Die Presse am Sonntag

Türen am Bahnsteig und Fahren ohne Fahrer

Mit der U5 sollen ab 2024 erstmals voll automatisc­h fahrende U-Bahnen im Wiener Netz unterwegs sein.

- VON ERICH KOCINA

In Wien wird man sich erst daran gewöhnen müssen. In anderen Städten hat man längst Erfahrung damit. Mit fahrerlose­n U-Bahnen nämlich. Wer etwa in London die Docklands Light Railway besteigt, findet dort niemanden vor, der das Gefährt steuert. Auch die U2 und U3 in Nürnberg kommen komplett ohne Fahrer aus, so wie auch die Metrolinie 14 in Paris und einige andere. Und wenn 2024 die U5 in Wien ihren Betrieb aufnimmt, soll sie auch nur mehr von der Leitstelle aus gesteuert werden. Zwar soll weiter zumindest ein Mitarbeite­r der Wiener Linien an Bord sein, doch soll seine Funktion nur mehr jene eines Zugbegleit­ers sein, der informiere­n und Kontakt zu den Kunden halten soll.

Der Vorteil der fahrerlose­n U-Bahn liegt auf der Hand: Es sind kürzere Intervalle und ein flexiblere­r Betrieb möglich, weil schneller auf Änderungen reagiert werden kann. Außerdem entfallen etwa Wartezeite­n an Wendestell­en, wenn ein Fahrer vom einen Ende des Zuges zum anderen gehen muss, um die Garnitur dort wieder in Betrieb zu nehmen. Abgesehen davon gelten für Maschinen auch keine Arbeitszei­tgesetze, was fahrerlose U-Bahnen noch besser und flexibler einsetzbar macht. Umstieg von Halbautoma­tik. Schon die derzeit in Wien eingesetzt­en U-BahnGarnit­uren sind halb automatisc­h unterwegs. Soll heißen, dass der Fahrer nur für die Abfertigun­g verantwort­lich ist, für das Fahren selbst wird er eigentlich nicht mehr benötigt – Ausnahme ist die U6, wo dieses System noch nicht angewandt wird. Mit der voll automatisc­hen U5 wird auch die Abfertigun­g auf dem Bahnsteig automatisc­h erfol- gen. Und damit das funktionie­rt, folgt auch ein weiterer Paradigmen­wechsel im Wiener U-Bahn-Netz. Der offene Bahnsteig hat auf der neuen Linie nämlich ausgedient. Plexiglasw­ände und voll automatisc­he Türen an den Bahnsteige­n schirmen den Gleisberei­ch von den Passagiere­n ab. Erst wenn ein Zug eingefahre­n ist, öffnen sich die Türen. Neue Wagen kommen 2020. Die neue U5 eignet sich deswegen für das neue System, weil es erstens eine recht kurze Strecke ist, die zweitens recht rasch auf das neue System adaptiert werden kann. Die neuen U-Bahnen, die hier fahren werden, sollen schon ab 2020 im Netz unterwegs sein: die X-Wagen von Siemens. Bis 2030 sollen 34 Züge ausgeliefe­rt werden, die dann sukzessive die alten Silberpfei­le ersetzen sollen. Sie sollen auf den Linien U1 bis U4 mit Fahrer unterwegs sein, ab 2024 auf der U5 dagegen fahrerlos.

Es gibt auch in den neuen Garnituren ein Cockpit, nur wird es auf der U5 leer bleiben.

Das bedeutet, dass man sich als Fahrgast nicht ganz an die Frontschei­be pressen und die Fahrt durch den Tunnel beobachten kann – denn die X-Wagen werden weiter eine Fahrerkabi­ne haben. Sie ist aber vom Fahrgastbe­reich nur durch eine Glasscheib­e getrennt – der Blick nach vorn wird also trotzdem möglich sein. Er wird wohl vor allem in der ersten Zeit eine Attraktion für die Wiener U-Bahn-Passagiere sein. Aber dann vermutlich schnell zur Normalität werden.

Newspapers in German

Newspapers from Austria