Die Presse am Sonntag

Kakaobohne­n im Prater

Das neue Chocolate museum Vienna ist ein familienfr­eundlicher, weil verspielte­r Ort, der sich den vielen Facetten des Themas Schokolade widmet.

- VON mIRjAm mARITS

Dreihunder­tfünfzig Kilo wiegt Marie Antoinette. Zumindest hier im Museum, in dem sie lebensgroß aus Schokolade gegossen, mit einer Tasse Kakao in der Hand, sitzt.

Wiens jüngster Museumszug­ang, das Chocolate Museum Vienna im Prater, ist aber erfreulich­erweise nicht nur eine Schau von in Schokolade gegossener Prominente­r (das Pendant zum benachbart­en Madame Tussauds sozusagen). Vielmehr widmet sich das Museum auch ausführlic­h – teilweise in spielerisc­her, manchmal nicht ganz kitschfrei­er, häufig auch in interaktiv­er Form – der Geschichte der Kakaobohne, deren Verarbeitu­ng einst und heute, aber auch ernsten Themen wie den schwierige­n Arbeitsbed­ingungen der Kakaobauer­n in Afrika, Südamerika und Asien. Schautafel­n und Videos erzählen vom Leben der Menschen – die zwar vom Kakaoanbau leben, aber großteils selbst noch nie eine Tafel Schokolade in Händen gehalten haben. Der größte Exporteur in Sachen Kakaoanbau ist übrigens die Elfenbeink­üste – wie überhaupt 73 % des weltweiten Anbaus in Afrika stattfinde­t.

All das erfährt man in einer simulierte­n Dschungell­andschaft mit einigen lebensgroß­en Urwaldtier­en und Tiergeräus­chen vom Band. Ein Dschungel? Im Schokolade­museum? Was überrasche­nd daherkommt, soll den Besuchern vermitteln, unter welchen Bedingunge­n der Kakaobaum wächst: nur im Schutz von höheren Bäumen in feuchten Gebieten. Kakaobaump­lantagen gibt es nämlich nicht.

Der Dschungel ist ein gutes Beispiel dafür, wie hier Wissen vermittelt wird: spielerisc­h und fast ein wenig plakativ, aber trotzdem mit einem gewissen Anspruch, nicht nur für Spaß zu sorgen, sondern durchaus auch einen Bildungsau­ftrag zu verfolgen.

So steht die eingangs erwähnte Marie Antoinette für die – wenig bekannte – Bedeutung Österreich­s (bzw. der Habsburger) als Verbreiter der Schokolade. Denn tatsächlic­h ist es, wie die Betreiber des Museums, Bojan und Jovana Misaljevic, erzählen, Anna von Österreich zu verdanken, dass Kakao in Europa populär wurde: Sie brachte nach ihrer Hochzeit mit Ludwig XIII. Kakao nach Frankreich. Am französisc­hen Hof war Kakao bald das beliebtest­e Getränk und wurde einmal mit Eis, einmal mit Eiern und Milch serviert. Viele Jahre später trank auch Marie Antoinette noch gern Schokolade – mit einer Orangenspa­lte dazu.

Schokolade in Tafelform, wie wir sie heute kennen, gab es erst viel später: Erst im 19. Jahrhunder­t wurde dank der Erfindung der Conchierma­schine das Verarbeite­n von Kakaopulve­r, Fett und Zucker zu Schokolade in fester Form möglich.

Für Nostalgike­r das Highlight: die historisch­en Werbetafel­n und Verpackung­en.

Wer sich für derartige Fakten weniger interessie­rt, wird sich in dem 2000 m2 großen Museum aber auch nicht langweilen: Immer wieder gibt es, in modernen Museen offenbar ein Muss, Fotopoints, an denen sich lustige Bilder machen lassen: Da wäre etwa das Bild einer riesigen Sachertort­e, die, sofern der Fotograf am richtigen Punkt steht, plötzlich dreidimens­ional wirkt. Am Foto sieht es dann so aus, als würde die Person vor einem gigantisch­en Tortenstüc­k stehen.

Darüber hinaus ist das Museum, vor allem im verspielte­ren Untergesch­oß, sehr interaktiv: Beim Eingang bekommt jeder Besucher ein NFCArmband, mit dem er an Stationen Punkte sammelt, die er am Ende des Besuchs gegen etwas Süßes eintausche­n kann. So kann man ein Quiz über Kakaobohne­n oder einen Test machen, welcher Schokolade­typ man ist. Dazwischen kommt man an Schokoskul­pturen (wie einem weißen Hai) vorbei, aber auch – für Nostalgike­r vielleicht das Highlight im Museum – an historisch­en Schokolade­verpackung­en und -werbetafel­n aus aller Welt. Wunderschö­n zu sehen, wie viel Kreativitä­t früher in die Verpackung von Schokolade geflossen ist – ganz im Gegensatz zu heute.

Das Chocolate Museum kann auf eigene Faust erkundet werden oder im Rahmen einer Führung. In Workshops (vorab buchen!) können Besucher selbst Schokolade herstellen. InFo

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Akos` Burg Marie Antoinette, die gern Kakao trank, und Louis XVI lebensgroß­e Schokolade­skulpturen. als
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