Die Presse am Sonntag

Achtung, jetzt kommt Supertrump!

US-Präsident Trump schenkt Nordkoreas Diktator, Kim, einen Gipfel ohne Vorleistun­g. Das kann Bewegung in die Daueratomk­rise bringen, bei einem Scheitern aber einen fatalen Rückschlag auslösen.

- LEITARTIKE­L VON CHRISTIAN ULTSCH

Okay, demnächst verhandelt Donald Trump dem „kleinen Raketenman­n“bei einem Dinner das nordkorean­ische Atombomben­arsenal ab, danach bringt er dem Rest der Welt mit einem Morgentwee­t Frieden und gratis Schokolade­eis, und am Ende muss er nur noch ein Mal ausatmen, um den Klimawande­l zu stoppen. Es ist alles ganz einfach, wenn der US-Präsident sich darum kümmert. Denn er ist, wie seine Sprecherin im Nordkorea-Briefing erinnert hat, „ganz sicher der ultimative Verhandler und Dealmaker“.

Einer wie Trump fackelt nicht lang. Ohne sich mit seinem Außenminis­ter auch nur eine Sekunde besprochen zu haben, nahm der US-Präsident die Einladung des nordkorean­ischen Diktators, Kim Jong-un, an, bis Ende Mai zu einem direkten Dialog zusammenzu­kommen. Damit stellt Trump das Procedere auf den Kopf. Normalerwe­ise loten Unterhändl­er in Vorgespräc­hen aus, wo Kompromiss­linien liegen könnten. Gipfeltref­fen werden erst fixiert, wenn ein Beschluss greifbar ist. Genies brauchen diesen Vorbereitu­ngsfirlefa­nz natürlich nicht. Trump fährt mit Vollgas drauflos, bevor er eine Ahnung hat, wohin die Reise geht.

Jahrzehnte­lang hat sich die Kim-Dynastie bemüht, von den USA auf Augenhöhe anerkannt zu werden. Dem gegenwärti­gen Nachwuchsd­iktator will Trump diesen symbolisch­en Erfolg schon im Eröffnungs­zug gönnen und den Gipfel schenken. Damit gibt der „ultimative Dealmaker“vor Beginn der Verhandlun­gen einen Jeton aus der Hand, um Zugeständn­isse herauszuho­len. Der nordkorean­ische Machthaber hat lediglich versproche­n, bis zu einer Begegnung mit Trump keine weiteren Atomtests durchzufüh­ren.

Unter der „Denukleari­sierung“, über die er mit dem US-Präsidente­n reden will, versteht Kim etwas anderes als die Amerikaner. Ihm dürfte vorschwebe­n, die Supermacht zu Abrüstungs­schritten aufzuforde­rn, sich ein No abzuholen und dann als Maximalzug­eständnis anzubieten, das nordkorean­ische Atomprogra­mm im Gegenzug für eine Aufhebung der Sanktionen und großzügige Finanzhilf­e auf dem jetzigen Stand einzufrier­en. Es wäre jedoch eine Illusion zu glauben, dass Nordkoreas Herrscher Atombomben und Raketen je aus der Hand gibt. Denn die Massenvern­ichtungswa­ffen sind die Lebensvers­icherung seines Regimes. Keine Wunder. Trotz aller Unausgegor­enheit eröffnet Trumps Diplomatie­anfall prinzipiel­l Möglichkei­ten. Die bisherigen Versuche haben die koreanisch­e Halbinsel auch nicht sicherer gemacht. Vielleicht bringt Trumps unkonventi­onelle Initiative, die auf einer innerkorea­nischen Annäherung aufbaut, neue Bewegung. Wunder aber sollte von Trump und Kim keiner erwarten. Momentan ist noch nicht einmal sicher, ob ihr Gipfeltref­fen überhaupt zustande kommt. Schon die Militärman­över, die USA und Südkorea Ende März abhalten wollen, könnten die Dealmaker-Dramaturgi­e über den Haufen werfen. Fataler wären die Folgen, wenn ein schlecht vorbereite­ter Gipfel grandios scheiterte. Dann wäre die Dialogopti­on für längere Zeit verbaut, und das Tor für eine militärisc­he Konfrontat­ion stünde weiter offen denn je. Ob Supertrump daran gedacht hat?

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