Gesucht: Die Erben von Hirscher, Veith und Co.
Allzu lang wird Marcel Hirscher die Fahne der Skination Österreich nicht mehr hochhalten. Wo sind die nächsten Ausnahmetalente aus den heimischen Kaderschmieden? Oder muss man sich gar Sorgen um den rot-weiß-roten Nachwuchs machen? Ein bisschen schon.
Mit einer weit verbreiteten Mär soll gleich zu Beginn aufgeräumt werden: Marcel Hirscher und Anna Veith, die beiden Olympia- und Gesamtweltcupsieger aus dem Tennengau und die mit Abstand erfolgreichsten österreichischen Skirennläufer der vergangenen Jahre, sind nicht irgendwelchen Privatteams entsprungen. Sie sind vielmehr Produkt des guten alten heimischen Nachwuchssystems: Ihre Basis wurde in den Vereinen gelegt, sie haben die Bezirks-, Landes- und ÖSVKader durchlaufen und sind in die Schwerpunktschulen gegangen, im Fall der beiden Salzburger in die Skihotelfachschule Bad Hofgastein.
„Marcel hat in seiner Jugend nie ein Spezialteam gehabt. Er war bei jedem einzelnen Kaderkurs dabei. Und wenn er in der Schule einmal etwas versäumt hat, ist er gekommen und hat gefragt: , Kann ich das bitte nachholen?‘“, erzählt Gernot Wagner, damals wie heute sportlicher Leiter der Kaderschmiede aus dem Gasteinertal. Immer wieder gehen solche Ausnahmetalente durch seine Hände, der 41-Jährige sagt: „Die richtigen Kracher sind nicht weniger geworden.“
Die Namen der aktuellen Gasteiner Hoffnungsträger sind kein Geheimnis. Lisa Grill zum Beispiel, 17 Jahre alt, aus Mariapfarr, darf man sich schon einmal merken, bei den österreichischen Jugendmeisterschaften in SaalbachHinterglemm hat sie am Mittwoch den Super-G gewonnen und am Freitag im Slalom nachgelegt – ganz ohne Spezialbetreuung. Als Jahrgangsjüngste fuhr die Lungauerin Anfang Februar bei der Junioren-WM in Davos, wo der Schweizer Marco Odermatt, 20, gleich fünf Goldmedaillen abgeräumt hat, in der Kombination auf Rang vier. Bei ihr wagt Wagner sogar eine Prognose: „Sofern sie gesund bleibt, sage ich, dass sie Weltcup fahren und dort auf alle Fälle das eine oder andere Rennen gewinnen wird, wenn nicht mehr.“
Das »Renn-Gen«: Schon in jungen Jahren zu wissen, was gut für einen ist und was nicht.
Doch dafür muss weiterhin alles zusammenpassen. Nicht nur das Skifahrerische, sondern auch die mentale Komponente und das Umfeld. Immer wieder scheitern verheißungsvolle Talente, Wagner kennt zig Beispiele von Rennläufern, die am Erfolgsdruck der Eltern zerbrochen oder sich selbst im Weg gestanden sind. „Im Training fährt er wie ein Glöckerl, im Rennen glaubt er, er muss alles zerreißen, dann geht gar nichts mehr.“Und manche nehmen es einfach zu lässig, genießen eben auch die anderen Freuden des Lebens. Ausnahmeerscheinungen wie Hirscher und Veith aber haben schon in ihrer Schulzeit eine außergewöhnliche Reife an den Tag gelegt. Das berichten zahlreiche Wegbegleiter. „Sie wissen schon in jungen Jahren ganz ge- nau, was gut für sie ist und was nicht. Und zwar nur für sie, für niemand anderen. Man könnte das vielleicht das Renn-Gen nennen“, erklärt Wagner.
Hinter diesen Topleuten gibt es dann pro Jahrgang eine Handvoll Athleten, die mit etwas Abstand immer noch gut dabei sind. Genau hier zeigt sich aber eine erste Baustelle im heimischen Nachwuchs, denn diese Gruppe war schon einmal viel größer. „Was weniger geworden ist, ist das Mittelfeld, die Breite“, sagt Wagner. Eine besorgniserregende Entwicklung? Er überlegt lang, ganz unbesorgt ist er je-