Die Ministerin, die nicht laut sein will
Sie soll ein modern-progressives Vorbild für Frauen sein, aber bitte nicht zu modern und progressiv: Juliane Bogner-Strauß ist seit Dezember Frauenministerin – und bisher wenig aufgefallen. Wer ist sie, und was will sie erreichen?
Ein wenig erinnert das Setting an die ehemalige Ministerin Sophie Karmasin. Nicht nur, weil das Büro an der Unteren Donaustraße dasselbe ist: Sterile weiße Wände, cremefarbiger Teppich, grüngelbe Sessel. Auch zur Frau, die jetzt hier arbeitet, gibt es Parallelen: Die 46-jährige Juliane Bogner-Strauß wurde im Dezember überraschend Ministerin. Ohne tiefe Verwurzelung in der ÖVP holte sie Parteichef Sebastian Kurz in die Regierung. Und genauso wie Karmasin ist Bogner-Strauß nun für die Familienagenden zuständig. Aber: Sie erhielt auch die Frauenagenden dazu.
Ihre Ernennung blieb nicht ohne Kritik: Üblicherweise werden Quereinsteiger geholt, damit sie ihre Fachexpertise einbringen. Sie kennen sich in ihrem Ressort thematisch aus – dafür müssen sie, anders als Berufspolitiker, erst den Umgang mit Medien und Mitstreitern lernen. Für Bogner-Strauß ist es auf beiden Ebenen eine Herausforderung: Die Molekularbiologin streifte in ihrer beruflichen Laufbahn das Thema Gleichstellung nur am Rande. Jetzt muss sie sich nicht nur die politischen Spielregeln aneignen, sondern auch frauenpolitisches Fachwissen.
Vielleicht blieben deshalb mutige Ansagen und Visionen bisher aus. Ein Ziel, wohin die Frauenministerin Österreich führen möchte, hat sie bislang nicht formuliert. Eher grobe Überschriften: Die Lohnschere muss geschlossen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert werden. Frauenpolitik ist für sie, „es selbstverständlich zu machen, dass Gleichberechtigung und Gleichstellung herrscht“, sagt sie der „Presse am Sonntag“. Einen Plan, wie sie das erreichen will, hat sie nicht auf den Tisch gelegt.
Das könnte zwei Gründe haben: Bogner-Strauß hat solche Pläne nicht. Oder sie kann sie nicht ungefiltert kommunizieren. Minister ohne Lobby in der Partei haben es schwer. Und ein Abweichen von der offiziellen Linie wird nicht gern gesehen – schon gar nicht im straff organisierten Kabinett Kurz.
Was will Bogner-Strauß also erreichen? Aus Sicht der Regierung soll sie vor allem ein Vorbild für moderne und progressive Frauen sein. Eine, die vorzeigt: Seht her, ich habe es auch geschafft. Und zwar beides: Karriere und Kinder. Das hat sie. Sie hat es zur Professorin gebracht und mit ihrem Mann drei Kinder großgezogen. Auf die Frage, wie sie das vereinbart hat, reagiert sie allergisch – weil man das einen Mann auch nicht fragen würde.
Ein Abweichen von der Linie wird im Kabinett Kurz nicht gern gesehen.
Rücksicht auf die FPÖ. Dass BognerStrauß diese Rolle nicht spielt, sondern tatsächlich so ist, glauben ihr sogar Beobachterinnen aus anderen Parteien. „Sie hat ja ihr eigenes Leben so gestaltet“, sagt eine Abgeordnete. Aber: Fachspezifisch sei sie „zu naiv“. Die Wirkung bestimmter Maßnahmen wie die sogenannte Herdprämie für Frauen, die ihre Kinder zu Hause betreuen, könne sie nicht einschätzen. Genauso wie sie bestimmte Forderungen wie einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung aus taktischen Gründen nicht formulieren könne – selbst wenn sie theoretisch wollte. Zu modern, zu progressiv soll die Frauenpolitik dann doch nicht daherkommen. Auch aus Rücksicht auf Koalitionspartner FPÖ.
Maria Stern, Frauensprecherin der Liste Pilz, war „positiv überrascht“vom Auftreten der Ministerin. Bei einem Treffen im Parlament sei sie durchaus zugänglich gewesen – was Stern von einer Ministerin der türkis-blauen Regierung nicht unbedingt erwartet hätte. Konkrete Forderungen habe sie aber keine gehört. Ob Bogner-Strauß eine Vision habe? „Im Bereich Kinderbetreuung ja, sonst nein“, glaubt Stern.
Ähnlich hat Lena Jäger die Ministerin erlebt. Als Projektleiterin des Frauenvolksbegehrens durfte sie Anfang Februar bei ihr vorstellig werden. Pragmatisch-feministisch nennt Jäger den Zugang des Volksbegehrens. Als pragmatische Feministin beschreibt sich auch die neue Frauenministerin. Das Volksbegehren unterschreibt sie bekanntlich trotzdem nicht.
