Die Presse am Sonntag

Wie Adolf Hitlers Atombomben­pläne durchkreuz­t wurden

Vor 75 Jahren führten norwegisch­e Widerstand­skämpfer eine der spektakulä­rsten Kommandoak­tionen des Zweiten Weltkriegs durch: die Sabotage des deutschen Atomprogra­mms. Über den Kampf um das schwere Wasser, die

- VON THOMAS RIEGLER

Das dortige Wasserkraf­twerk war zum Zeitpunkt seiner Erbauung 1911 das größte weltweit. Das war nicht die einzige Besonderhe­it des Orts. Man nutzte die gewonnene Energie zur Erzeugung von Kunstdünge­r. Ein Nebenprodu­kt waren kleine Mengen von Deuteriumo­xid, auch „schweres Wasser“genannt. Doch schon 1939 gab man auf, weil es nicht genug Nachfrage gab. Im selben Jahr sollte der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs alles ändern.

Fast zeitgleich hatte die Atomphysik enorme Fortschrit­te gemacht. 1938 war die Kernspaltu­ng entdeckt worden und damit die Möglichkei­t, mittels Kettenreak­tion eine enorme Energiemen­ge freizusetz­en. Damit war der Weg zur Entwicklun­g der Atombombe vorgezeich­net. Auf deutscher wie auf alliierter Seite wollte man diese Waffe so bald wie möglich verwirklic­hen. Hier kam das schwere Wasser ins Spiel. Denn für den Betrieb der Forschungs­reaktoren bedurfte es eines Moderators, um die bei der Kernspaltu­ng freigesetz­ten Neutronen abzubremse­n. Der damals am besten bekannte Moderator war schweres Wasser – und sein weltweit einziger Produzent war in Vemork. Geheimdien­ste. Es folgte ein regelrecht­es Rennen der Geheimdien­ste, sich des schweren Wassers zu bemächtige­n. Frankreich hatte die Nase vorn. Im März 1940 wurden die vorhandene­n 185 kg in 26 Flaschen abgefüllt nach Paris geschmugge­lt. Bevor sie dort den Deutschen in die Hände fallen konnten, schiffte man sie nach Großbritan­nien aus, wo sie zeitweise im Keller von Windsor Castle gelagert wurden. Die Wende kam mit der deutschen Besetzung Norwegens im April 1940. Hitler wollte die Rohstoffe und die Industrien des neutralen Landes für seine Kriegsanst­rengungen ausbeuten. Dazu gehörte, die Produktion von schwerem Wasser in Vemork zunächst auf vier Kilogramm pro Tag hochzufahr­en. Empfänger war der „Uranverein“am Berliner Kaiser-Wilhelm-Institut. Ein General fragte den Institutsl­eiter und Nobelpreis­träger Werner Heisenberg, wie groß die Bombe sein werde, die eines Tages New York auslösche. „In etwa so groß wie eine Ananas“, lautete die Antwort.

In Großbritan­nien läuteten längst Alarmglock­en. Über das, was in Vemork geschah, wusste man bestens Bescheid. Quelle war der norwegisch­e Widerstand. Dieser beschaffte Grundrissp­läne, Fotos und Zeichnunge­n der Apparature­n. Darüber hinaus taten nun viele Norweger Dienst in der britischen Armee – in der Special Operations Executive (SOE). Das war ein Spezialver­band für unkonventi­onelle Kriegsführ­ung hinter feindliche­n Linien. Das SOE hatte die volle Unterstütz­ung von Premier Winston Churchill, der der Sabotage des deutschen Atomprogra­mms höchste Priorität zumaß. Zur Vorbereitu­ng absolviert­en die Norweger ein hartes Kommandotr­aining in Schottland.

Eine Lehre aus der fehlgeschl­agenen Operation Freshman war, dass man künftige Unternehme­n in norwegisch­e Hände geben würde. Bereits vor Ort war die kleine Truppe rund um Poulsson, die nun schon vier Monate in der

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