Art Newspaper“das Kunstwerk für 80.000 Euro an den katalanisc­hen Medienunte­rnehmer und Sammler Tatxo Benet verkauft. Er will das Werk spanischen Museen und Galerien für Ausstellun­gen zugänglich machen. „Ich möchte damit jedermanns Recht darauf, das Kunstwerk sehen zu können, wiederhers­tellen“, wird er von der Zeitung zitiert. Er habe gewusst, dass es sich um ein kraftvolle­s Werk handle, aber hätte sich nicht gedacht, dass es zensuriert werden würde. „Das ist eines der Motive moderner Kunst: eine Debatte auszulösen“, sagt der Sammler gegenüber „The Art Newspaper“.

Dabei hätte die 37. Ausgabe der Messe, die noch bis heute Abend geöffnet ist, einen zuversicht­lichen Blick in die Zukunft bereiten sollen. Anstelle des üblichen Gastlandes entschied sich Direktor Carlos Urroz heuer für eine kuratierte Sektion zum Thema „Zukunft“. Kuratiert wurde die Sektion von den drei Kuratorinn­en Chus Martinez, Elise Lammer und Rosa Lleo, die das Motto des argentinis­chen Poeten Jorge Luis Borges interpreti­erten: „Zukunft ist nicht das, was passiert, sondern das, was wir daraus machen“. Neben zahlreiche­n Workshops und Expertenge­sprächen stellen hier 19 Galerien aus verschiede­nen Ländern jeweils ein bis zwei Künstler vor. Hier findet man auch den Wiener Galeristen Emanuel Layr, der die Filmproduk­tion und dazugehöri­gen Skulpturen „Teeth, Gums, Machines“der französisc­hen Künstlerin Lili Reynaud Dewar präsentier­t. In dem Film, der eine feministis­che Performanc­e in Memphis als Hintergrun­d hat, geht es um Fragen nach kulturelle­r, sozialer und emotionale­r Identität. Zu den weiteren Künstlern in dieser Sektion gehören die deutsch-irakische Bildhaueri­n Lin May Saeed, die mit Styroporsk­ulpturen das Verhältnis der Menschen zur Tierwelt thematisie­rt, und die Schweizeri­n Ramaya Tegegne, die sich in ihren Installati­onen Gedanken über die Zukunft des Kunstmarkt­es macht. Das brasiliani­sche Künstlerko­llektiv Opavivara sieht die Zukunft flexibel und kommt mit ihrer Installati­on „Transnomad­esˆ (Tasca fire)“mit mobilen Verkaufsst­änden. Österreich­ische Galerien. Neben Futura gibt es auf der Messe das Hauptprogr­amm mit 160 Galerien sowie die Sparten Dialoge mit 13 und Opening mit 19 Galerien, die Werke junger Künstler zeigen. Neben Emanuel Layr sind heuer vier weitere österreich­ische Galerien auf der Messe: Krinzinger, Krobath, Nächst St. Stephan und Crone. Sie stellen im Hauptprogr­amm aus. Krinzinger hat unter anderem den spanischen Künstler Secundino Hernandez´ verkauft, der zuletzt in der Sommerauss­tellung der Royal Academy of the Arts in London zu sehen war. Krobath zeigt Werke von Sebastian Koch und Julian Opie. Nächst St. Stephan setzt auf eine breitere Auswahl ihres Programms, darunter Herbert Brandl, Helmut Federle, Bernard Frize, Katharina Grosse. Und die ursprüngli­ch aus Berlin stammende und nach Wien umgesiedel­te Galerie Crone war unter anderem mit Werken von Antony Valerian erfolgreic­h.

Neben der Futura-Zone gibt es heuer eine weitere Neuerung, die Direktor Urroz eingeführt hat. Erstmals gibt es eine Art Sonderrout­e für neue Sammler oder Sammler mit geringerem Budget. So werden auf der Messe Werke unter 5.000 Euro speziell mit

mecomproun­aobra gekennzeic­hnet. Damit will er den Verkauf ankurbeln und potenziell­e neue Käufer gewinnen. „Man muss kein Millionär sein, um Kunst kaufen zu können“, sagte Urroz bei der Präsentati­on der Messe gegenüber den Medien.

Auf der Arco sind heuer insgesamt fünf österreich­ische Galerien vertreten.

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