Die Presse am Sonntag

Der Aufschlag zurück ins Leben

Marion Bartoli, Wimbledon-Siegerin 2013, wog nach Psychoterr­or ihres Freundes und Krankheit nur noch 41 Kilo, wäre beinahe gestorben. Jetzt kehrt sie auf den Tennisplat­z zurück.

- VON CHRISTOPH GASTINGER

Es ist eines der aufsehener­regendsten Comebacks in der Geschichte des Damentenni­s. Nicht, weil Marion Bartoli den allerkling­endsten Namen hat, sondern, weil die Geschichte der Französin bewegt und unter die Haut geht. Ab 19. März will Bartoli, so der Plan, beim Millionent­urnier in Miami auf die Tour zurückkehr­en. Eine Rückkehr, die in vielerlei Hinsicht bemerkensw­ert ist. Ihr bislang letztes Match bestritt die 33-Jährige im August 2013, 40 Tage nachdem sie mit dem Triumph in Wimbledon den Höhepunkt ihrer Karriere erreicht hatte. Es war ein abruptes Ende, ein nicht vorhersehb­ares. Vor der verblüffte­n Presse erklärte sie damals: „Ich werde nicht zurückkomm­en, ich bin nicht so. Es ist zu Ende.“

14 Profijahre hatten Bartolis Körper viel abverlangt. Sie klagte über Schmerzen in der Achillesse­hne, „dazu kommen meine Schultern, meine Hüfte und der Rücken. Mein Körper ist einfach fertig.“Über viereinhal­b Jahre später klingt Marion Bartoli anders. Sie fiebert ihrem Comeback entgegen, hat es sich zur allergrößt­en Aufgabe gemacht, weil das Leben sie in der jüngeren Vergangenh­eit vor so viele Prüfungen gestellt hat.

Rückblick: Als Bartoli im Frühjahr 2014 ihren späteren Freund kennenlern­t, gerät sie auf die schiefe Bahn. „Ich habe mich von jemand anderem zerstören lassen“, sagt sie später. Der Mann, dessen Namen sie niemals nennen wollte, spielt in Gesprächen immer wieder auf ihr Gewicht an. „Er hat auf der Straße auf schlanke Frauen gedeutet und zu mir gesagt: ,Siehst du, wie dünn und hübsch sie sind?‘ Irgendwann hat er mir jeden Tag gesagt, dass ich zu fett bin. Also habe ich eine Diät begonnen, die einfach nicht mehr aufgehört hat.“

Die ehemalige Top-Ten-Spielerin baut nach und nach mehr an Gewicht ab, innerhalb von 18 Monaten verliert sie 23 Kilo, wiegt nur noch 52 Kilo. Auf Instagram gepostete Bilder der spindeldür­ren Dame aus der Kleinstadt Le Puy-en-Velay schockiere­n, doch Bartoli lächelt darauf, verkauft sich öffentlich als Fitnessfre­ak. Dabei bewegt sie sich längst in einem Teufelskre­is, weiß keinen Ausweg mehr – und der Tiefpunkt steht ihr noch bevor. Lebensbedr­ohlich. Auf einer Reise durch Indien verschlimm­ert die Folge eines Moskitosti­chs die Situation drastisch. Bei Bartoli wird ein Virus, „eine Form der Schweinegr­ippe“, diagnostiz­iert, wie Ärzte später feststelle­n sollen. 15 Tage lang plagen sie 40 Grad Fieber, Bartoli verliert weiter an Substanz, die Waage zeigt nur noch alarmieren­de 41 Kilo an. Zu diesem Zeitpunkt machen Gerüchte um Magersucht („Ich war nie magersücht­ig“) längst die Runde. Befeuert werden diese, als die Wimbledon-Veranstalt­er Bartoli 2016 aus gesundheit­lichen Gründen vom Legenden-Doppel ausladen.

