Wiener Turbulenzen in Grün
Nicht nur ein Aufstand der Basis bei grünen Projekten und Eva Glawischnig bringen die Führung der Wiener Grünen in Turbulenzen, sondern auch die Frage: Wer ist hier Chef(in)?
Zuerst hatten wir kein Glück, dann kam auch noch Pech dazu.“Die legendäre Fußballerweisheit des einstigen FC Bayern-Spielers Jürgen Wegmann trifft derzeit haargenau auf Wiens Grüne zu.
Da werden gravierende Probleme wie die Entfremdung der grünen Basis von der Parteispitze, die Lähmung der durch die Debatte über Führung und inhaltliche Ausrichtung gnädig von den Turbulenzen des roten Koalitionspartners überdeckt. Und dann tritt Ex-Parteichefin Eva Glawischnig, einst auch Wiener Spitzenkandidatin, vor die Medien und verkündet: Sie arbeite nun für den Glücksspielkonzern Novomatic. Also jenen Konzern, den vor allem die Wiener Grünen immer erbittert bekämpft haben – mit dem Argument, das Glücksspiel ruiniere Existenzen. Entfremdung von der Basis. Die Causa Glawischnig hat Wiens grüner Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou gerade noch gefehlt – kämpfen die Wiener Grünen doch mit Turbulenzen, die in ihrer gesamten Dimension öffentlich bisher kaum registriert wurden.
Konkret geht es um Dissonanzen zwischen Parteispitze und Basis. Und die stellt sich immer öfter gegen ihre Planungsstadträtin. Das prominenteste Beispiel: Das Hochhaus am Heumarkt, das Vassilakou gegen den erbitterten Widerstand der Basis durchpeitscht. Und das Wien das Unesco-Prädikat „Weltkulturerbe“kosten dürfte.
Weniger Beachtung fanden andere Reibereien. Auf dem Althangrund in Wien-Alsergrund hätte sich das grüne Heumarkt-Desaster fast wiederholt. Geplante Türme mit einer Höhe von bis zu 126 Metern empörten den Bezirk. Die Bezirksgrünen stimmten mit den anderen Fraktionen gegen die Hochhaus-Pläne ihrer Stadträtin, die darauf die Widmung zurückzog.
Die nächste Konfrontation zwischen Basis und Führung ist die Öffnung der Anrainerparkplätze (auch) für Unternehmer. Vor allem der erste Bezirk, inklusive der dortigen Grünen, bekämpft Vassilakous Plan vehement. Die grüne Verkehrsstadträtin hat angekündigt, ihren Plan trotzdem umzuset- zen; womit es wieder mit der dortigen Basis knirscht. Auch gab es Kontroversen beim Gebrauchsabgabengesetz (Schanigärten). Die Regelung ging der Basis nicht weit genug. Daneben gibt es in nahezu jedem Bezirk ein Bauprojekt, durch das manche Basisfunktionäre mit ihrer Stadträtin aneinander geraten, ist in grünen Kreisen zu hören.
Alexander Hirschenhauser, grüner Klubchef im ersten Bezirk (dort fokussieren sich viele Konflikte) erklärt der „Presse am Sonntag“: „Ja, es gibt Konflikte zwischen der Basis und bestimmten Seilschaften, die in den letzten Jahren viel entschieden haben.“Falls Maria Vassilakou Spitzenkandidatin für die Wien-Wahl 2020 sein sollte, werde er nicht mehr antreten, erklärt Partei- rebell Hirschenhauser, der in der Causa Heumarkt die treibende Kraft ist: „Und ich bin hier nicht der Einzige.“
Diese Gruppe wollte beim grünen Parteitag im November Vassilakous Rücktritt erzwingen. Als Kompromiss wurde in letzter Sekunde eine „umfassende inhaltliche, strukturelle und personelle Reform“der Partei „im Laufe der nächsten zwölf Monate“beschlossen. Dazu gehört die Frage der Spitzenkandidatur bei der Wien-Wahl 2020; also Vassilakous Job. Wer könnte nachfolgen? Zu den Kandidaten zählt Klubchef David Ellensohn, dem seit langem großes Interesse an Vassilakous Job nachgesagt wird. Falls das nicht funktioniere, würde ihn der Job als grüner Bundessprecher interessieren, ist zu hören.
Es ist ein offenes Geheimnis, dass Ellensohn und Vassilakou nicht gerade ein friktionsfreies Verhältnis pflegen. Deshalb verwundert es nicht, dass in grünen Kreisen zu hören ist: Vassilakou baue den 31-jährigen Gemeinderat Peter Kraus als Gegenkandidaten zu Ellensohn auf, um diesen als Nachfolger zu verhindern. Kraus war unter Vassilakou Vize-Büroleiter und ist seit 2013 Wiener Sprecher von „Grüne Andersrum“, also ein Kämpfer für die Rechte der queer-community – einer wichtigen Zielgruppe der Grünen.
Skurrilerweise wandeln die Grünen auf SPÖ-Pfaden, wo Parteichef Michael Häupl seinen ungeliebten Kronprinzen Michael Ludwig verhindern wollte; mit Hilfe einer Gegenkandidatur von SPÖKlubchef Andreas Schieder.
Nebenbei: Landessprecher Joachim Kovacs werden ebenfalls Ambitionen nachgesagt. In grünen Kreisen heißt es: „Er hat seine Verdienste. Deshalb meinen einige bei uns, er soll Landessprecher bleiben – weil er diesen Job wirklich gut macht.“Im grünen Klub heißt es zu all dem auf Anfrage der „Presse am Sonntag“: Der Steuerungsprozess (für die Erneuerung der Wiener Grünen, Anm.) laufe, im Juni könnte es ein Zwischenergebnis geben. Mehr gebe es dazu nicht zu sagen.
»Ja, es gibt Konflikte zwischen der Basis und bestimmten Seilschaften.«
Causa Chorherr. Gleichzeitig ziehen weitere dunkle Wolken auf. Nach Kritik an seiner Tätigkeit für den karitativen Verein „s2arch“, der Schulen in Südafrika betreibt, hat Planungssprecher Christoph Chorherr alle Funktionen in dem Verein zurückgelegt. Gegner des Projekts am Heumarkt warfen Chorherr vor, dass durch Spenden von Immobilienunternehmen an seinen Verein möglicherweise Einfluss auf seine politische Tätigkeit als Planungssprecher genommen worden sei – es gab auch heftige Kritik von Grünen. Chorherr wies die Vorwürfe stets zurück.
Nach einem Medienbericht fragte „Die Presse am Sonntag“bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA): „Wird gegen Chorherr und dessen Verein ermittelt?“Seitens der WKStA wurde dazu mitgeteilt: Es gebe ein Ermittlungsverfahren wegen der Delikte Amtsmissbrauch, Bestechlichkeit und Bestechung. Auf die Frage, ob sich die Ermittlungen nur gegen Chorherr oder auch den Verein richten bzw. gegen viele und welche Personen, wurde erklärt: Seitens der Behörde dürften hier keine Namen genannt werden. Chorherr, der derzeit im Ausland ist, war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.