Zu verschieden sind die Visionen. „Ich habe sie als sehr fortschrittlich erlebt. Aber sie spricht schon aus einem sehr privilegierten Blickwinkel“, sagt sie über die Ministerin, die sich selbst als „modern-konservativ“beschreibt. Jäger meint den Plan der Regierung, die Gesetze bei der Anstellung von Aupair-Kräften zu vereinfachen. „Wessen Lebensrealität ist das?“Während Türkis-Blau die Verschiedenheit von Mann und Frau hervorstreicht, betont Jäger lieber die Verschiedenheit jedes Menschen. Die Handschrift des Regierungsprogramms findet sie konservativ. Das Verhältnis zur Ministerin sei gut, aber: „Bei diesen Punkten kommen wir nicht zusammen.“
Wesentlich kritischer sieht es Bogner-Strauß’ Vorvorgängerin im Frauenressort: „Die Regierung hat nicht vor, Frauenpolitik zu machen. Und BognerStrauß ist intelligent genug, das zu wissen“, sagt Gabriele Heinisch-Hosek. Die SPÖ-Nationalratsabgeordnete hatte als Ministerin von 2008 bis 2016 fast durchgehend die Frauenagenden inne. Die Einkommensberichte, zu denen Heinisch-Hosek Unternehmen verpflichtet hat, will Bogner-Strauß jetzt bekannter machen. Sonst haben die zwei Frauen wenig gemeinsam. Heinisch-Hosek stand für Quoten, verpflichtende Väterbeteiligung an der Karenz und Betreuungsplätze statt finanzieller Familienförderung. BognerStrauß setzt lieber auf Wahlfreiheit. Zu dieser Linie passt der Familienbonus, den die Regierung als erstes Prestigeprojekt beschlossen hat. Kinderbetreuungskosten können dafür nicht mehr von der Steuer abgesetzt werden. Den Ausbau der Kinderbetreuung hat sich Türkis-Blau zwar ins Programm geschrieben. Ob dafür auch zusätzliches Geld fließt, muss erst verhandelt werden.
Wäre der Gratiskindergarten, wie es ihn in Wien gibt, ein Modell für ganz Österreich? Das sei Sache der Bundesländer, sagt die Ministerin. Kinderbetreuungskosten sind in ihren Augen aber kein Hindernis, wenn man arbeiten gehen möchte: „Man muss in dieser Zeit Geld in die Hand nehmen, um für den Rest des Lebens vorzusorgen.“Wer zu lang aussetzt oder Teilzeit arbeitet, dem drohe Altersarmut. Nicht aktivistisch. „Entlasten“und „Wahlfreiheit“sind die Prinzipien der türkis-blauen Familienpolitik. Entlastet werden steuerzahlende Familien mit bis zu 1500 Euro pro Kind. Allein in ihrem jüngsten Interview in der „ZiB 2“hat Bogner-Strauß das 13 Mal betont. Wahlfreiheit heißt für sie, dass sich jede Frau aussuchen kann, ob sie arbeiten geht oder ihre Kinder zu Hause betreut. „Ich bin mir sicher, dass das in Österreich verwirklicht ist“, sagt sie. Bleibt die Frage, wozu es dann noch eine Frauenministerin braucht. Sie brauche es so lang, bis Gleichstellung herrsche, sagt die Ministerin.
Die Einkommensschere zu schließen, nimmt sie sich erst gar nicht vor, lieber „verringern“. Dazu will BognerStrauß die Einkommensberichte evaluieren. Sanktionen kommen für sie nicht infrage, genauso wenig hält sie von Frauenquoten.
Heinisch-Hosek sprach oft von Pflichten und Strafen. Kein Wunder also, dass sie von der Neoministerin „keine großen Sprünge“erwartet. Sie kritisiert, dass die Frauenagenden mit dem Familienressort zusammengespannt wurden. „In einer fortschrittli- chen Regierung würde das funktionieren, so ist Frauenpolitik maximal ein Nebenprodukt.“Und Bogner-Strauß ist ihrer Meinung nach auch keine Frauenministerin – weil sie sich nicht um die Anliegen aller Frauen kümmere und keine großen Pläne habe.
Kinderbetreuungskosten sieht sie nicht als Hindernis, wenn man arbeiten möchte. Bogner-Strauß lebt modern, hat aber kein Problem mit dem traditionellen Lebensstil.
Als Angehörige der größten Oppositionspartei und eines ganz anderen politischen Lagers muss die Ex-Ministerin mit ihrer Nachfolgerin hart ins Gericht gehen. Aber was lässt sich ohne politische Hintergedanken über Juliane Bogner-Strauß und ihre Agenda sagen? Jedenfalls, dass sie keine typische Frauenpolitikerin ist: Diese sind nämlich üblicherweise laut und aktivistisch. Das sei nicht ihr Stil, sagt BognerStrauß. Als Wissenschaftlerin gehe sie die Dinge anders an.
Türkis-Blau hat Frauenpolitik als Familienpolitik definiert. Und sich die passende Ministerin dazu ausgesucht: Bogner-Strauß teilt sich die häuslichen Pflichten mit ihrem Mann, hat aber auch kein Problem mit traditionellen Familienentwürfen. Pragmatisch ist sie. Klassisch feministisch eher nicht.