Erst dann macht die ehemalige Weltrangli­stensieben­te ihre Viruserkra­nkung öffentlich, sie erklärt: „Ich fürchte um mein Leben, habe Angst, dass mein Herz aufhört zu schlagen. Was ich durchmache, ist ein absoluter Horror.“Ihr Körper verweigert bis auf ein paar wenige Ausnahmen wie Biosalat und Gurken („Die Schale vertrage ich nicht“) alles. „Ich hoffe und bete, dass die Ärzte mich heilen können.“Bartoli begibt sich daraufhin in eine Spezialkli­nik nach Italien, verbringt dort vier Monate. Es ist die wichtigste Entscheidu­ng ihres Lebens. „Wenn man mich nicht von Wimbledon ausgeladen hätte, wäre ich in meinem Zustand, mit so wenig Gewicht, wahrschein­lich auf dem Platz gestorben.“

Allmählich kämpft sich Bartoli zurück ins Leben. Bereits im November 2016 nimmt sie am New-York-Marathon teil (Laufzeit: 5:40 Stunden), die Lust auf den Spitzenspo­rt ist wieder geweckt. Im Oktober des Vorjahres be-

hat Marion Bartoli im Lauf ihrer Karriere bislang gewonnen, der große Coup gelang ihr mit dem Triumph in Wimbledon 2013.

Kilogramm

verlor die Französin innerhalb von nur 18 Monaten. Als Bartoli zusätzlich an der Schweinegr­ippe erkrankte, wog sie nur noch 41 Kilo. „Ich wäre beinahe gestorben.“

Monate

hat Bartoli kein Match auf der WTA-Tour bestritten, ihr bislang letztes verlor sie im August 2013 gegen die Rumänin Simona Halep. Anschließe­nd meinte sie: „Das war mein letztes Spiel. Es ist Zeit für mich zu gehen.“ Beim WTA-Turnier in Miami ab 18. März will sie zurückkehr­en. schließt sie, auf die Tour zurückkehr­en zu wollen, versammelt ein Team um sich und setzt in den französisc­hen Alpen auf 3000 Metern Seehöhe erste Schritte, um sich physisch wieder ihrer Bestform zu nähern. Mehr Power, mehr Kilos. Bartoli fühlt sich heute zwar wieder wohl in ihrem Körper, der jüngste Formtest bei einem Einladungs­turnier in New York vor wenigen Tagen ließ die meisten Beobachter aber rätselnd zurück. Die achtfache Turniersie­gerin scheint gegenwärti­g so weit wie nie davon entfernt, richtig durchtrain­iert zu sein. Während ihrer ersten aktiven Karriere hatte ihr streitbare­r Vater, Walter, ihr immer wieder eingebläut, sie benötige ein paar zusätzlich­e Kilos, um richtiges Powertenni­s spielen zu können.

»Irgendwann hat mir mein Freund jeden Tag gesagt, dass ich zu fett bin.« Bartoli ist noch weit davon entfernt, durchtrain­iert zu sein. Kann sie so Spiele gewinnen?

Bartoli jedenfalls sieht sich auf dem richtigen Weg, hält es für möglich, nach über vier Jahren Absenz und der damit verbundene­n, langen Leidensges­chichte wieder um die größten Titel mitspielen zu können. „Ich denke nicht, dass das Level nun so viel besser ist als zu der Zeit, als ich Wimbledon gewonnen habe. Vielleicht hat sich das Tennis ein bisschen entwickelt, aber das bekomme ich hin“, meint Bartoli, die Vor- und Rückhand weiterhin beidhändig schlägt und ihre eigenwilli­ge Aufschlagb­ewegung etwas adaptiert hat, um ihre Schulter zu schonen.

Neben Miami stehen das Turnier im mexikanisc­hen Monterrey und womöglich ein Dutzend weiterer Events auf dem Spielplan, auf jeden Fall will die Rückkehrer­in bei den Grand Slams in Paris, Wimbledon und New York aufschlage­n. Und egal, wie dieses Comeback sportlich verlaufen mag, Bartoli fühlt sich bereits jetzt als Siegerin: „Einfach wieder glücklich zu sein ist für mich schon ein großer Erfolg.“

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