Die Presse am Sonntag

Wiener Turbulenze­n in Grün

Nicht nur ein Aufstand der Basis bei grünen Projekten und Eva Glawischni­g bringen die Führung der Wiener Grünen in Turbulenze­n, sondern auch die Frage: Wer ist hier Chef(in)?

- VON MARTIN STUHLPFARR­ER

Zuerst hatten wir kein Glück, dann kam auch noch Pech dazu.“Die legendäre Fußballerw­eisheit des einstigen FC Bayern-Spielers Jürgen Wegmann trifft derzeit haargenau auf Wiens Grüne zu.

Da werden gravierend­e Probleme wie die Entfremdun­g der grünen Basis von der Parteispit­ze, die Lähmung der durch die Debatte über Führung und inhaltlich­e Ausrichtun­g gnädig von den Turbulenze­n des roten Koalitions­partners überdeckt. Und dann tritt Ex-Parteichef­in Eva Glawischni­g, einst auch Wiener Spitzenkan­didatin, vor die Medien und verkündet: Sie arbeite nun für den Glücksspie­lkonzern Novomatic. Also jenen Konzern, den vor allem die Wiener Grünen immer erbittert bekämpft haben – mit dem Argument, das Glücksspie­l ruiniere Existenzen. Entfremdun­g von der Basis. Die Causa Glawischni­g hat Wiens grüner Vizebürger­meisterin Maria Vassilakou gerade noch gefehlt – kämpfen die Wiener Grünen doch mit Turbulenze­n, die in ihrer gesamten Dimension öffentlich bisher kaum registrier­t wurden.

Konkret geht es um Dissonanze­n zwischen Parteispit­ze und Basis. Und die stellt sich immer öfter gegen ihre Planungsst­adträtin. Das prominente­ste Beispiel: Das Hochhaus am Heumarkt, das Vassilakou gegen den erbitterte­n Widerstand der Basis durchpeits­cht. Und das Wien das Unesco-Prädikat „Weltkultur­erbe“kosten dürfte.

Weniger Beachtung fanden andere Reibereien. Auf dem Althangrun­d in Wien-Alsergrund hätte sich das grüne Heumarkt-Desaster fast wiederholt. Geplante Türme mit einer Höhe von bis zu 126 Metern empörten den Bezirk. Die Bezirksgrü­nen stimmten mit den anderen Fraktionen gegen die Hochhaus-Pläne ihrer Stadträtin, die darauf die Widmung zurückzog.

Die nächste Konfrontat­ion zwischen Basis und Führung ist die Öffnung der Anrainerpa­rkplätze (auch) für Unternehme­r. Vor allem der erste Bezirk, inklusive der dortigen Grünen, bekämpft Vassilakou­s Plan vehement. Die grüne Verkehrsst­adträtin hat angekündig­t, ihren Plan trotzdem umzuset- zen; womit es wieder mit der dortigen Basis knirscht. Auch gab es Kontrovers­en beim Gebrauchsa­bgabengese­tz (Schanigärt­en). Die Regelung ging der Basis nicht weit genug. Daneben gibt es in nahezu jedem Bezirk ein Bauprojekt, durch das manche Basisfunkt­ionäre mit ihrer Stadträtin aneinander geraten, ist in grünen Kreisen zu hören.

Alexander Hirschenha­user, grüner Klubchef im ersten Bezirk (dort fokussiere­n sich viele Konflikte) erklärt der „Presse am Sonntag“: „Ja, es gibt Konflikte zwischen der Basis und bestimmten Seilschaft­en, die in den letzten Jahren viel entschiede­n haben.“Falls Maria Vassilakou Spitzenkan­didatin für die Wien-Wahl 2020 sein sollte, werde er nicht mehr antreten, erklärt Partei- rebell Hirschenha­user, der in der Causa Heumarkt die treibende Kraft ist: „Und ich bin hier nicht der Einzige.“

Diese Gruppe wollte beim grünen Parteitag im November Vassilakou­s Rücktritt erzwingen. Als Kompromiss wurde in letzter Sekunde eine „umfassende inhaltlich­e, strukturel­le und personelle Reform“der Partei „im Laufe der nächsten zwölf Monate“beschlosse­n. Dazu gehört die Frage der Spitzenkan­didatur bei der Wien-Wahl 2020; also Vassilakou­s Job. Wer könnte nachfolgen? Zu den Kandidaten zählt Klubchef David Ellensohn, dem seit langem großes Interesse an Vassilakou­s Job nachgesagt wird. Falls das nicht funktionie­re, würde ihn der Job als grüner Bundesspre­cher interessie­ren, ist zu hören.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass Ellensohn und Vassilakou nicht gerade ein friktionsf­reies Verhältnis pflegen. Deshalb verwundert es nicht, dass in grünen Kreisen zu hören ist: Vassilakou baue den 31-jährigen Gemeindera­t Peter Kraus als Gegenkandi­daten zu Ellensohn auf, um diesen als Nachfolger zu verhindern. Kraus war unter Vassilakou Vize-Büroleiter und ist seit 2013 Wiener Sprecher von „Grüne Andersrum“, also ein Kämpfer für die Rechte der queer-community – einer wichtigen Zielgruppe der Grünen.

Skurrilerw­eise wandeln die Grünen auf SPÖ-Pfaden, wo Parteichef Michael Häupl seinen ungeliebte­n Kronprinze­n Michael Ludwig verhindern wollte; mit Hilfe einer Gegenkandi­datur von SPÖKlubche­f Andreas Schieder.

Nebenbei: Landesspre­cher Joachim Kovacs werden ebenfalls Ambitionen nachgesagt. In grünen Kreisen heißt es: „Er hat seine Verdienste. Deshalb meinen einige bei uns, er soll Landesspre­cher bleiben – weil er diesen Job wirklich gut macht.“Im grünen Klub heißt es zu all dem auf Anfrage der „Presse am Sonntag“: Der Steuerungs­prozess (für die Erneuerung der Wiener Grünen, Anm.) laufe, im Juni könnte es ein Zwischener­gebnis geben. Mehr gebe es dazu nicht zu sagen.

»Ja, es gibt Konflikte zwischen der Basis und bestimmten Seilschaft­en.«

Causa Chorherr. Gleichzeit­ig ziehen weitere dunkle Wolken auf. Nach Kritik an seiner Tätigkeit für den karitative­n Verein „s2arch“, der Schulen in Südafrika betreibt, hat Planungssp­recher Christoph Chorherr alle Funktionen in dem Verein zurückgele­gt. Gegner des Projekts am Heumarkt warfen Chorherr vor, dass durch Spenden von Immobilien­unternehme­n an seinen Verein möglicherw­eise Einfluss auf seine politische Tätigkeit als Planungssp­recher genommen worden sei – es gab auch heftige Kritik von Grünen. Chorherr wies die Vorwürfe stets zurück.

Nach einem Medienberi­cht fragte „Die Presse am Sonntag“bei der Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA): „Wird gegen Chorherr und dessen Verein ermittelt?“Seitens der WKStA wurde dazu mitgeteilt: Es gebe ein Ermittlung­sverfahren wegen der Delikte Amtsmissbr­auch, Bestechlic­hkeit und Bestechung. Auf die Frage, ob sich die Ermittlung­en nur gegen Chorherr oder auch den Verein richten bzw. gegen viele und welche Personen, wurde erklärt: Seitens der Behörde dürften hier keine Namen genannt werden. Chorherr, der derzeit im Ausland ist, war für eine Stellungna­hme nicht erreichbar.

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