ZUM AUTOR
Operation Gunnerside.
Das Rentierblut schmeckte wie ein Lebenselixier. Wärme durchflutete den durchgefrorenen Körper des Jägers. Anschließend häutete und zerteilte er die Beute. Nach einer Woche hatte Jens-Anton Poulsson endlich Glück gehabt. Das sicherte ihm und seinen drei Kameraden das Überleben. Sie alle hatten zuvor mit bitterer Suppe aus rostfarbenem Moos vorliebnehmen müssen und waren völlig geschwächt.
Im Winter ist die Hardangervidda, die größte Hochebene Europas, eine eisige, lebensfeindliche Umgebung. Das war auch der Grund, warum sich die deutsche Wehrmacht kaum in das Gebiet im südlichen Norwegen vorwagte. Poulsson und sein Team von Widerstandskämpfern waren hier am 18. Oktober 1942 mit dem Fallschirm gelandet. Ihr Auftrag: die Landezone einer britischen Kommandotruppe zu markieren und diese in Empfang zu nehmen. Am 19. November 1942 standen sie bereit und hörten die zwei Flugzeuge mit den Lastenseglern im Schlepptau kommen. Aber die Geräusche verschwanden. Irgendwann drehten die Norweger ihre Signallichter ab und zogen sich in ihr Versteck zurück.
Vor ihnen lag eine monatelange Wartezeit mitten in einer Eiswüste. Denn Operation Freshman hatte in einer Katastrophe geendet. Aufgrund von Schlechtwetter waren die Piloten vom Kurs abgewichen. Es kam zu Bruchlandungen. Die teils schwer verletzten Soldaten fielen dem Feind in die Hände und wurden exekutiert. Fünf Gefangene folterte die Gestapo, ehe man sie ermordete. Viel hatten sie nicht preisgegeben. Aber ein Fund an der Absturzstelle ließ auf das Ziel schließen. Auf einer Seidentuch-Karte war ein Ort am südöstlichen Rand der Hardangervidda markiert: Vemork.
Thomas Riegler
ist Historiker in Wien. Zuletzt veröffentlicht: „Im Fadenkreuz: Österreich und der Nahostterrorismus 1973–1985“(2010) sowie „Tage des Schreckens: Die OpecGeiselnahme 1975 und die Anfänge des modernen Terrorismus“(2015).
Die Operation Freshman zuvor hatte in einer Katastrophe geendet.