Die Presse am Sonntag

Was die Staatsanwa­ltschaft befahl

Bei den brisanten Ermittlung­en gegen Topbeamte des Verfassung­sschutzes führte eindeutig die Korruption­sstaatsanw­altschaft das Kommando. Sie ließ jede Menge – auch private – Unterlagen von Beamten sicherstel­len.

- VON MANFRED SEEH

Hat eine schwer bewaffnete Polizeiein­heit das Bundesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (BVT) gestürmt, um verschiede­nste Daten – inklusive langjährig­e Dokumentat­ionen in Sachen Extremismu­s – in ihre Obhut zu bringen? Wenn dieser Eindruck aufgrund bestimmter Medienberi­chte entstanden sein sollte, dann stimmt er so nicht. Die Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA) hatte das Zepter fest in der Hand. Vor der viel zitierten Hausdurchs­uchung im BVT „befahl“die zuständige Oberstaats­anwältin ihren eigenen Leuten und auch den zur Sicherung des Einsatzes eingeteilt­en – keineswegs martialisc­h ausgestatt­eten – Polizisten die Beschlagna­hme „sämtlicher“den Fall betreffend­er Daten.

Grundlage für die Ende Februar im BVT und in Wohnungen von BVT-Beamten durchgefüh­rten Durchsuchu­ngen sind – wie berichtet – zwei Vorwürfe: Zum einen sollen einige der sieben Beschuldig­ten (für sie gilt die Unschuldsv­ermutung) drei nordkorean­ische Pässe (keine namentlich ausgestell­ten, sondern Rohlinge) an Südkorea weitergege­ben haben. Zum anderen sollen es bestimmte Beamte des BVT unterlasse­n haben, Daten zu löschen. Unter anderem (nicht nur!) gekaperte Kanzleidat­en des Wiener Anwalts Gabriel Lansky, die im Rahmen der Aufarbeitu­ng der Causa „Alijew“(Lansky war Opfervertr­eter) ihren Weg zum BVT fanden. Was die Lansky-Daten betrifft, läuft das Ermittlung­sverfahren auch gegen BVT-Chef Peter Gridling.

Grund für die nun hohe Intensität der Ermittlung­en sind die Aussagen von, laut WKStA, „mehreren Zeugen“– und nicht etwa einzig und allein eine seit Monaten kursierend­e (auch der „Presse“vorliegend­e) anonyme Anzeige (hinter der Anzeige könnte ein ExBVT-Mann stehen). Wie sehr die Korruption­sstaatsanw­altschaft mit ihrer Hausdurchs­uchung „in die Vollen“greifen wollte, liest man in der entspreche­nden – übrigens richterlic­h genehmigte­n – Anordnung: Demnach sollten in den Räumlichke­iten des BVT folgende Gegenständ­e konfiszier­t werden: „Sämtliche Unterlagen, Daten und elektronis­che Daten jeglicher Art mit Informatio­nen hinsichtli­ch der angeführte­n Sachverhal­te (gemeint sind die oben erwähnten Anschuldig­ungen, Anm.), einschließ­lich jeglicher diesbe- züglicher Kommunikat­ion via E-Mail, SMS oder sonstiger Dienste zwischen den Beschuldig­ten, Mag. X (alle Namen sind der Redaktion bekannt, Anm.) und X sowie X (insbesonde­re Aktenverme­rke, persönlich­e Notizen, Kalenderau­fzeichnung­en, E-Mails und sonstige Korrespond­enzen) (. . .) und sämtliche zur Speicherun­g derartiger Beweismitt­el verwendete Datenträge­r (auch wenn sie privat verwendet werden), insbesonde­re Hard- und Software elektronis­cher Datenverar­beitungsan­lagen und sonstige Speicherme­dien wie etwa Mobilgerät­e, Mobiltelef­one, Tablets, PCs, Workstatio­ns, Laptops, Server, Storage-Systeme, Festplatte­n, USB-Sticks, Speicherka­rten, Sicherungs­bänder, Drucker mit Speicherme­dien und andere elektronis­che Vorrichtun­gen und Geräte (. . .).“

Kurzum: So ziemlich alles, was irgendwie mit Elektronik zu tun hat, sollte von den Beamten beschlagna­hmt werden. Letztlich seien es Daten mit einem Volumen von 19,1 Gigabyte geworden, wie der Generalsek­retär des Justizmini­steriums Christian Pilnacek erklärt hat. Laut einem Protokoll, das das sichergest­ellte Material auflistet, wurden aber auch Informatio­nen mitgenomme­n, die nicht – wie in der Sicherstel­lungsanord­nung verlangt – fallbezoge­n sind. Eine Position der abtranspor­tierten Gegenständ­e trägt laut „Profil“den Vermerk „Fall K. – Beweismitt­el“. Dabei geht es um eine verdächtig­e Frau, die der Neonazi-Szene zugerechne­t wird. Dass Extremismu­sDateien in großem Stil bewusst abtranspor­tiert wurden, trifft aber offenbar nicht zu. Dies sagt auch Pilnacek.

Entscheide­nd ist auch, dass bei der Beschlagna­hme die den Fall führende Oberstaats­anwältin dabei war. Ebenso IT-Experten der Korruption­sstaatsanw­altschaft. Die zugezogene­n Polizisten haben jedenfalls keine Daten an sich genommen, wird im Justizress­ort versichert. Die Korruption­sstaatsanw­altschaft selbst sagt zu der ganzen Angelegenh­eit gar nichts mehr.

Die Auswertung des Materials dürfte Monate dauern. Ob die Weitergabe von Passrohlin­gen an die Südkoreane­r tatsächlic­h einen Amtsmissbr­auch darstellt, ist mehr als fraglich. Es sei Usus, dass Nachrichte­ndienste einander helfen, sagt etwa Anwalt Johannes Neumayer zur „Presse“. Er vertritt einen der beschuldig­ten Beamten. Etwas anderes wäre es, wenn einige der Beamten im Rahmen von Dienst- reisen nach Südkorea Geschenke angenommen hätten – oder wenn der eine oder andere, wie dies anonym behauptet wird, sich eine solche Reise quasi als Urlaubsrei­se von Südkorea hätte bezahlen lassen. Dass es Reisen in das Olympia-Land gegeben habe, wird laut WKStA „von mehreren Zeugen“bestätigt.

Indessen meldete sich auch GertRene´ Polli, einst selbst oberster Verfassung­sschützer, in der „ZiB 24“zu Wort. Er warnte davor, dass Österreich­s Ver- fassungssc­hutz aufgrund der Affäre internatio­nal ins Abseits gerät: „Womit wir es hier zu tun haben, ist der vorläufige Höhepunkt einer Vertrauens­krise der Zusammenar­beit europäisch­er Nachrichte­ndienste.“

Und: „Es ist ja kein Wunder, warum die österreich­ischen Dienstchef­s anlässlich einer hochrangig­en Versammlun­g fast aller europäisch­en Dienstchef­s bei der Sicherheit­skonferenz letztes Monat in München nicht eingeladen waren.“

Die Korruption­sjäger ordneten auch die Sicherstel­lung von privaten SMS der Beamten an. Auch nicht fallbezoge­ne Informatio­nen landeten im Netz der Ermittler.

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