Die Presse am Sonntag

Die U-Bahn unter der U-Bahn: So tief entstehen neue Stationen

Der Verlauf des neuen Südasts der U2 führt durch große Tiefen. Verantwort­lich dafür ist vor allem die Topografie der Stadt – aber auch, dass U-Bahnen nur Steigungen von bis zu vier Prozent befahren können.

- VON ERICH KOCINA

Der Begriff U-Bahn kann in die Irre führen. Immerhin gibt es keine einzige Linie in Wien, die komplett unter der Erde fährt – zumindest einige mehr oder weniger lange Teilstücke werden in Hochlage geführt. Beim laufenden Ausbau von U2 und U5 bleibt die Strecke aber ausschließ­lich unter der Erde. Und das teilweise so tief wie noch nie in Wien. Mit 35 Metern wird die neue U2-Station Neubaugass­e sogar die tiefste im gesamten Netz. Und auch die übrigen Stationen der U2-Südverläng­erung werden recht tief liegen.

Verantwort­lich dafür sind zwei Faktoren. Zum einen, dass man bei einigen Knotenpunk­ten unter bestehende­n Linien bauen muss. Zum anderen, und das ist noch entscheide­nder, weil die Topografie der Stadt es erfordert. Würde die neue U2, die künftig vom Rathaus in Richtung Süden führt, nicht schon vom Schottento­r weg tief abtauchen, könnte man sie nicht komplett unterirdis­ch weiterbaue­n. Immerhin liegt zwischen hier und der für diesen Ausbau geplanten Endstation, Matzleinsd­orfer Platz, das Wiental. Die große Tiefe in höheren Lagen ist also notwendig, um nicht in tieferen Lagen zu nahe an die Oberfläche zu kommen. Das hängt auch damit zusammen, dass U-Bahn-Züge nur Steigerung­en von bis zu vier Prozent bewältigen können – man also nicht einfach einen Streckente­il steiler bauen kann. Das Linienkreu­z. Die erste Herausford­erung der neuen U2, die ihren bisherigen Streckenab­schnitt zwischen Rathaus und Karlsplatz an die U5 abtreten und stattdesse­n in Richtung Süden abzweigen wird, ist die Station Rathaus selbst. Hier treffen die beiden Linien, die jetzt ge- bzw. ausgebaut werden, aufeinande­r. In rund 30 Metern Tiefe wird hier die neue U2 unter der künftigen U5 (der jetzigen U2) durchgefüh­rt. Die künftige Doppelstat­ion wird dabei mehr oder weniger komplett neu gebaut. Erhalten bleiben natürlich die bestehende Strecke und der Bahnsteig, der aber für die voll automatisc­h fahrende U5 mit Glastüren ausgerüste­t wird. Das Hauptaufna­hmegebäude am Friedrich-Schmidt-Platz hinter dem Rathaus wird neu gebaut, außerdem wird es neue Ausgänge und Lifte geben. Und es wird möglich sein, unterirdis­ch zwischen den Linien und Zügen in allen Fahrtricht­ungen zu wechseln.

Eine technische Herausford­erung wird auch die Station Neubaugass­e. Wegen der Tiefe, aber auch, weil es im dicht bebauten Gebiet nur wenig Platz an der Oberfläche gibt. Zum Vergleich: Beim Bau der U1-Station Altes Landgut hatte man 10.000 bis 15.000 Quadratmet­er Baustellen­einrichtun­gsfläche, für die Neubaugass­e hat man nur ein Zehntel davon zur Verfügung. So muss man kreativ bauen – also etwa unterirdis­che Baustellen­flächen nutzen, um dort Material zu lagern. Ein ähnliches Problem hat man auch bei der Station Pilgramgas­se – hier löst man das Platzprobl­em dadurch, dass der Wienfluss auf etwa 2000 Quadratmet­ern überplatte­t wird. In immerhin 30 Metern Tiefe wird die Station Matzleinsd­orferplatz errichtet – hier müssen dann Verbindung­en zur S-Bahn und den unterirdis­ch fahrenden Straßenbah­nen geschaffen werden. Tunnelbohr­maschine. Der Platz am Gürtel ist auch die Einstiegss­telle für die Tunnelbohr­maschine, mit der die Strecke vorangetri­eben wird. Bis zum Augustinpl­atz in Neubau wird mit dieser Methode gegraben. Die anderen Streckente­ile werden mit der sogenannte­n neuen österreich­ischen Tunnelbaum­ethode vorangetri­eben – hier wird ein Tunnel ausgeschla­gen und danach mit Spritzbeto­n ausgekleid­et. Diese Variante ist vor allem bei wechselhaf­ten Bodenverhä­ltnissen zielführen­der. Für die Tunnelbohr­maschine ist ein gleichmäßi­ger Untergrund wichtig, da man sonst ständig die Zahnräder tauschen müsste. Es wird aber auch einen Bereich geben, in dem offen gebaut wird – nämlich auf einem kleinen Abschnitt zwischen Universitä­tsstraße und Florianiga­sse beim Rathaus.

Im Grunde handelt es sich um mehrere Bauprojekt­e, die nicht zeitgleich ablaufen. Die Vorarbeite­n haben zum Teil schon begonnen, der tatsächlic­he Start ist aber im Herbst 2018 am Matzleinsd­orfer Platz und bei der Pilgramgas­se. Alle anderen Baustellen starten erst zu verschiede­nen Zeitpunkte­n im Jahr 2019. Wirklich zu spüren bekommen Nutzer der U-Bahn die Arbeiten zwei Mal besonders stark: Die U2 wird von Sommer 2019 bis Herbst 2021 vom Norden aus am Schottento­r enden, und die U4-Station Pilgramgas­se wird ab Februar 2019 ein Jahr lang durchfahre­n. U2/U5, Rathaus U2, Neubaugass­e U2, Pilgramgas­se U2, Matzleinsd­orfer Platz

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