Der Aufschlag zurück ins Leben
Marion Bartoli, Wimbledon-Siegerin 2013, wog nach Psychoterror ihres Freundes und Krankheit nur noch 41 Kilo, wäre beinahe gestorben. Jetzt kehrt sie auf den Tennisplatz zurück.
Es ist eines der aufsehenerregendsten Comebacks in der Geschichte des Damentennis. Nicht, weil Marion Bartoli den allerklingendsten Namen hat, sondern, weil die Geschichte der Französin bewegt und unter die Haut geht. Ab 19. März will Bartoli, so der Plan, beim Millionenturnier in Miami auf die Tour zurückkehren. Eine Rückkehr, die in vielerlei Hinsicht bemerkenswert ist. Ihr bislang letztes Match bestritt die 33-Jährige im August 2013, 40 Tage nachdem sie mit dem Triumph in Wimbledon den Höhepunkt ihrer Karriere erreicht hatte. Es war ein abruptes Ende, ein nicht vorhersehbares. Vor der verblüfften Presse erklärte sie damals: „Ich werde nicht zurückkommen, ich bin nicht so. Es ist zu Ende.“
14 Profijahre hatten Bartolis Körper viel abverlangt. Sie klagte über Schmerzen in der Achillessehne, „dazu kommen meine Schultern, meine Hüfte und der Rücken. Mein Körper ist einfach fertig.“Über viereinhalb Jahre später klingt Marion Bartoli anders. Sie fiebert ihrem Comeback entgegen, hat es sich zur allergrößten Aufgabe gemacht, weil das Leben sie in der jüngeren Vergangenheit vor so viele Prüfungen gestellt hat.
Rückblick: Als Bartoli im Frühjahr 2014 ihren späteren Freund kennenlernt, gerät sie auf die schiefe Bahn. „Ich habe mich von jemand anderem zerstören lassen“, sagt sie später. Der Mann, dessen Namen sie niemals nennen wollte, spielt in Gesprächen immer wieder auf ihr Gewicht an. „Er hat auf der Straße auf schlanke Frauen gedeutet und zu mir gesagt: ,Siehst du, wie dünn und hübsch sie sind?‘ Irgendwann hat er mir jeden Tag gesagt, dass ich zu fett bin. Also habe ich eine Diät begonnen, die einfach nicht mehr aufgehört hat.“
Die ehemalige Top-Ten-Spielerin baut nach und nach mehr an Gewicht ab, innerhalb von 18 Monaten verliert sie 23 Kilo, wiegt nur noch 52 Kilo. Auf Instagram gepostete Bilder der spindeldürren Dame aus der Kleinstadt Le Puy-en-Velay schockieren, doch Bartoli lächelt darauf, verkauft sich öffentlich als Fitnessfreak. Dabei bewegt sie sich längst in einem Teufelskreis, weiß keinen Ausweg mehr – und der Tiefpunkt steht ihr noch bevor. Lebensbedrohlich. Auf einer Reise durch Indien verschlimmert die Folge eines Moskitostichs die Situation drastisch. Bei Bartoli wird ein Virus, „eine Form der Schweinegrippe“, diagnostiziert, wie Ärzte später feststellen sollen. 15 Tage lang plagen sie 40 Grad Fieber, Bartoli verliert weiter an Substanz, die Waage zeigt nur noch alarmierende 41 Kilo an. Zu diesem Zeitpunkt machen Gerüchte um Magersucht („Ich war nie magersüchtig“) längst die Runde. Befeuert werden diese, als die Wimbledon-Veranstalter Bartoli 2016 aus gesundheitlichen Gründen vom Legenden-Doppel ausladen.
Erst dann macht die ehemalige Weltranglistensiebente ihre Viruserkrankung öffentlich, sie erklärt: „Ich fürchte um mein Leben, habe Angst, dass mein Herz aufhört zu schlagen. Was ich durchmache, ist ein absoluter Horror.“Ihr Körper verweigert bis auf ein paar wenige Ausnahmen wie Biosalat und Gurken („Die Schale vertrage ich nicht“) alles. „Ich hoffe und bete, dass die Ärzte mich heilen können.“Bartoli begibt sich daraufhin in eine Spezialklinik nach Italien, verbringt dort vier Monate. Es ist die wichtigste Entscheidung ihres Lebens. „Wenn man mich nicht von Wimbledon ausgeladen hätte, wäre ich in meinem Zustand, mit so wenig Gewicht, wahrscheinlich auf dem Platz gestorben.“
Allmählich kämpft sich Bartoli zurück ins Leben. Bereits im November 2016 nimmt sie am New-York-Marathon teil (Laufzeit: 5:40 Stunden), die Lust auf den Spitzensport ist wieder geweckt. Im Oktober des Vorjahres be-
hat Marion Bartoli im Lauf ihrer Karriere bislang gewonnen, der große Coup gelang ihr mit dem Triumph in Wimbledon 2013.
Kilogramm
verlor die Französin innerhalb von nur 18 Monaten. Als Bartoli zusätzlich an der Schweinegrippe erkrankte, wog sie nur noch 41 Kilo. „Ich wäre beinahe gestorben.“
Monate
hat Bartoli kein Match auf der WTA-Tour bestritten, ihr bislang letztes verlor sie im August 2013 gegen die Rumänin Simona Halep. Anschließend meinte sie: „Das war mein letztes Spiel. Es ist Zeit für mich zu gehen.“ Beim WTA-Turnier in Miami ab 18. März will sie zurückkehren. schließt sie, auf die Tour zurückkehren zu wollen, versammelt ein Team um sich und setzt in den französischen Alpen auf 3000 Metern Seehöhe erste Schritte, um sich physisch wieder ihrer Bestform zu nähern. Mehr Power, mehr Kilos. Bartoli fühlt sich heute zwar wieder wohl in ihrem Körper, der jüngste Formtest bei einem Einladungsturnier in New York vor wenigen Tagen ließ die meisten Beobachter aber rätselnd zurück. Die achtfache Turniersiegerin scheint gegenwärtig so weit wie nie davon entfernt, richtig durchtrainiert zu sein. Während ihrer ersten aktiven Karriere hatte ihr streitbarer Vater, Walter, ihr immer wieder eingebläut, sie benötige ein paar zusätzliche Kilos, um richtiges Powertennis spielen zu können.
»Irgendwann hat mir mein Freund jeden Tag gesagt, dass ich zu fett bin.« Bartoli ist noch weit davon entfernt, durchtrainiert zu sein. Kann sie so Spiele gewinnen?
Bartoli jedenfalls sieht sich auf dem richtigen Weg, hält es für möglich, nach über vier Jahren Absenz und der damit verbundenen, langen Leidensgeschichte wieder um die größten Titel mitspielen zu können. „Ich denke nicht, dass das Level nun so viel besser ist als zu der Zeit, als ich Wimbledon gewonnen habe. Vielleicht hat sich das Tennis ein bisschen entwickelt, aber das bekomme ich hin“, meint Bartoli, die Vor- und Rückhand weiterhin beidhändig schlägt und ihre eigenwillige Aufschlagbewegung etwas adaptiert hat, um ihre Schulter zu schonen.
Neben Miami stehen das Turnier im mexikanischen Monterrey und womöglich ein Dutzend weiterer Events auf dem Spielplan, auf jeden Fall will die Rückkehrerin bei den Grand Slams in Paris, Wimbledon und New York aufschlagen. Und egal, wie dieses Comeback sportlich verlaufen mag, Bartoli fühlt sich bereits jetzt als Siegerin: „Einfach wieder glücklich zu sein ist für mich schon ein großer Erfolg.“