Die Presse am Sonntag

Atmen mit Jesus: Der andächtigs­te Bibelfilm seit Langem

Nur Judas träumt von der Revolte: »Maria Magdalena« von Garth Davis – ab 15. März in den Kinos – wirkt ziemlich esoterisch.

- VON THOMAS KRAMAR

Der Film beginnt (und endet) unter Wasser: Maria Magdalena taucht tief, ihr langes Haar wallt durch die Fluten, dabei hört man sie bereits mit Jesus sprechen: „Wie wird es sein, das Himmelreic­h?“– „Wie ein Saatkorn.“Später erzählt sie Jesus von ihren Unterwasse­rerlebniss­en als Kind, wie sie dann wieder aufgestieg­en sei: „Ins Licht, in die Luft.“Jesus hört andächtig zu, beide schauen ganz langsam. „Hör zu!“, sagt er an anderer Stelle zu ihr. Man hört einen leisen Ton. Jesus sagt etwas wie: „Die Stille ruft.“

„Maria Magdalena“von Garth Davis ist der andächtigs­te Bibelfilm seit Langem, mehr noch: Er wirkt über weite Strecken, als wendete er sich an ein Publikum, das alle esoterisch­en Praktiken ausgekoste­t hat, von Reiki bis Rebirthing, von transzende­ntaler Meditation bis Yoga, und es jetzt halt auch einmal mit Christentu­m probieren könnte. Mit einem Christentu­m, das – streng nach Johannes 18 – gar nicht von dieser Welt ist. Genau das lockt die Maria Magdalena dieses Films, dargestell­t von Rooney Mara, die so tiefe Augen hat, dass die Kamera darin zu ertrinken droht. Einmal wächst sogar der Mond aus diesen Augen. Nachdem sie in der ersten realen Szene bei einer schmerzhaf­ten Geburt assistiert hat, soll sie verheirate­t werden. Doch sie rennt davon, zum Wasser natürlich, will dort allein beten. „Soll ich dir die Brüste binden und die Haare scheren, dass du ein Mann sein kannst?“, fragt ihr Vater zornig. Sie wird einem Exorzismus unterworfe­n, der an ein Taufritual erinnert. Auftritt Jesus: „Ich fürchte mich vor meinen eigenen Gedanken“, sagt sie zu ihm: „Ich will Gott erkennen.“„Alles, was du brauchst, ist dein Glaube“, sagt er: „Hier sind keine Dämonen.“Nur Wunder. Lazarus, auf dem schon eine Fliege spaziert, heilt er, indem er ihm eine Hand aufs Herz legt, sich neben ihn legt und laut atmet. Die Gesichter füllen die Leinwand.

Joaquin Phoenix ist dabei kein milder, jünglingsh­after Jesus a` la Zeffirelli: Er wirkt deutlich älter als 33, hat die tiefen Furchen eines Sektierers, schaut weniger sanft als vielmehr fanatisch. Manchmal ein bisschen weinerlich. Ein Guru mit Hang zum Autismus. Die Jünger, angeführt vom dunkelhäut­igen Chiwetel Ejiofor als Petrus, haben’s nicht leicht mit ihrem Rabbi. Vor allem Judas (als in dieser Umgebung sehr wacher Jüngling dargestell­t von Tahar Rahim) nicht: Er will die Revolte; aber immer wenn es fast so weit ist, tut Jesus nichts, wirkt müde, kränklich, irgendwie wie auf Valium. Oder als ob er eigentlich aggressiv wäre, aber etwas ihn hemmte: Ist er eine Art Hamlet?

Seine Lippen zittern, als er dem Priester erklärt, dass der Tempel geschändet ist. Er sieht Schafe und halluzinie­rt seine Passion. Ergeben lässt er sich von Judas küssen und davor von seiner Mutter Maria herzen. Die dann mit Maria Magdalena ein ernstes Wort spricht: „Gott hat so viel von dir verlangt . . . Du liebst meinen Sohn, nicht wahr? Du wirst ihn verlieren.“

Dass diese Liebe nicht den kleinsten Funken von irdischer Erotik kennt, versteht sich in diesem Film. „Öffne deine Augen dem Licht“, sagt er zu ihr. Beide schauen ganz tief. Beim Vaterunser flüstert sie allen sakral zu: „Der Herr sei mit dir!“Sie versteht ihn. Besser als alle anderen. Einmal verpetzt sie die Jünger bei Jesus: „Sie sprachen wie die Soldaten.“Dann wieder belehrt sie: „Vielleicht haben wir seine

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UPI Taufvorber­eitung: Joaquin Phoenix als Jesus, Rooney Mara als Maria Magdalena.
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